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Faymann: Ich wünsche keinen Grexit

Bernd Riegert20. März 2015

Athen muss seine Verpflichtungen einhalten. Doch die Experten der EU sollten die neue Regierung unterstützen statt heimlich ihr Scheitern abzuwarten, sagt Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann im DW-Interview.

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EU-Sondergipfel Bundeskanzler Werner Faymann
Bild: picture alliance / dpa

Deutsche Welle: Herr Bundeskanzler, der EU-Gipfel wurde vom Streit mit Griechenland über weitere Finanzhilfen dominiert. Ist nach der nächtlichen Sitzung mit den EU-Spitzen Griechenland jetzt gerettet?

Werner Faymann: Nein, das kann man so nicht sagen. Gelöst ist diese Sache dann, wenn Griechenland etwas vorlegt, was man auch verwirklichen kann und wenn wir sie dabei unterstützen. So lange hier nichts vorliegt, was umsetzbar ist, kann man nicht sagen, dass etwas gelöst ist. Wenn auf der anderen Seite immer wieder Stimmen laut werden, die sagen, ' die werden das eh nicht schaffen, das haben wir gleich gesagt und das haben wir schon vor der Wahl in Griechenland gewusst', dann ist das auch nicht hilfreich.

Woher kommen diese Stimmen? Hast das jemand auf dem Europäischen Rat, beim Gipfel gesagt?

Nein, im Rat nicht und darüber bin auch froh, dass man im Rat versucht, sachlich und auch freundschaftlich zu bleiben. Wir wollen zueinander finden. Premierminister Tsipras hat darauf hingewiesen, dass es in den Expertengesprächen oft anders zugeht. Daher betone ich ja immer, wir sollten unsere Experten bitten, die Griechen dabei zu unterstützen. Aber natürlich nur unter Einhaltung der Rahmenbedingungen, Verpflichtungen sind einzuhalten. Es ist ein Unterschied, ob man abwartet, dass jemand scheitert, oder man ihm eine Chance gibt. Und ich bin für diese Chance.

Interview mit Österreichs Bundeskanzler Faymann: Aufeinander zugehen

Die Deutschen haben sich mit den Griechen ja besonders heftige Wortgefechte geliefert. Auch Gesten, wie der Stinkefinger, wurden ausgetauscht. Glauben Sie, dass da jetzt etwas repariert wurde, allein von der Stimmung her?

Ja, das sehe ich schon so. Ich glaube, dass dies ein politischer Rat ist. Das Zusammenkommen der Regierungschefs ist ja die Stärke der Europäischen Union. Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied. Daher hat man eine Art Zwang zueinander zu finden. Das ist ja auch der eigentliche Grund, warum es so ein erfolgreiches Friedensprojekt, hoffentlich auch für die nächsten Generationen, geworden ist, weil man einen gewissen Zugzwang hat, zueinander zu finden. Und das ist sicher etwas Positives passiert.

Österreich ist ja auch ein Euro-Land, war aber bei dem Griechen-Gipfel nicht dabei. Nur Deutschland und Frankreich waren dabei. Stört das die kleinen und mittleren Euro-Staaten, dass sie da nicht mitmachen durften?

Na ja, aufmerksam sind wir schon, wenn nur zwei Premierminister dabei sind. In der Europäischen Union ist jeder gleichviel wert. Mich persönlich hat aber mehr gestört, dass der Präsident des Europäischen Parlaments nicht dabei war. Vor Europawahlen betonen wir immer, wie bedeutsam für die demokratische Entwicklung unseres Projekts das Parlament ist. Und was wir nicht für tolle Reden über die Bedeutung des Parlaments halten. Und dann wird der Präsident nicht eingeladen? Das hat bei mir mehr Unverständnis hervorgerufen, als die Besprechung im kleinen Rahmen mit nur zwei Regierungschefs.

Wird es für Sie als Bundeskanzler in Österreich nicht immer schwieriger, den Wählern in Österreich noch zu erklären, warum den Griechen immer weiter geholfen werden muss?

Da haben Sie zu hundert Prozent recht. Wenn Sie zur Bevölkerung in Österreich sagen, hier will jemand Verpflichtungen nicht einhalten, dann sind alle empört. Wenn ich sage, wir wollen in der Euro-Zone jemandem, der neu ist in der Regierung, was vorhat und noch nicht weiß, wie er das professionell gestalten soll, positiv unterstützen - auch durch einen alten Fuchs wie (Bundesfinanzminister) Schäuble - dann wird das in Österreich schon verstanden.

Als Rechtspopulisten in Österreich in der Regierung waren, da hat die Europäische Union im Jahr 2000 Sanktionen erlassen. Jetzt sind Rechtspopulisten mit in der Regierung in Griechenland. Dagegen sagt kaum jemand etwas. Stört sie das nicht?

Das habe ich nicht zu entscheiden. Ich habe in Österreich die Entscheidung getroffen, ich möchte die FPÖ (Rechtspopulisten) nicht in einer Regierung haben. Das steht mir zu in Österreich das zu sagen, aber es steht mir natürlich nicht zu über Griechenland zu befinden. Was ich in Griechenland erhoffe ist, dass diese Regierung, das, was sie immer öffentlich sagt, auch mit Fakten untermauert. Sie wollen Korruption und Betrug bekämpfen. Sie kritisieren, dass das viel zu lange versäumt wurde in Griechenland. Sie kritisieren, dass viele Schwarzgelder ohne Konsequenzen in die Schweiz oder außerhalb Griechenlands gegangen sind. Bei diesem Pfad der Fairness und der Rechtsstaatlichkeit würde ich sie gerne unterstützen, aber während Verpflichtungen eingehalten werden. Das ist die Voraussetzung.

Sie gehen davon aus, dass am Ende der Grexit, das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, vermieden werden kann und etwas Positives dabei herauskommt?

Ich wünsche es mir, aber es gibt schon so viele Propheten. Da braucht man nicht noch einen mehr.

Werner Fayman (54) ist Bundeskanzler der Republik Österreich. Der Sozialdemokrat führt seit 2008 eine große Koalition mit der konservativen ÖVP.

Das Interview führte Bernd Riegert in Brüssel.