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FDP erfindet sich neu

12. Mai 2011

Die Liberalen stecken in einer tiefen Krise. Als Koalitionspartner der von Kanzlerin Angela Merkel angeführten Konservativen sind sie seit der Bundestagswahl 2009 blass geblieben. Doch soll jetzt alles besser werden.

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Das Logo der Freien Demokratischen Partei: Die blaue Großbuchstaben "FDP" auf gelbem Grund; darunter der gelbe Schriftzug "Die Liberalen" auf blauem Grund.

Würde jetzt ein neuer Bundestag gewählt werden, müsste die FDP um ihren erneuten Einzug ins Parlament bangen. Umfragen sehen die die Liberalen unter der Fünf-Prozent-Hürde. In dieser Gemengelage wollen die Liberalen auf ihrem von Freitag bis Sonntag (13. bis 15. Mai 2011) dauernden Parteitag in Rostock ihr Profil schärfen. Das ist auch nötig, denn bei Landtagswahlen gab es zuletzt nur noch Niederlagen. Und Außenminister Guido Westerwelle ist im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern, egal aus welcher Partei, in der Bevölkerung höchst unpopulär.

Besonders beliebt war der betont selbstbewusste, zuweilen selbstverliebte Guido Westerwelle auch in der eigenen Partei nie. Aber er war meistens erfolgreich. Deshalb traute sich lange niemand, ihm wegen seiner allzu einseitigen Ausrichtung auf wirtschaftlichen Liberalismus zu widersprechen. In dem zehn Jahren unter dem Vorsitzenden Westerwelle eilte die Freie Demokratische Partei (FDP)seit Mai 2001 von Erfolg zu Erfolg.

Westerwelles größter Triumph

Der strahlende Wahlsieger Guido Westerwelle streckt am 27. September 2009 jubelnd die Arme aus. Hinter ihm stehen unter anderem sein designierte Nachfolger als FDP-Chef, Philipp Rösler (l.), und der neue Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle (verdeckt). Im Hintergrund ein Wahl-Transparent in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold mit dem Schriftzug "Westerwelle". (Foto: ap)
Wahlsieger Guido Westerwelle am 27. September 2009, flankiert unter anderem von seinem designierten Nachfolger als FDP-Chef, Philipp Rösler (l.), und dem neuen Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle (verdeckt).Bild: AP

Sein größter Triumph war die Bundestagswahl 2009. Mit knapp 15 Prozent erzielte die FDP ihr mit Abstand bestes Ergebnis und kehrte nach elf Jahren in der Opposition zurück auf die Regierungsbank. Für Westerwelle war am Kabinettstisch der wichtige Stuhl des Außenministers reserviert. Dem Rausch folgte schnell die Ernüchterung. Die von der FDP groß angekündigten Steuererleichterungen blieben weitgehend aus. Und jene zahlreichen Kritiker, die meinten, für Westerwelle sei das Amt des Außenministers eine Nummer zu groß, fühlten sich endgültig bestätigt, als er sich im März dieses Jahres bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat über einen Militäreinsatz gegen Libyen der Stimme enthielt.

Für die Unentschlossenheit der deutschen Regierung in der Libyen-Frage wurde allein Westerwelle verantwortlich gemacht, obwohl die Richtlinien-Kompetenz, also die Ausrichtung der Politik, verfassungsgemäß bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt. Westerwelles Gegner werteten die Enthaltung als weiteren Beleg für dessen angebliche Unfähigkeit. Zu den Gegnern gehören auch altgediente FDP-Politiker, wie der ehemalige deutsche Innenminister Gerhart Baum. Im ARD-Fernsehen hielt der liberale 'elder statesman' dem Außenminister vor, die westlichen Partner, insbesondere den US-amerikanischen Präsidenten im Stich gelassen zu haben. Baum sprach von einem "Zickzack-Kurs" der FDP bei der Libyen-Entscheidung. "So geht es nicht. Die FDP muss ein klares Profil haben", wetterte Baum.

Bundeskanzlerin Merkel bleibt gelassen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) spricht während einer Debatte im Deutschen Bundestag mit Außenminister Guido Westerwelle, der sein Kinn auf einer Hand abstützt und aufmerksam zuhört. (Foto: apn)
Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich weiterhin die Regierungsbank im Deutschen Bundestag mit ihrem angeschlagenen Außenminister Guido Westerwelle teilen.Bild: AP

Der designierte FDP-Vositzende Philipp Rösler mit erhobener Hand und leicht geöffnetem Mund während einer Rede in Potsdam. Am Pult steht das Motto "beherzt anpacken". Im Hintergrund das große gelb-blaue Partei-Logo mit den Buchstaben "FDP". (Foto: dpa)
Nimmt die Zügel ihn die Hand: Philipp RöslerBild: dapd

Anfang April kündigte Westerwelle unter dem Eindruck der inzwischen verlorenen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg seinen Rückzug vom Parteivorsitz an. Als Nachfolger wurde der 38-jährige Philipp Rösler auserkoren. Er selbst wolle sich ganz auf seine Arbeit als Außenminister konzentrieren, sagte Westerwelle. Kanzlerin Merkel befürchtet keine negativen Auswirkungen auf die Regierung, obwohl ihr wichtigster Minister parteiintern eine herbe Niederlage hat hinnehmen müssen. "Die Zusammenarbeit in der christlich-liberalen Koalition wird unverändert fortgesetzt", sagte Merkel. Das gelte auch für ihre Zusammenarbeit mit Guido Westerwelle.


Der neue starke Mann in der FDP ist Philipp Rösler. Bevor er Minister im Kabinett Merkel wurde, war er schon Wirtschaftsminister im Land Niedersachsen. Er verfügt also trotz seines jungen Alters über viel politische Erfahrung und offenkundig auch über klare Vorstellungen. Von Westerwelle wird er das Amt des stellvertretenden Regierungschefs übernehmen. Rösler wird also Vize-Kanzler und will für die FDP den Ton angeben: "Das ist auf jeden Fall mein Führungsanspruch."

"Die FDP ist kein Wolfsrudel"

Schneller als an der Parteispitze vollzog sich der Wechsel in der Bundestagsfraktion. Kurz vor dem FDP-Parteitag in Rostock löste Rainer Brüderle die glücklose Birgit Homburger als Vorsitzende ab. An die Stelle einer 46-jährigen trat ein 65-jähriger. Von einer Verjüngung kann zumindest bei dieser Entscheidung also nicht die Rede sein. Der gerade einmal 32-jährige Generalsekretär Christian Lindner interpretiert die Wahl Brüderles trotzdem als Zeichen der Stärke und Entschlossenheit. "Die FDP ist kein Wolfsrudel, wo die Jungen die Alten wegbeißen", meint Lindner. Die Partei müsse gemeinsam als Team erfolgreich sein. Dazu gehörten erfahrene Politiker sowie jüngere und neue Kräfte, die eigene Ideen hätten.

Der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle mit erhobener Hand während einer Presse-Konferenz. (Foto: dapd)
Wird im Bundestag häufiger das Wort ergreifen: Rainer BrüderleBild: dapd


Einig sind sich alle, dass die FDP programmatisch neue Felder erschließen muss. Das Image der neoliberalen Kälte haftet den Liberalen wie eine Klette an. Dagegen will die junge Garde um Rösler und Lindner vorgehen. Und diesem Kurs folgt auch der doppelt so alte Brüderle, beispielweise in der Energiepolitik. Unter dem Eindruck der havarierten Meiler in Japan hat die lange auf Atomstrom setzende FDP plötzlich einen Kurswechsel vollzogen. Man wolle noch schneller raus aus der Kernenergie, sagte der langjährige Atombefürworter Brüderle.

Neue Töne vom alten Wirtschaftsminister

Es handele sich um das weltweit ambitionierteste Konzept. Die Energieversorgung müsse aber klimafreundlich sein sowie bezahlbar für die Wirtschaft und die Menschen in Deutschland, betont Brüderle. Als Wirtschaftsminister sind ihm solche Sätze nie über die Lippen gekommen. In seiner neuen Funktion als Chef der FDP-Bundestagsfraktion fallen sie ihm zumindest äußerlich leicht. Die deutschen Liberalen unternehmen gerade den Versuch, sich neu zu erfinden – programmatisch und personell.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Arne Lichtenberg