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Ramos Horta

14. Mai 2009

Zehn Jahre nach dem Abzug der Besatzungsmacht Indonesien zeigt sich Ost-Timors Präsident José Ramos Horta im DW-Interview optimistisch, dass Asiens jüngster Staat ab 2012 auf eigenen Füßen stehen kann.

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Ramos Horta (Foto: dpa)
Erhielt 1996 den Friedensnobelpreis: Ramos HortaBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: 2009 jähren sich zum zehnten Mal die Ereignisse von 1999: Vor und nach der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Ost-Timors von Indonesien kam es zu massiver Gewalt. Mindestens 1600 Menschen starben, zwei Drittel der Bevölkerung wurden vertrieben, drei Viertel der Infrastruktur wurden zerstört. Mir scheint, dass Ost-Timor immer noch von diesen "Geistern der Vergangenheit" verfolgt wird. Die Menschen sind traumatisiert, nahezu jede Familie hat Angehörige verloren. Was wird getan, um diese Wunden der Vergangenheit zu heilen?

José Ramos Horta: Unsere Beziehung zu Indonesien ist beispielhaft. Es gibt keine zwei Länder, die miteinander in Konflikt lagen und sich in dem Ausmaße ausgesöhnt haben, wie Ost-Timor und Indonesien das getan haben. Wir haben nicht allein ausgezeichnete Beziehungen von Staat zu Staat, von Regierung zu Regierung. Auch auf der Ebene der einfachen Bevölkerung gibt es viele Tausend Timorer, die in Indonesien studieren. Und es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende Indonesier, die hier leben. Das können Straßenverkäufer sein oder Ladenbesitzer oder auch Indonesier, die Timorer geheiratet haben. Aber: Es gibt immer noch viele Timorer, die Fragen stellen, die wissen wollen wo die Überreste ihrer verschwundenen Angehörigen sind.

Ich selbst, der Präsident dieses Landes, international bekannt, ich habe das gleiche Problem wie viele der einfachen, barfüßigen Timorer auf der Straße. Auch ich habe Brüder und eine Schwester verloren. Deshalb teile ich den Schmerz vieler Timorer, die bis heute nicht wissen, was mit ihren Lieben geschehen ist. Sie wollen wenigstens wissen: Wo wurden sie getötet? Wie wurden sie getötet? Wo sind die Überreste? So dass sie mit Würde erneut beerdigt werden können.

Die Situation in Ost-Timor wirkt stabil, jedenfalls oberflächlich. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Im Grunde werden die meisten Polizeifunktionen bereits heute von timorischen Polizisten erfüllt. Die neuseeländischen, die australischen Soldaten müssen nicht viel für die Aufrechterhaltung der Sicherheit tun. Sie patrouillieren, sie zeigen ihre Präsenz. Aber sie führen keinerlei Sicherheitsoperationen durch. Die UN-Polizei ist nur zur Beobachtung und zur Unterstützung der timorischen Polizei hier. Aber: Beide Institutionen, Polizei und Militär, sind noch immer schwach. Die Armee zum Beispiel ist im Prozess der Neuorganisation. Wir sind dabei, Leute zu rekrutieren.

Nach der Rekrutierung müssen sie ausgebildet werden. Und dann müssen weitere Jahre der Vorbereitung und des Trainings folgen. Plus: Die Polizei. Die Polizei ist immer noch schwach. Wir haben eine neue Polizeiführung. Die ist vielversprechend. Aber uns fehlt noch sehr viel Logistik und Infrastruktur. Gar nicht zu reden von besserem Training, besserer Ausbildung.

Wie lange werden ausländische UN-Polizisten oder UN-Soldaten für die Aufrechterhaltung der Stabilität noch benötigt werden?

Ich glaube, in weiteren zwei bis drei Jahren können wir sagen: Mission erfüllt. Bereits vor zwei Jahren, als die jetzige UN-Mission erstmals kam und der Weltsicherheitsrat lediglich von einer einjährigen Mission sprach, sagte ich: Fünf Jahre. Damals war ich der einzige Mensch auf diesem Planeten, der sich für eine UN-Präsenz bis 2012 aussprach. Warum 2012? Weil ich realistisch war. Ich wusste: Es dauert mindestens zwei bis drei Jahre, unsere Polizei zu reorganisieren, unsere Armee zu reorganisieren.

Und wir sollten nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen: Die UN kommen herein, für ein paar Monate, für ein oder zwei Jahre und gehen dann wieder. Aber: 2012 müssen die Timorer bereit sein. Wenn wir bis dahin immer noch sagen: Es tut uns leid, wir sind noch nicht so weit, die UN müssen weiter hier stationiert bleiben, dann werde ich nicht nach New York zum Weltsicherheitsrat reisen und den Vereinten Nationen sagen: Entschuldigung, wir sind noch nicht so weit. Ich werde das nicht machen. Wenn wir bis dahin nicht bereit sind, dann weil die timorischen Führer eine Bande von Idioten sind, inkompetent, die unser Land nicht verwalten kann. Dann sollten wir zurücktreten.

José Ramos-Horta ist das international bekannte Gesicht Ost-Timors. Seit 2007 ist der 59-Jährige Präsident Ost-Timors. 1996 war Horta mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Der charismatische Politiker war im Februar 2008 bei einem Attentat schwer verletzt worden, hat sich aber nach eigenen Aussagen wieder vollständig erholt.

Das Interview führte Matthias von Hein.

Redaktion: Steffen Leidel