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Faszination Gewitter

2. Februar 2012

Sind Gewitter spannend und schön, oder muss man sich vor ihnen fürchten? Meteorologe und Gewitterexperte Karsten Brandt beschäftigt sich aus persönlicher Faszination aber auch wissenschaftlich mit Gewittern.

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Blitze am Himmel
Bild: dapd

DW.DE: Herr Brandt, wie entsteht ein Gewitter überhaupt?

Karsten Brandt: Bevor überhaupt ein Blitz entstehen kann, muss eine Wolke entstehen, eine große, hoch aufgetürmte Gewitterwolke. Und die entsteht nur, wenn wir im Gegensatz zu den üblichen horizontalen Luftströmungen, vertikale Luftströmungen haben. Diese vertikalen Luftströmungen bekommen wir aber nur in ganz bestimmten Situationen.

Im Sommer, bei sehr starker Sonneneinstrahlung, wenn Luftpakete in sehr große Höhen aufsteigen können, weil sich die bodennahe Luftschicht aufheizt, oder wenn es andere Bedingungen gibt, die solche Wolkentürme ermöglichen. Gewitterwolken ragen oft zehn oder sogar zwölf Kilometer hoch in die Atmosphäre hinein. In dieser Wolke gibt es wild durcheinandergewirbelt alle möglichen Größen von Wassertröpfen und Eispartikeln.

Die großen Partikel fallen eher nach unten, die kleinen steigen in der Wolke nach oben und dadurch kommt es zur Ladungstrennung in dieser Wolke. Und das ist eine der Voraussetzungen für die Entstehung eines Blitzkanals. Wenn eine bestimmte Spannungsdifferenz in der Wolke erreicht ist, kommt es zu einer Blitzentladung. Dazu müssen noch ein paar andere Bedingungen erfüllt sein, zum Beispiel die entsprechende Feuchtigkeit. Dann kann ein Blitz entstehen.

Karsten Brandt vom privaten Wetterdienst "Donnerwetter.de" im DW-Studio (Foto: DW/Andreas Ziemons)
Karsten Brandt vom privaten Wetterdienst "Donnerwetter.de"Bild: DW/Ziemons

Untrennbar mit dem Blitz verbunden ist der Donner. Wie entsteht der?

Der Blitz ist eine Entladung mit unvorstellbarer Hitze. Der Blitzkanal ist nur sehr klein. Dort herrschen aber Temperaturen von 20.000 bis 30.000 Grad Celsius. Die Luftmoleküle wissen gar nicht, wohin sie sich ausdehnen sollen. Wenn sich die Luft innerhalb von Millisekunden so aufheizt, dann entsteht eine Druckwelle wie bei einem Überschallflugzeug. Dieser Druck weitet sich in alle Richtungen aus. Und durch diesen Knall, der sich ungefähr mit 330 Metern pro Sekunde ausbreitet, können Sie, wenn Sie die Sekunden nach dem Blitz zählen, einigermaßen abschätzen, wie weit das Gewitter noch entfernt ist.

Geht der Blitz immer von oben nach unten auf die Erde, oder gehen Blitze auch in andere Richtungen?

Nur ein Drittel der Blitze sind Bodenblitze. Die meisten Blitze sind in der Wolke, unter der Wolke oder bleiben in der Luft hängen.

Viele Menschen haben Angst vor Gewittern. Ist das berechtigt? Oder sind Gewitter am Ende gar nicht so gefährlich?

Wenn man die Sache nüchtern betrachtet, muss man sagen: Die Wahrscheinlichkeit, an einem Blitzschlag zu sterben – unabhängig davon, wie man sich verhält – ist sehr gering. Die Gefahr, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, ist wesentlich höher. Andererseits gibt es aber Situationen, in denen Gewitter gefährlich sein können. Wenn man zum Beispiel auf dem freien Feld mit dem Fahrrad oder dem Motorrad unterwegs ist und so den höchsten Punkt auf freier Fläche bildet. Das Risiko dann getroffen zu werden, ist nicht ganz so klein.

Wie sollte man sich denn bei Gewitter im Freien verhalten?

Gewitter über Milwaukee, USA (Foto: AP)
Bild: AP

Am besten sucht man sich eine Mulde oder Senke im Gelände, an deren tiefsten Punkt man sich mit geschlossenen Füßen auf den Boden kauert. Geschlossene Füße deshalb, weil der Blitz sich, nachdem er eingeschlagen ist, im Boden ausbreitet. Wenn Ihre Füße auseinander stehen, kommt es zu einem Spannungsunterschied, das heißt, es fließt Strom durch ihren Körper. Auf keinen Fall sollte man sich unter einen Baum stellen, schon gar nicht, wenn er alleine steht.

Wenn man im Wald unterwegs ist, sollte man sich zumindest von den höchsten Bäumen fernhalten. Am sichersten ist es immer noch in Häusern, oder aber im Auto, dessen Karosserie einen sogenannten Faradayschen Käfig bildet und die Spannung ableitet.

Gibt es Gegenden, in denen man besser forschen kann als in Deutschland, weil dort häufiger Gewitter auftreten?

Blitz über Wald (Foto: DW)
Im Freien muss man sich vor Blitzen schützenBild: dw-tv

In den Tropen sind die Bedingungen wesentlich besser als in Deutschland. Wir sprechen von der Innertropischen Konvergenzzone, das ist eine Gewitterlinie. Diese Gewitterlinie wandert mit dem Sonnenstand. Wandert die Sonne im Nordsommer nach Norden, bewegen sich auch die Gewitter nach Norden, gleiches findet im Südsommer Richtung Süden statt. Daher ist der Äquatorraum die Heimat der Gewitter.

In Borneo zum Beispiel haben sie 200 bis 250 Gewittertage im Jahr oder sogar noch mehr. Die feuchten Regenwälder leben ja gerade von dieser Gewittertätigkeit. Morgens scheint die Sonne, der Urwald dampft, es bilden sich diese hohen Gewitterwolken – in den Tropen sind sie sogar 16, 17, oder 18 Kilometer hoch – und dann kommt es zu diesen heftigen Entladungen und zu heftigen Gewittern. Das hat man dort so gut wie jeden Tag, von daher sind die Bedingungen, diese Vorgänge zu untersuchen, besser als bei uns.

Das Gespräch führte Andreas Ziemons
Redaktion: Judith Hartl