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Deutschland soll Verantwortung für Zukunft wahrnehmen

27. September 2010

Seit bald zehn Jahren berät der Rat für Nachhaltige Entwicklung Bundesregierungen. Auch unter Kanzlerin Merkel denken wieder Fachleute über einen verantwortlichen Umgang mit Ressourcen nach. Hier ist noch viel zu tun.

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Rapsfelder und Windpark (Foto: dpa)
Nachhaltig mit regenerativer EnergieBild: dpa

Als Beratungs- und Kontrollinstanz will Angela Merkel den Rat für weitere drei Jahre fortsetzen. Der Auftakt erfolgt auf der Jahreskonferenz am Montag (27.09.2010). Auf der Agenda stehen drängende Themen: die Versiegelung großer Flächen, die Verschwendung von Rohstoffen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Themen, bei denen noch viel zu tun ist.

Zwei Drittel der politisch einmal vorgesehenen Verbesserungen im verantwortlichen Handeln bis zum Jahr 2020 seien nicht erreicht, beklagt Prof. Dr. Angelika Zahrnt. Sie ist eines von fünfzehn Mitgliedern des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Die Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gehört dem Rat seit dessen Gründung im Jahr 2001 an. Damals wollte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dass nach dem Erdgipfel in Rio (1992) und dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (2002) auf nationaler Ebene Taten folgen. Produktion und Konsum sollten in Deutschland so gestaltet werden, dass auch kommende Generationen ihren Bedarf decken und gut leben können.

Teilerfolge

Gerhard Schröder (Foto: AP)
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard SchröderBild: AP

"Es bleibt wichtig, dass wir die Ziele, die schon vor neun Jahren formuliert wurden, weiter verfolgen, immerhin gibt es auch etliche Teilerfolge", bestätigt Angelika Zahrnt im Interview mit der Deutschen Welle. Sie beruft sich dabei auf Angaben des Statistischen Bundesamtes. Die Institution sammelt alle zwei Jahre Fakten zum Stand der Umsetzung von deutschen Nachhaltigkeitszielen. Danach sind im Klimaschutz die größten Fortschritte erreicht worden. Treibhausgase konnten drastisch reduziert werden. Der Einsatz erneuerbarer Energien ist auf 12,5 Prozent gestiegen. 30 Prozent sollen es bis zum Jahr 2020 sein. Das Ziel sei beim jetzigen Tempo erreichbar, heißt es in Einschätzungen der übrigen Ratsmitglieder. Der allgemeine Wohlstand konnte gesteigert, die Sterblichkeitsraten gesenkt, die Sicherheit erhöht und das Beschäftigungsniveau gesichert werden.

Auch offene Märkte gehörten zu den bereits 2001 erklärten Nachhaltigkeitszielen, bei denen deutsche Politik als wichtiger Partner der so genannten Schwellenländer, der aufsteigenden Wirtschaftsmächte in Ost und Mitteleuropa sowie in Südostasien deutlich weiter gekommen ist.

Umdenken bietet Vorteile

Solar-, Wasser und Windkraft (Foto: DW)
Alternativen stehen bereitBild: picture alliance / DW

Ein verantwortlicher Umgang mit den Ressourcen der Welt umfasst alle Lebensbereiche. Dazu gehören Menschen, Land, Luft, Lebensqualität und der Konsum. Seit der Einberufung des Rates für Nachhaltige Entwicklung wurden in Deutschland viele Initiativen gegründet, die einen konkreten Beitrag zum Umdenken in der Gesellschaft leisten. Was vor Jahren noch als Spinnerei einiger "Öko-Freaks" abgetan wurde, hat sich inzwischen als selbstverständliches Denken durchgesetzt. "Das lag natürlich erst einmal an handfesten, nachvollziehbaren Vorteilen", sagt Christian Geßner vom Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke. In Projekten wie "Ökoradar" überzeugte er Firmenchefs mit finanziellen Argumenten. "Da wurden dann zum Beispiel in einer Firma alle Verpackungen, die im Betrieb genutzt wurden, auf einen Haufen aufgetürmt", erzählt Geßner, "bis der Berg fast bis zur Decke der Halle reichte. In dem Moment erst sah man, welche Optimierungspotentiale ausgeschöpft werden mussten, um zu sparen." Die Lösungen, die man fand, sparten dem Unternehmen dann im Jahr fast 50.000 Euro alleine nur an Verpackungskosten.

Inzwischen ist der gesellschaftliche Druck in Deutschland so groß geworden, dass viele Verbraucher nicht einmal mehr Produkte von Herstellern kaufen, die im Ruf stehen, die Umwelt zu belasten oder Sozialstandards gegenüber ihren Mitarbeitern nicht einzuhalten. Gleichzeitig erfreuen sich fair gehandelte Produkte stetig wachsender Beliebtheit beim Kunden. Auch die Werbung setzt inzwischen auf Nachhaltigkeit. Ein Produzent von Kleinwagen zeigt in einem aktuellen Werbespot, wie ein Mann versucht, mit seinem teuren, viel Benzin schluckenden, schnellen Sportflitzer eine Frau zu beeindrucken. Daraufhin bietet ihm diese Frau lediglich mitleidig eine psychologische Beratung an. Angelika Zahrnt, Mitglied im Nachhaltigkeitsrat, warnt allerdings vor dem Trend der Wirtschaft, sich jetzt mit dem Mantel der Nachhaltigkeit nur noch zu schmücken. Wenn wichtige Ziele zum reinen Werbegag verkommen, sei das "wenig hilfreich".

Kein Konsumverzicht

Für Lebensmittel, nachhaltiges Bauen, die Herkunft von Holz - bereits zahlreiche Siegel bezeugen in Deutschland Nachhaltigkeit in der Produktion. Johannes Auge rechnet mit einem einheitlichen Gütesiegel. Der Umweltmanager arbeitet für den staatlich unterstützten Arbeitskreis für Umweltmanagement im westfälischen Hamm. Bis das Siegel kommt, werde es aber "noch eine Weile dauern". Auch im sozialen Bereich gibt es längst entsprechende Zertifizierungen. Für immer mehr deutsche Unternehmen sind verbindliche Sozialstandards unverzichtbar, um qualifiziertes Personal zu halten oder anzuwerben. Eine firmeneigene Kinderbetreuung, Gesundheitspflege, flexible Arbeitszeiten und Lebensarbeitszeitkonten werden immer häufiger bei Einstellungsgesprächen nachgefragt.

Eine Fahrradfahrerin vor einem Brunnen (Foto: AP)
Mit Fahrrad statt Auto zur ArbeitBild: AP

"Es geht immer weniger um Geld", bestätigt Berater Christian Geßner, "viel entscheidender ist das langfristig orientierte Handeln. Immer mehr Menschen fragen sich, ob immer wirklich alles benötigt wird, was konsumierbar wäre. Viele Bürger empfinden beim Umdenken auch keinen Verzicht. Wer kann, fährt mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit. Das ist der heute angesagte Lifestyle!"

Gedanke, der schon im 18. Jahrhundert bekannt war

Angelika Zahrnt versucht im Rat für Nachhaltige Entwicklung darzustellen, dass nicht die lange vorherrschende Orientierung an immer mehr Wachstum, sondern die neue Beschränkung die künftigen gesellschaftlichen Impulse geben wird. Der beste Beleg dafür sei die Umweltbranche, die in Deutschland inzwischen beinahe so viele Beschäftigte zählt wie die Automobilbranche. Auch als der Rat für Nachhaltigkeit die Bürger aufforderte, ihre Ideen für ein nachhaltig verantwortliches Verhalten einzureichen, war die Reaktion überwältigend.

Über die "Grenzen des Wachstums" hatte sich bereits vor vierzig Jahren der "Club of Rome"“ Gedanken gemacht und damit eine Diskussion entfacht, die bis heute nachwirkt.

200 Jahre zuvor, im 18. Jahrhundert, begann bereits das Nachdenken über so etwas wie Nachhaltigkeit in Deutschland. Die Überlegungen starteten damals in der Forstwirtschaft. Die Industrialisierung forderte ihren Preis. Für die Silberminen rund um Dresden zum Beispiel wurden viele Wälder radikal abgeholzt, um mit den Balken aus Baumholz Stollen abzustützen oder die Schmelzöfen zu befeuern. Dass man so nicht dauerhaft wirtschaften kann, ohne nachfolgende Generationen zu schädigen, war damals schon klar.

Autor: Wolfgang Dick

Redaktion: Michael Borgers