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Faktencheck: Silvester in Dortmund

6. Januar 2017

Das rechtspopulistische Internetportal "Breitbart" berichtet über Unruhen in der Dortmunder Silvesternacht. Ein Mob habe eine Kirche angezündet und Polizisten attackiert. Die Polizei sagt, Silvester war eher ruhig.

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Screenshot Breitbart.com Fake News
Diese Meldung des US-Magazins "Breitbart" verbreitete sich rasend schnell in den sozialen MedienBild: Breitbart.com/Screenshot

Am 3. Januar berichtete das US-amerikanische Onlinemagazin "Breitbart" von einem 1000 Mann starken Mob, der in Dortmund gezielt Polizisten attackiert und eine Kirche in Brand gesetzt haben soll. Die Angriffe seien von "Allahu Akbar"-Rufen begleitet gewesen. Die Breitbart-Meldung wurde mehr als 16.000 Mal auf Facebook geteilt. Die Polizei dagegen hatte bereits in einer Pressemeldung von Neujahr von einer eher ruhigen Silvesternacht gesprochen und stellt in einer weiteren Stellungnahme vom 5. Januar klar: Es ist nichts Dramatisches passiert.

Wer steckt hinter "Breitbart"?

"Breitbart" ist ein US-amerikanisches Internetportal, das bis vor kurzem von Steve Bannon geführt wurde und zur wichtigsten Plattform der Rechtspopulisten in den USA avancierte. Das Magazin sorgte vor allem während des US-Präsidentschaftswahlkampfes für Furore, als Bannon Trumps Wahlkampfmanager wurde und "Breitbart" zur Propagandaplattform des Kandidaten aufstieg. Das Magazin feierte sich gemeinsam mit Trump als Sieger über das Establishment. Bannon ist mittlerweile zum Chefstrategen des designierten US-Präsidenten Donald Trump aufgestiegen.

USA Wahlkampf Republikaner Donald Trump - Wahlkampfmanager Steve Bannon
Steve Bannon ist mittlerweile zum Chefstratege des designierten US-Präsidenten Donald Trump ernannt worden.Bild: Getty Images/C. Somodevilla

Ein Medium wie "Breitbart" berichtet über Ereignisse wie die Silvesternacht in Dortmund nicht nur mit Hilfe falscher Informationen. Fakten werden außerdem aus einem Kontext herausgerissen und in einen anderen hineingepackt. Und auch bei Texten macht der Ton die Musik, wie diese Gegenüberstellung mit den offiziellen Berichten zeigt. 

Breitbart titelt:

"Enthüllt: 1000-Mann Mob attackiert die Polizei und setzt die älteste Kirche Deutschlands in der Silvesternacht in Brand"

Stimmt das?

Die Polizei Dortmund schreibt in ihrer Pressemeldung: "Im Rahmen einer Menschenansammlung von rund 1000 Personen am Platz von Leeds kam es zum Teil zu unsachgemäßem Einsatz von Silvesterfeuerwerk." In der Stellungnahme vom Neujahrestag heißt es, fünf Polizeibeamte seien leicht verletzt worden. Von gezielten Attacken ist keine Rede.

Bei der Kirche, die in Brand gesetzt worden sein soll, handelt es sich um die Reinoldikirche, die keinesfalls die älteste Kirche Deutschlands ist, wie "Breitbart" behauptet. Die Dortmunder Feuerwehr äußert sich auf ihrer Homepage zu dem Brand: "Durch eine Silvesterrakete kam es zu einem Brand des Gitterschutznetzes [eines Baugerüstes] an der Reinoldikirche, welcher jedoch schnell gelöscht werden konnte." 

Der "Breitbart"-Teaser:

"Während der Silvesterfeierlichkeiten in Dortmund skandiert ein Mob von über 1000 Männern "Allahu Akbar", schoss Silvesterraketen auf die Polizei und setzte eine historische Kirche in Brand."

Stimmt das?

Der Teaser des Breitbart-Artikels suggeriert, dass die Angriffe auf Polizisten und Kirche von "Allahu Akbar"-Rufen begleitet wurden, "Gott ist groß". Grundlage des Breitbart-Berichts ist ein Artikel der "Ruhr Nachrichten", deren Reporter, Peter Bandermann, vor Ort war. Bandermann twitterte, dass einige Syrer den Waffenstillstand in ihrem Heimatland feierten. In den Pressemeldungen der Polizei ist von keinen islamistisch motivierten Angriffen die Rede.

Breitbart schreibt:

"Um Mitternacht drohte die Situation zu eskalieren. In einem Liveticker berichten die Ruhr Nachrichten, dass 'mindestens 1000 junge Männer' begannen, Feuerwerkskörper in die feiernde Menge zu werfen. Zu den Besuchern zählten auch Familien mit Kindern. Als die Polizei einschritt, bewarf der Mob stattdessen die Beamten."

Stimmt das?

Bandermann erwähnt die 1000 Menschen in einem anderen Zusammenhang: "Am Platz von Leeds und neben der Reinoldikirche hatten mindestens 1000 Personen in das neue Jahr gefeiert." Die Polizei habe die Menschen zu einem vorsichtigeren Umgang mit der Pyrotechnik aufgefordert, heißt es weiter. Die Ruhr Nachrichten veröffentlichten ein Video, das die Situation auf dem Platz von Leeds zeigt. Eine drohende Eskalation ist darauf nicht zu erkennen. 

Die Polizei schließt ihre Pressemeldung vom 5. Januar mit dem Hinweis: "Herausragende oder spektakuläre Silvestersachverhalte wurden bis zum heutigen Tag nicht gemeldet."

DW Mitarbeiterportrait | Julia Vergin
Julia Vergin Wissenschaftsredakteurin und Online-Teamleiterin in Bonn mit Fokus auf Psychologie und Ernährung.