Fall Selek wird neu verhandelt
11. Juni 2014Das langwierige Verfahren der türkischen Justiz gegen die Schriftstellerin und Soziologin Pinar Selek geht in eine neue Runde. Der Berufungsgerichtshof in Ankara hob am Mittwoch eine Verurteilung der Wissenschaftlerin zu lebenslanger Haft auf, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Das Gericht machte Formfehler geltend, der Fall geht jetzt zurück an ein Gericht in Istanbul.
Selek wird die Beteiligung an einem bis heute nicht vollständig aufgeklärten Bombenanschlag vorgeworfen, bei dem 1998 in Istanbul sieben Menschen starben. Der Prozess gegen Selek, die zeitweise in Deutschland lebte, ist äußerst umstritten.
Die Staatsanwaltschaft wirft Selek vor, als Mitglied der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Ägyptischen Basar in der Istanbuler Innenstadt eine Bombe gezündet zu haben. Selek wies den Vorwurf zurück und wurde nach eigenen Angaben in der Haft gefoltert. Im Jahr 2000 kam sie frei; seitdem lebt sie in Westeuropa. Trotz mehr als einem Dutzend Gutachten ist bis heute ungeklärt, ob es sich überhaupt um eine Bombe handelte oder um einen Unfall durch die Explosion eines Gasbehälters im Basar.
Im Verlauf des nunmehr 16-jährigen Rechtsstreits wurde Selek mehrmals freigesprochen, doch wurden die Freisprüche immer wieder von übergeordneten Gerichten kassiert. Der bisherige Verlauf der Prozesse hatte international Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei genährt. Die Wissenschaftlerin erhielt im Laufe der Jahre viel Unterstützung aus Europa, unter anderem von dem deutschen Journalisten Günter Wallraff. Zuletzt war die heute im französischen Exil lebende Autorin im Januar 2013 von einem Istanbuler Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden; dieses Urteil wurde nun aufgehoben.
Selek beschäftigte sich in ihren Büchern und Artikeln mit der türkischen Friedensbewegung, dem Kurdenkonflikt, Frauenrechtsthemen und Militarismus.
pg/djo (dpa, afp)