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Feiertag ohne Feier in Pakistan

13. September 2010

In Pakistan wurde am Samstag (11.09.2010) Eid gefeiert. Das Ende des Fastenmonats Ramadan ist das höchste Fest im islamischen Kalender. Allerdings war nach der Flukatastrophe kaum jemandem zu Feiern zu Mute.

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Kinder stehen dicht gedrängt hintereinander in einer Schlange für Hilfgüter an
Kinder stehen Schlange für Hilfsgüter an Eid in NowsheraBild: DW

An Eid trägt man normalerweise neue Kleider. Auch in den Lagern für die Flutopfer in Nowshera im Nordwesten Pakistans haben einige Glück gehabt und neue Kleidung oder andere kleine Geschenke zu Eid bekommen. Viele aber sind leer ausgegangen. Nach Feiern steht den meisten nicht der Sinn, erzählt Bano: "Wir verbringen unser Eid in alten Kleidern. Wie kann man sich freuen, wenn das Haus in Trümmern ist?" So wie Bano geht es in Nowshera vielen. Tanya hat ihr Neugeborenes auf dem Arm. Das Gesicht der Kleinen ist von Mückenstichen übersät. "Das ist meine Tochter, Fatima. Sie wurde hier geboren, in der Flut. Wir wohnen hier in Zelt Nummer vier: Das Mädchen, mein Sohn, meine Schwiegermutter, mein Mann und ich. Aber es ist fürchterlich heiß! Es gibt keine Ventilatoren, und die Mücken stechen die ganze Nacht."

Erst kam die Flut, dann die Plünderungen

EIn Mädchen steht zwischen einer Reihe von Zelten im Flutopfer-Lager in Nowshera
Blick ins Flutopfer-Lager in NowsheraBild: DW

Das Wasser kam ohne Vorwarnung, vier Meter hoch. Die Armen waren überrumpelt, konnten gerade noch sich selbst in Sicherheit bringen, und einige konnten Wasserbüffel, Ziegen oder Hühner mit ins Lager retten. Aber das Gefühl der Unsicherheit ist groß. Faqir Gul arbeitete als LKW-Fahrer, fuhr bis Karachi ans andere Ende von Pakistan. Jetzt jedoch ist nicht daran zu denken, dass er die Frauen seiner Familie alleine im Zelt am Straßenrand zurücklassen kann. Sein zerstörtes Haus wurde auch noch geplündert, erzählt er: "Am Anfang, als das Wasser da war, kamen sie mit Booten und nahmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Jetzt, wo das Wasser abgeflossen ist, können wir wenigstens ein-, zweimal am Tag nachschauen gehen." Neben den Plünderungen ist die nicht flächendeckende Verteilung von Hilfsgütern ein weiteres großes Problem. Viele Flutopfer beschweren sich, dass die Hilfsgüter nicht systematisch verteilt werden, dass die Stärkeren immer zuerst an der Straße sind, wenn eine Lieferung ankommt, und andere leer ausgehen. Sechs Wochen nach der Flut wollen alle nur eins: ihre Häuser wiederaufbauen. Zulfiqar, dessen Zementhandel zerstört ist und der mit seiner Familie vorläufig auf der Veranda eines Colleges in Nowshera schläft, hat kaum Hoffnungen, dass er Hilfe beim Wiederaufbau bekommen wird: "Es wird zwar allerlei versprochen, aber ich glaube das nicht. Bisher haben wir jedenfalls nichts bekommen. Das ist alles in Gottes Händen. Wir brauchen einfach nur genug, um unser Haus wiederaufzubauen. Mehr wollen wir ja gar nicht."

Heimatlos

Wo früher Häuser standen, ist ejtzt ein kleiner See. Drumherum liegen Holztrümmer
Zerstörte Häuser in Azza KhelBild: DW

Von dem Ort Azza Khel sind nur noch ein paar Türrahmen übriggeblieben. In den Ruinen der Ziegel-Häuser sieht man hier und da eine Schüssel oder eine Leiter. Jetzt, wo das Wasser bis auf ein paar Pfützen abgelaufen ist, liegt eine unheimliche Stille über den Ruinen. Tausende Flüchtlings-Familien aus Afghanistan lebten in diesem Lager seit fast dreißig Jahren. Jetzt sind sie erneut zu Flüchtlingen geworden. In Pakistan will man sie eigentlich nicht mehr haben, und auch die Vereinten Nationen sähen es gerne, wenn sie wieder nach Afghanistan zurückgingen. Aber das geht nicht, erklärt Ahsanullah vor seinem Zelt am Straßenrand. "Wir haben dort auch kein Land mehr. 200 Leute aus unserem Dorf sind zurückgegangen und wurden erstmal in Zelten untergebracht. Aber dann haben sich die Dorfbewohner dort zusammengerottet und sie angegriffen. Da mussten sie wieder abhauen. Jetzt traut sich von uns niemand mehr dahin." Die Schwächsten sind von der Flut im Pakistan am härtesten getroffen worden: Frauen, Kinder, Minderheiten. Und an dem Feiertag Eid spüren sie es stärker als an anderen Tagen.

Autor: Thomas Bärthlein
Redaktion: Marco Müller