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Politik

Falsche Krim-Karte im Lehrbuch wird ersetzt

Roman Goncharenko
17. April 2017

Wegen einer Krim-Karte als Teil Russlands entzog das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zulassung für ein Deutsch-Lehrbuch. Eine Geschichte über eine kleine Firma und große Politik.

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Russland Ukraine Krim Alltag Plakat in Moskau Karte
"Krim und Russland" steht auf dieser Plakate in Moskau, auf der Halbinsel ist Sewastopol markiert.Bild: Reuters

Nach der russischen Krim-Annexion 2014 achtete die Ukraine penibel darauf, dass die Halbinsel auf Landkarten weltweit weiterhin als ihr Staatsgebiet markiert wurde. Das Außenministerium appellierte an Bürger, Vorfälle zu melden. So erfuhr die Öffentlichkeit, dass in Frankreich ein Weltatlas und in Großbritannien und Kasachstan Geographie-Schulbücher mit der Krim als Teil Russlands herausgegeben wurden. Jetzt ist etwas Ähnliches in Deutschland geschehen: Ende März berichteten ukrainische und russische Medien über eine Krim-Darstellung in der Farbe Russlands in einem Deutsch-Lehrbuch, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugelassen wurde. Die Ersten, die darauf aufmerksam wurden, waren in Deutschland lebende Ukrainer darauf. 

Neue Lehrbücher für Migranten

Es handelt sich um die Reihe "Einfach gut! Deutsch für die Integration" der Firma TELC aus Frankfurt-am-Main. TELC (The European Language Certificates) ist ein renommierter Sprachtestanbieter mit einer fast 50-jährigen Geschichte. Die Landkarte mit der "russischen" Krim ist in den Lehrbüchern B 1.1 und B1.2 zu finden.

Deutschland Volkshochschulen in Bayern
Mitglieder eines Integrationskurses, Foto aus dem Archiv. Bild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Die neue Reihe ist seit Juli 2016 auf dem Markt und wurde laut Hersteller speziell für Integrationskurse konzipiert, bei denen Migranten auf das Leben in Deutschland vorbereitet werden. Nach einigen Schätzungen nutzen in ganz Deutschland rund 200 Kursanbieter, so wie Sprachschulen, die betroffen Lehrbücher. Integrationskurse des BAMF werden teilweise aus dem Bundeshaushalt finanziert. Deutschkenntnisse auf B1-Niveau sind eine der Voraussetzungen für die Einbürgerung.

So werden Darstellungen geprüft

TELC wollte sich auf eine Anfrage der Deutschen Welle nicht äußern und verwies auf eine Stellungnahme auf der eigenen Webseite. Darin bedauert die Firma "den Abdruck der fehlerhaften Karte" mit dem Hinweis, dass sie damit "keine politische Aussage" treffen wollte. Die Abbildung sei bei der Agentur Fotolia gekauft worden. TELC werde die betroffenen Bücher "umgehend neu auflegen und die Karte ersetzen."

Die Agentur Fotolia gehört zu den Weltmarktführern in Sachen digitale Bilder und ist im Besitz des US-Softwaregiganten Adobe. "Fotolia ist ein Marktplatz für Bilder", sagte der DW ihr Vertreter Martin Moschek. "Das Prinzip besteht darin, dass jeder, der ein Bild oder eine Grafik erstellt, sich bei Fotolia anmelden und seine Bilder hochladen kann." Die Datenbank enthalte Dutzende Millionen Bilder. Diese werden teils maschinell, teils von Mitarbeitern geprüft. Doch die Prüfung betreffe nicht den Inhalt, sondern technische Aspekte wie etwa die Auflösung. Außerdem werden Pornographie- und Gewaltbilder aussortiert. Mit anderen Worten, ob auf einer Karte die Grenzlinie korrekt ist, wird nicht geprüft. Nach den Beschwerden über die Krim-Karte habe man diese herausgenommen und den Anbieter informiert.

"Umstrittene Regionen"

Dieser Anbieter heißt Kartox JM, "ein kleines Start-Up Unternehmen aus Berlin", wie es in einer Mail an die DW heißt. Man bedauere, dass "eine unsere Kartengrafiken zu Missverständnissen geführt" habe. Sie sei aus dem Portfolio entfernt worden: "Wir möchten klarstellen, dass wir nicht bewusst eine Nationalität bevorzugen bzw. eine andere despektierlich behandeln wollten." 

Kartox JM hat weder eine eigene Webseite, noch eine Firmen-E-Mail-Adresse. Dabei nutzen viele Unternehmen ihre Bilder, darunter Banken, Zeitungen oder Industriefirmen.

Die Karte Europas mit der "russischen Krim" ist nicht das einzige Beispiel. In der Fotolia-Datenbank fand die DW zwei Karten von Kartox JM mit dem Titel "Tschernobyl in der Ukraine", auf denen die Krim eine andere Farbe als der Rest des Landes hat. Auf dem Twitter-Account der Firma war als Titelbild auch eine Karte zu sehen, auf der die Krim eindeutig als Teil Russlands dargestellt war. Auch diese Karten werde man entfernen, teilte Kartox JM mit. Das Titelbild im Twitter-Account wurde tatsächlich gelöscht. "Es gibt weltweit viele Regionen, die umstritten sind", erklärten die Berliner Kartographen die Hintergründe. Datensätze aus solchen Regionen seien "nicht immer eindeutig". 

Screenshot des Twitter-Accounts der Firma Kartox JM aus Berlin, Stand 7.4.2017.
Diese Karte mit der Krim im der Farbe Russlands hat Kartox JM aus seinem Twitter-Account Anfang April entfernt.Bild: Screenshot Twitter

Zulassung entzogen, Bücher bleiben

Die BAMF-Pressestelle in Nürnberg teilte mit, man bedauere den Abdruck "einer fehlerhafte Karte" in einem zugelassenen Buch. Die Behörde stelle "ausdrücklich fest, dass wir damit keine politische Aussage treffen wollen", so die Sprecherin Andrea Brinkmann gegenüber der DW. Das BAMF habe beide Bände "mit sofortigen Wirkung von der Liste der zugelassenen Lehrwerke genommen".

Laut Brinkmann sei das Amt weder inhaltlich, noch finanziell an der Reihe beteiligt gewesen. Auch die Zulassung sei im Juni 2016 unter Vorbehalt erteilt worden, da TELC zu dem Zeitpunkt die endgültige Druckfassung nicht vorgelegt hatte. "Es fehlte, neben einigen Anhängen und dem Vorwort, auch die zu kritisierende Karte", so Brinkmann. Trotz der Streichung von der Zulassungsliste werden die Anbieter der Integrationskurse weiterhin mit diesen Lehrbüchern arbeiten können. BAMF werde die Kursträger über die fehlerhafte Darstellung, die bevorstehende Korrektur und die Umtauschmöglichkeit informieren.

Ukrainischer Botschafter: "Das ist inakzeptabel"

Die Ukraine hat aus dieser Geschichte keinen diplomatischen Skandal gemacht. Kiew bat die Firma TELC, das BAMF und das Bundesinnenministerium um eine Erklärung, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der DW. Den Abdruck nannte er "einen bedauerlichen Vorfall". "Wir haben diese Information mit Empörung aufgenommen, denn im Grunde geht es um - bewusste oder nicht - Täuschung der zahlreichen Nutzer dieser Lehrmaterialien". Das sei "unter keinen Umständen akzeptabel". Inzwischen dürfte Kiew keine Gründe für Kritik haben.