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Fahndung über Grenzen hinweg

14. Februar 2012

Terrorismus und Internet sind nur zwei der Themen auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. Experten fordern eine verbesserte internationale Zusammenarbeit gegen organisierte Kriminalität.

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Der Polizei-Schriftzug ist an einer Polizeiweste. Foto: Jens Kalaene dpa
Bild: picture alliance / dpa

Verbrechen kennt keine Grenzen: Immer mehr Terroranschläge werden in einem Land geplant, in einem anderen unterstützt und in einem dritten ausgeführt. Um geeignete Gegenmaßnahmen geht es auf dem europäischen Polizeikongress in Berlin (14. und 15.02.2012), an dem mehr als tausend Sicherheitsexperten aus 50 Nationen teilnehmen.

Die Terrorismusbekämpfung zu einem Schwerpunkt zu machen, ist aus Sicht von Dieter Kugelmann eine naheliegende Entscheidung der Kongress-Organisatoren. "Schon seit dem 11. September 2001 ist der Terrorismus ein großes Thema in der internationalen Polizeiarbeit", sagt Kugelmann, der Professor für internationales Recht an der Deutschen Hochschule der Polizei ist. Im Kern geht es dabei um einen verbesserten Informationsaustausch.

Europol als "Serviceeinheit"

Wie nötig ein länderübergreifender Austausch inzwischen ist, zeigen etliche Fälle aus der jüngeren Vergangenheit. Ob beim Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen, der Fahndung nach dem sogenannten "Ikea-Bomber" oder der Zerschlagung eines Drogen- und Waffenhändlerrings - stets war internationale Polizei-Zusammenarbeit wichtig für den Fahnungserfolg.

Dieter Kugelmann, Professor für öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule der Polizei. Copyright: Prof. Dr. Dieter Kugelmann
Dieter Kugelmann, Professor für öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule der PolizeiBild: Dieter Kugelmann

"Europäische Zusammenarbeit bedeutet verstärktes Netzwerken der Behörden, um grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in den Griff zu bekommen", sagt Rechtsexperte Kugelmann. Besonders die europäische Polizeibehörde Europol nehme den zentralen Stellenwert einer "Serviceeinheit" ein.

Das sieht Dietrich Neumann ähnlich. Er ist Rechtsdienstleiter von Europol: "Polizeiarbeit besteht darin, die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Stellen weiterzuleiten, möglichst sogar in Echtzeit."

Die erforderlichen Strukturen zu Schaffen sei die unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg, und diese Strukturen bestünden, laut Neumann, vor allem in effizienten zentralen Datenverarbeitungssystemen auf EU-Ebene. In diesem Zusammenhang sei Europol etwas ganz Neues gewesen: "Wir sind das Instrument der europäischen Polizei-Zusammenarbeit, eine Informations-Nabe, in der alle polizeilichen Informationen zusammengeführt, verknüpft und analysiert werden."

Verträge stützen die Zusammenarbeit

Ein Pfeiler der europäischen Polizei-Zusammenarbeit ist das "Stockholmer Programm", das unter anderem Europol stärken soll. Die EU-Staaten wollen damit beispielsweise den Einsatz von Ermittlungsgruppen ausweiten, die aus Fahndern verschiedener Länder bestehen. Außerdem sieht das Programm vor, den Informationsaustausch zu erweitern, gemeinsame Datenbanken einzurichten und eine EU-Grenzschutztruppe aufzubauen. Vorgesehen sind aber auch Verbesserungen beim Datenschutz.

Sicht auf das europäische Hauptquartier der Europol. Foto: EPA/Lex van Lieshout
Europol - die "Serviceeinheit" der europäischen PolizeizusammenarbeitBild: picture-alliance/dpa

Der "Prümer Vertrag", ein weiterer Pfeiler der europäischen Polizei-Zusammenarbeit, ist inzwischen geltendes, europäisches Recht. Er sieht die Kooperation bei Großveranstaltungen vor (etwa die Anforderung von ausländischen Experten und Sicherheitskräften), und regelt zudem den Austausch von Kraftfahrzeug- und DNA-Daten.

Doch es gibt noch weitere Kooperations-Pläne: Mit dem Europäischen Strafregister ECRIS, das noch im Aufbau befindlich ist, soll irgendwann überprüft werden können, ob sich jemand im Ausland bereits strafbar gemacht hat. Seit langem diskutiert werden auch die Europäische Fluggastdatei und eine zentrale Datenbank für verdächtige Transaktionen zur Bekämpfung der Korruption. Außerdem sollen nationale EDV-Systeme in einem europäischen Informationsaustauschmodell koordiniert und zusammengeführt werden.

Bekannte Probleme, neue Herausforderungen

"Wir haben heute zwar bereits eine Vielzahl von Instrumenten - aber das ist eher das Problem als die Lösung", meint Robert Esser, Professor für Internationales Recht an der Universität Passau. Die Herausforderungen für die Zukunft gingen jedoch über eine bloße Überwindung der bestehenden Hindernisse hinaus, sagt Dietrich Neumann von Europol, denn gerade dem Internet käme eine immer zentralere Bedeutung zu: "Die spannende Frage für die Zukunft ist, wie die Polizei im 21. Jahrhundert Schritt halten kann mit einer Entwicklung, die den Transfer von Datenmassen in Sekundenschnelle erlaubt und neue Verbrechensformen wie Phishing, das Abschöpfen von Passwörtern, oder Industriespionage durch das Hacken von Servern erst hervorbringt."

Eine Gruppe Polizisten bei einer Demonstration gegen den Castor-Transport. Foto: dpa
Polizisten bei der ArbeitBild: dapd

Rechtsfachmann Dieter Kugelmann nennt ein weiteres Beispiel: Banküberfälle im Grenzgebiet. Viele Polizisten seien sich unsicher, wie sie Verbrecher weiter verfolgen können, wenn diese eine Grenze überqueren. Daran wird deutlich, dass nicht nur beim Informationsaustausch noch Defizite bestehen.

"Unser Hauptproblem ist, dass die nationalen Polizeien in Europa nicht auf demselben Level sind", kritisiert Andrea Nellberg, Vorsitzende des Dachverbandes der Polizeigewerkschaften Eurocop. "Was wir momentan dringend brauchen, sind einheitliche Minimalstandards, etwa für die Ausbildung von Polizisten."

Datenschutz versus Sicherheit

Auch der Umgang mit dem Datenschutz muss geklärt werden. "Wir geraten sehr schnell in das Spannungsfeld zwischen effektiver Polizeiarbeit - das heißt: dem Recht des Bürgers auf Sicherheit - und dem Datenschutz, also dem Recht des Bürgers auf freie Persönlichkeitsentfaltung", sagt Dietrich Neumann von Europol. "Wir dürfen aber weder das Vertrauen in unsere Arbeit verspielen, noch das Vertrauen in die Sicherheit der Daten, die bei uns gespeichert werden."

Professor Dr. Robert Esser, Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht in Passau. Copyright: Forschungsstelle Human Rights in Criminal Proceedings (HRCP), Universität Passau
Robert Esser, Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales StrafrechtBild: HRCP, Universität Passau

"Der Datenschutz ist etwas", ergänzt Robert Esser von der Uni Passau, "das die Polizeiarbeit behindert - und das zugleich aus rechtsstaatlichen Gründen unbedingt einzufordern ist." Die Fahndung per Datenaustausch und der wirksame Schutz von Persönlichkeitsrechten - zwei eigentlich unvereinbare Pole und selbst für Experten ein nur schwer lösbares Dilemma.

Autorin: Johanna Schmeller
Redaktion: Ralph Bosen