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Familiennachzug kann sehr lange dauern

Kay-Alexander Scholz, Berlin9. November 2015

Am Wochenende zeigte sich die Bundesregierung wieder uneinig in der Flüchtlingsfrage. Zumindest innerhalb der Unionsparteien scheint jedoch Konsens zu sein: auch syrische Flüchtlinge müssen mit Einschränkungen rechnen.

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Symbolbild Flüchtlinge Familiennachzug in Deutschland
Bild: picture-alliance/PIXSELL/D. Puklavec

Für Verwirrung hatte im politischen Berlin Innenminister De Maizière gesorgt, der am Freitag in einem Interview mitteilte, dass demnächst syrische Flüchtlinge generell nur noch subsidiären Schutz bekommen sollen. Dann bekämem sie nur noch eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr - und nicht mehr für drei Jahre wie andere Asylberechtigte. Wenn syrische Flüchtlinge nur noch subsidiären Schutz bekämen, würde zudem eine in der vergangenen Woche getroffene Entscheidung zur Geltung kommen, wonach der Familiennachzug für subsidiäre Flüchtlinge für zwei Jahre ausgesetzt wird.

Für seinen Vorstoß hatte De Maizère viel Kritik einstecken müssen. Aus seiner eigenen Partei erhält er jedoch mehr und mehr Rückhalt. CDU-Generalsekretär Peter Tauber erklärte am Montag nach einem Treffen der Parteispitze, dass es "breite Übereinstimmung" darin gebe, den Familiennachzug zu diskutieren und auch einzuschränken. Der Koalitionspartner CSU ist derzeit sowieso für jede Maßnahme zu haben, die auf eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen abzielt. Der Dritte im Bunde, die SPD, ist momentan jedoch dagegen. Kanzlerin Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, dass Meinungsverschiedenheiten bei dieser riesigen Herausforderung nichts Ungewöhnliches seien, man aber wie immer im Dialog zu einer Lösung von Konflikten finden werde. Öffentlich hat sich Merkel noch nicht geäußert.

Kein Durchwinken mehr

Über neue Einschränkungen auch für syrische Flüchtlinge wurde, so hört man aus Regierungskreisen, bereits in der vergangenen Woche im Kanzleramt besprochen. Allerdings konnte zwischen den Koalitionspartnern CDU, CSU und SPD noch keine Einigung erzielt werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Foto) hat die Idee dann am vergangenen Freitag öffentlich gemacht. Intern war er schon Tage zuvor vorgeprescht, indem er die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration anwies, zum alten Status quo bei der Bearbeitung syrischer Flüchtlinge zurückzukehren. Das heißt, die im November 2014 getroffene Entscheidung, syrische Flüchtlinge in einem Schnellverfahren einen Asylstatus zuzusprechen, wollte er wieder außer Kraft setzen. Über die dann wieder eingeführte Einzelfallprüfung wäre es möglich, anders als derzeit, Flüchtlingen aus Syrien nur einen subsidiären Schutzstatus zu geben. Am Wochenende musste der Bundesinnenminister diese Entscheidung dann öffentlich und intern wieder zurücknehmen - was ungewöhnlich ist.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Nun soll, so heißt es, De Maizière bei der nächsten Innenministerkonferenz, die für Anfang Dezember geplant ist, den Vorschlag zunächst mit seinen Fachkollegen aus den Bundesländer besprechen. Erst danach soll darüber politisch, also in der Regierungskoalition, entschieden werden.

Der Druck wächst

Schon jetzt seien die Aufnahmekapazitäten im Land erschöpft, heißt es aus den Kommunen. Wer aber in Deutschland Asyl bekommt, hat auch das Recht, seine Familie nachzuholen. Die Zweifel in der Bevölkerung und bei vielen Politikern von CDU/CSU aber wachsen, das noch stemmen zu können. Kommen demächst dann noch einmal Millionen Flüchtlinge im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland?

Erst vor kurzen hatte man sich darauf geeinigt, alle Westbalkan-Länder als sicher einzustufen. Wer dann trotzdem nach Deutschland kommt, wird in speziellen Lagern untergebracht und soll binnen weniger Wochen wieder zurückgeschickt werden. Zwei weitere Maßnahmen sind nun in der Diskussion. Nun also soll neben der Rückkehr zur Einzelfallprüfung für syrische Flüchtlinge auch über eine Einschränkung des Familiennachzugs gesprochen werden.

Signale ins Ausland

Regierungssprecher Steffen Seibert verkündete am Montag dazu, dass es einen Unterschied zwischen "Recht und Realität" gebe. Die Behörden in Deutschland seien landauf, landab damit ausgelastet, die normalen Verfahren zu bearbeiten. Das habe Priorität. Deshalb müsse klar gesagt werden, dass Entscheidungen über einen Antrag auf Familiennachzug "sehr lange" dauern würden und eigentlich nicht durchgeführt werden könnten.

Die Bundesregierung sendet damit ein Signal ins Ausland, dass Deutschlands Aufnahmekapazitäten begrenzt sind, ohne dabei von Obergrenzen zu reden. Noch vor einigen Wochen klang das allerdings ganz anders, als über die kommenden Integrationsaufgaben für Familien aus Syrien gesprochen wurde. Der weiterhin große Flüchtlingsstrom und die zunehmende Kritik an Merkels Politik der offenen Tür scheinen aber nach und nach zu einer Kurskorrektur zu führen.

Auch der parteipolitische Druck ist groß. Innerhalb der CDU kocht es unter einer nur mühsam beruhigten Oberfläche. Mit de Maizière bekommen die Kritiker an Merkels bisherigem Flüchtlingskurs ein Sprachrohr, ohne dass die Macht von Merkel infrage gestellt wird. Außerdem wächst der Druck vom rechten Rand. Die rechtspopulistische AfD hat derzeit in Umfragen bis zu neun Prozent Zustimmung, während die Unionswerte auf 36 Prozent abgesunken sind.