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Familienfest in Bangkok

Patrick Tippelt, Bangkok3. Oktober 2006

Die Maschinen des Putsches in Thailand werden umfunktioniert zu Volksfestbühnen. Die Wirklichkeit des militärischen Staatsstreichs wird verdrängt. Da hilft auch kein wütender Taxifahrer.

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Artikelgrafik für den fern.schreiber aus Bangkok

Die Sonne war am Freitag (29.9.2006) hinter den Tamarindbäumen gerade aufgegangen und die Stadt schon lange wach. Doch im Dusit-Viertel herrschte Ruhe, dank der Absperrungen um das Regierungsviertel. Ein lila Taxi durchbrach die friedliche Atmosphäre: Der 60-jährige Nuamthong Praiwan kam über den Fluss, umrundete ein paar Mal den Königlichen Platz, durchbrach die Barrikaden und raste frontal gegen einen Panzer. Auf der Fahrertür stand, in schwarzer Farbe: "Den Zerstörern des Landes" auf der anderen Seite das Wort "Märtyrer".

Dem Mann – weder alkoholisiert noch unter Medikamenten oder geistig gestört – ging der Putsch gegen Thailands Regierungs im September gegen den Strich. Aus dem total geschädigten Taxi wurde Nuamthong mit drei gebrochenen Rippen gezogen. Am Panzer natürlich keine Schramme. Und ein paar Stunden später geht das Volksfest weiter.

Straßentheater statt Abschreckung

Frische Früchte gibt es am Straßenrand, die Leute drücken sich unter Regenschirme, quietschbunte Luftballons dürfen nicht fehlen, ganze Schulklassen steigen aus rasch gecharterten Bussen, und überall blitzt es, surrt es, Gluckser erfüllen die Luft, leises Lachen und allgemeines Gemurmel.

Die Panzer, die seit dem 19. September auf dem Königlichen Platz die Regierungsgebäude umstellen, sind mutiert zu Ausflugszielen, zu Erheiterungsmitteln der Bangkoker. Zwei Wochen zuvor zitterte die Stadt, als die Panzer über nächtliche Straßen ins Zentrum rollten. Am nächsten Tag schon wagten sich die ersten Zivilisten ganz nah dran, um heimlich ein paar Fotos mit dem Handy zu knipsen. Mittlerweile haben sich die Panzer gemacht: Umringt von fliegenden Händlern und grinsenden Schaulustigen. Für ein Foto muss man ein paar Minuten anstehen; um sich auf einem Panzer sitzend ablichten zu lassen, braucht es schon ein wenig mehr Geduld. Kinder wimmeln um stoische Soldaten herum und werden von den Eltern nur zurechtgewiesen, wenn die Kleinen an den gelben Tüchern der Uniformen ziehen – diese benutzen die Soldaten, um weiterhin ihre Verbundenheit mit dem König zu demonstrieren.

Was bedeutet schon Wirklichkeit?

Das Straßentheater ist den Machthabern Thailands nur Recht. Die Allgemeinheit fühlt sich an Tempelfeste oder Militärschauen erinnert – und verdrängt rasch die tatsächliche Situation im Land. Kaum jemand sieht in den Panzern ein Symbol der regierenden Militärjunta, der gegenwärtigen Entdemokratisierung Thailands, wie willkommen sie auch sein mag nach Thaksin Shinawatras Ära des Irrsinns.

Am thailändischen Gemeinschaftssinn wird auch eine Aktion wie die des Taxifahrers nichts ändern. Während seine Familie beteuert, dass Nuamthong äußerst interessiert an Politik sei und dass er die Geschehnisse der letzten Wochen aufmerksam verfolgt habe, wird er von vielen als schwachsinnig bezeichnet. Er selbst kommt – dank der Pressezensur der Machthaber – nicht zu Wort. Seine Rippen heilen im Gefängnis.