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Fast zwei Milliarden ohne soziale Absicherung

8. April 2009

Kein Vertrag, keine Absicherung: So arbeiten weltweit 60 Prozent aller Erwerbstätigen. Die Zahl der informell Beschäftigten hat laut einer Studie der OECD Rekordniveau erreicht.

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Männer tragen auf ihren Köpfen Körbe mit Sand auf einer Baustelle (Foto: dpa)
Tagelöhner in BagladeschBild: picture-alliance/ dpa

Der Großteil der Beschäftigten weltweit arbeitet ohne jegliche soziale Absicherung. Derzeit haben rund 1,8 Milliarden Menschen - etwa 60 Prozent aller Erwerbstätigen - weder einen regulären Arbeitsvertrag noch Anspruch auf Sozialleistungen, die weitaus meisten davon leben in Entwicklungsländern. Das geht aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die sie am Mittwoch (08.04.2009) in Paris vorstellte.

Wirtschaftskirse verschärft negative Entwicklung

Schon diese Zahlen seien ein Rekord, so die OECD. Bis zum Jahr 2020 könnte sich der Anteil der sogenannten informell Beschäftigten noch steigern - auf zwei Drittel aller Beschäftigten, schätzen die Experten.

Die derzeitige Wirtschaftskrise verschärfe die Situation: Arbeitsmigranten müssten in ihre Heimatländer zurückkehren, weitere reguläre Jobs würden wegfallen. Menschen, die in Entwicklungsländern derzeit ihren Arbeitsplatz verlören, hätten meist keinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung. Sie müssten sich deshalb Jobs ohne Vertrag und soziale Absicherung zu Niedriglöhnen suchen.

Indien: Neun von zehn Arbeitnehmern ohne Absicherung

Arbeiter montieren eine Tür an ein Auto in einer Fabrik (Foto: DW)
In einer indischen AutofabrikBild: DW-TV

"Es reicht aber nicht, mit dem Finger allein auf die Wirtschaftskrise zu zeigen", sagte Johannes Jütting, Mitautor der OECD-Studie. Auch in wirtschaftlich guten Zeiten ist die Anzahl der informellen Jobs in einigen Regionen der Welt gewachsen. So stieg die Zahl der Beschäftigten ohne Absicherung in Indien in den 90er Jahren deutlich an, obwohl das Land ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent verzeichnete. Dort müssten neun von zehn Arbeitnehmern, also rund 370 Millionen Menschen, "ohne formale soziale Absicherung" leben.

Die indische Regierung reagierte: Vor drei Jahren startete sie in einigen Gebieten ein Programm zur Förderung von Arbeitsplätzen. Jeder Arbeitslose hatte für 100 Tage im Jahr Anspruch auf einen Job zum Mindestlohn. Das Programm soll nun landesweit ausgedehnt werden. Damit ist Indien eines der wenigen Länder, die etwas gegen das Problem tun.

Weniger als 1,50 Euro am Tag zum Leben

Eine Arbeiterin in Bagladesch sitzt in einer Halle vor ihrer Nähmaschine, um sie herum sitzen weitere Näherinnen (Foto: AP)
Eine Textilarbeiterin in BagladeschBild: AP

Besonders verbreitet ist die informelle Beschäftigung in Afrika südlich der Sahara: Drei Viertel aller Arbeitsplätze seien dort ohne Absicherung, heißt es in der OECD-Studie. In Süd- und Südostasien seien es mehr als zwei Drittel, in Lateinamerika und im Nahen Osten rund die Hälfte aller Erwerbstätigen.

Schätzungsweise 1,2 Milliarden Beschäftigte müssen mit weniger als rund 1,50 Euro am Tag auskommen. Vor allem Frauen, junge Menschen und Ältere seien von diesem weltweiten Problem betroffen. Um die Entwicklung zu stoppen, müssten die Verantwortlichen "unkonventionelle Maßnahmen" ergreifen, fordert die OECD. Es reiche nicht aus, allein Arbeitsplätze im "guten, formellen" Sektor zu sichern. Vielmehr sollten auch Beschäftigte im informellen Sektor abgesichert werden - durch öffentliche Beschäftigungsprogramme, bessere Ausbildung und einfacheren Zugang zu Mirko-Krediten. (heb/gri/dpa/AFP/epd)