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Mängel bei Europas Meilern

Christoph Hasselbach4. Oktober 2012

EU-Energiekommissar Oettinger hat die Ergebnisse der Stresstests für die europäischen Reaktoren vorgestellt. Die EU-Kommission fordert bessere Sicherheit. Abschalten muss aber kein AKW.

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Oettinger spricht vor Wand mit der Aufschrift "Stresstests" (Foto: dapd)
Bild: dapd

Bereits um die Veröffentlichung des Berichts hatte es einigen Wirbel gegeben. Am vergangenen Wochenende waren schon Einzelheiten durchgesickert, die Zeitung "Die Welt" hatte darüber berichtet. Trotzdem wollte Energiekommissar Günther Oettinger die Resultate des Stresstests eigentlich nur der Kommission und dann den EU-Staats- und Regierungschefs Mitte dieses Monats vorlegen. In Brüssel beschwerten sich Journalisten über die "Geheimhaltung", das Verhalten der Kommission verstärkte den Eindruck, die Ergebnisse seien heikel. Wohl als Reaktion auf den Druck hat Oettinger am Donnerstag (04.10.2012) dann doch die Flucht nach vorn angetreten und den Bericht vorgestellt.

Oft keine Messinstrumente für Erdbeben

Tatsächlich hat er es in sich. Denn es gibt unter den 145 noch laufenden oder bereits stillgelegten Reaktoren in der Europäischen Union kaum einen, der ganz ohne festgestellte Sicherheitsmängel wäre. Das betrifft auch deutsche Kraftwerke. Verpackt ist das Ergebnis in eher harmlos klingende Worte: "Die Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke in Europa sind im allgemeinen hoch, doch werden weitere Verbesserungen bei den sicherheitstechnischen Merkmalen nahezu aller europäischen Kernkraftwerke empfohlen", heißt es in dem Bericht. Beispiel Erdbebensicherheit: Die Mehrzahl der Reaktoren hat entweder überhaupt keine Messinstrumente, um Erdbeben anzuzeigen, oder die Geräte arbeiten nicht zufriedenstellend. Hier besteht bei 121 Reaktoren Nachrüstbedarf, so die Kommission. Und bei 81 Reaktoren bemängelt sie, dass das Material für die Bekämpfung schwerer Unfälle nicht sicher genug gelagert sei. Oettinger mahnte die Betreiber, "das nachzuholen, was seit Jahren und Jahrzehnten möglich war". Trotz der festgestellten Mängel legt die Kommission aber in keinem einzigen Fall die Abschaltung nahe. Werden alle Ratschläge der Kommission befolgt, kostet das Ganze nach einer groben Schätzung der Kommission zwischen 10 und 25 Milliarden Euro.

Der rauchende Reaktor von Fukushima (Foto: picture alliance)
Seit Fukushima steht die Kernkraft stark unter DruckBild: picture alliance / abaca

Eine Versicherung, die ALLES abdeckt

Teuer könnte auch noch etwas anderes werden. Kommissar Oettinger denkt nämlich an die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Unfälle von Kernkraftwerken. Es sollten die "Vollkosten für Kernkraftstrom noch mehr einer ehrlichen umfassenden Vollkostenrechnung entsprechen, als es derzeit geschieht", so Oettinger. Im Moment tragen die Betreiber längst nicht das gesamte Versicherungsrisiko im Fall eines Unfalls. Eine Versicherungspflicht würde den Strompreis für den Verbraucher verteuern, gab Oettinger zu. Es könne ihm aber nicht darum gehen, "durch Sicherheitsdumping den Kernkraftstrom billig zu machen".

Kommission kann nichts erzwingen

Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im Frühjahr 2011 hat die EU sämtliche 145 Reaktoren einem Stresstest unterzogen, um deren Widerstandsfähigkeit vor allem bei Naturkatastrophen zu prüfen. Doch nicht die Kommission hat die Tests durchgeführt, sondern die Mitgliedsstaaten. Und die Kommission kann auch die Nachrüstung nicht erzwingen, sondern nur empfehlen. Die Grünen im Europaparlament haben diese mangelnde politische Handhabe auch kritisiert. Vor allem die EU-Staaten mit hohem Anteil an Kernenergie seien an beruhigenden Ergebnissen interessiert und würden entsprechend lax prüfen. Abgeordnete der Christdemokraten sagten aber, nach Fukishima sei die Öffentlichkeit derart kritisch geworden, dass sich die Atomenergiebranche keine Täuschungsmanöver leisten könne.

Stromzähler (Foto: AP)
Mehr Sicherheit, höherer StrompreisBild: AP