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Faires Verfahren oder kurzer Prozess?

22. April 2009

Seit Mittwoch stehen in Kenia neun mutmaßliche somalische Piraten vor Gericht. Die deutsche Marine hatte sie im Golf von Aden gefangen und an Kenia ausgeliefert. Grundlage dafür ist ein Abkommen der EU mit Kenia.

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Somalische Piraten vor Gericht in Kenia (Foto: AP)
Somalische Piraten vor Gericht in KeniaBild: AP

Auf dem Papier ist zumindest alles in Ordnung. Die Länder der Europäischen Union hätten mit der Regierung in Kenia konkrete Vereinbarungen über derartige Fälle getroffen, sagt Außenamtssprecher Andreas Peschke: "In den Gesprächen, die die EU mit Kenia geführt hat, haben wir sehr gründlichen Wert darauf gelegt, dass gerade die Gewährung von Menschenrechtstandards sehr explizit geregelt sind. Das ist auch in den entsprechenden Vereinbarungen mit Kenia so geschehen."

Zweifel an rechtlichen Standards

Oliver Wallasch (Foto: dpa)
Strafverteidiger Oliver WallaschBild: picture-alliance/ dpa

Oliver Wallasch hat dagegen Zweifel, dass diese Standards eingehalten werden. Der Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main will einen der angeklagten Piraten vertreten. Doch bis heute hat Kenias Generalstaatsanwalt nicht auf seinen Antrag reagiert, dafür am Gericht in Mombasa zugelassen zu werden. Auch das Abkommen zwischen der EU und Kenia, glaubt Wallasch, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. "Das betrifft sowohl das strafprozessliche Prozedere, zum Beispiel, dass Kenia im Rahmen des Briefwechsels mit der EU zugesichert hat, dass jeder Anrecht auf einen Verteidiger hat, der ihm unentgeltlich gestellt wird, das ist hier nicht eingehalten", sagt Wallasch.

Schlimme Zustände in Gefängnissen

Denn im Gefängnis Shimo la Tewa, in dem die Piraten einsitzen, herrschen wie in fast allen kenianischen Anstalten schlimme Zustände. Die Männer schlafen auf den Zellenböden, weil es nicht genug Betten gibt. In den Zellen kriechen Kakerlaken auf dem Boden, AIDS, Tuberkulose und andere Krankheiten verbreiten sich schnell. Denn Kenias Gefängnisse sind überbelegt, aber unterfinanziert. Und das sind noch nicht alle Probleme: "Unser Rechtssystem ist noch immer nicht computerisiert. Plädoyers werden mündlich vorgetragen, der zuständige Richter muss dann mitschreiben. Das dauert seine Zeit, die Anwälte tragen es über mehrere Tage vor", erklärt die Rechtsanwältin Christine Allai von der Nichtregierungsorganisation "Kenianische Menschenrechtskommission". Mehr als 50 Fälle müssen manche Richter in Kenia pro Tag anhören, ergaben Recherchen einer kenianischen Untersuchungskommission. Denn der Staat ist pleite und kann längst nicht die Zahl Richter einstellen, die das Land bräuchte. Auch Korruption ist eine Gefahr - denn Kenias Richter und Staatsanwälte sind völlig unterbezahlt. Die letzte Gehaltserhöhung gab es vor acht Jahren.

Unhaltbare Zustände in Gefängnissen (Foto: dpa)
Unhaltbare Zustände in GefängnissenBild: dpa - Bildfunk

Piraten könnten Asyl in Deutschland beantragen

Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, internationale Geber, selbst Untersuchungskommissionen der kenianischen Regierung machen auf diese Probleme immer wieder aufmerksam. Trotzdem will die Bundesregierung den Piraten nicht in Deutschland den Prozess machen - sie hat Angst, dass die Piraten nach der Haft Asyl beantragen könnten.

Keine rechtlichen Bedenken gibt es hingegen bei der Bekämpfung der Piraterie auf dem Meer. Das Mandat sei robust genug, argumentiert die Bundesregierung, die sich auf Forderungen nach einem härteren Vorgehen der deutschen Marine nicht einlassen will, zumindest nicht in der öffentlichen Debatte. Politiker aus CDU, FDP und der Bundeswehrverband schlagen vor, die "Mutterschiffe" der Seeräuber anzugreifen und notfalls auch zu versenken.

Autor: D. Pelz , N. Werkhäuser

Redaktion: Dirk Bathe