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Feindkontrolle per Video

Britta Margraf26. Juli 2003

In Fort Belvoir im US-Bundesstaat Virginia, testet das Pentagon ein neues System von Überwachungskameras: Big Brother bekommt ein Gehirn. Ob das System zur Feindüberwachung funktioniert, ist allerdings fraglich.

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Die Grenzen zwischen militärischem und zivilen Einsatz von Technologien sind fließendBild: AP

Erklärungen des Pentagon zufolge soll das neu entwickelte System mit dem Namen "Combat Zones That See" (CTS) bei militärischen Unternehmungen zum Einsatz kommen. Die derzeitigen Angriffe auf amerikanische Soldaten im Irak kommen da als legitimierendes Beispiel für die Notwendigkeit solcher Anlagen gerade recht. Sprecher des US-Verteidigungsministeriums erklären, das System werde helfen, die amerikanischen Truppen in Städten wie Bagdad vor Übergriffen zu schützen.

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Fußgänger
Überwachung auf Schritt und Tritt?Bild: Bilderbox

Nähert man sich einem Kontrollpunkt im CTS-Testgebiet Fort Belvoir, Virginia, wird man von einer Kamera ins Visier genommen, die jede Bewegung aufzeichnet. Die Daten werden auf einem Computer-Prozessor gespeichert, der die Videoaufnahmen in Algorithmen zerlegt. Diese wiederum kann er in konkrete Informationen umwandeln: etwa die Gesichtszüge oder die Gangart einer Person.

Damit hat CTS gegenüber herkömmlichen Überwachungssystemen große Vorteile: die Datenautobahnen der Computer-Netzwerke werden nicht mit riesigen Bite-Paketen überlastet und das Überwachungspersonal, das die Informationen auswertet, muss nicht permanent endlose Videobänder der Alltagsaktivitäten seiner Mitbürger anschauen, sondern bekommt nur die "relevante Auswahl" zu sehen.

Die intelligenten neuen Kameras können nämlich noch mehr: sie unterscheiden verdächtiges von harmlosem Verhalten. Nimmt die Kamera etwas "Verdächtiges" auf – beispielsweise ein Auto, das sich mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegt, oder einen verlassenen Koffer in einem Bahnhof - wird das Bild schärfer gestellt und schnell an die Zentrale weitergeleitet. Das verdächtige Objekt wird dann vom CTS-System mit einem roten Kasten markiert.

"Big Brother is watching you"

Gang-War in New York
Bandenkrieg in New YorkBild: Christoph&Friends

Sicherheitsexperten wie John Pike vom US-think tank "Globalsecurity.org" sind überzeugt, dass das System auch in den Fußgängerzonen großer Städte und in anderen Bereichen der inneren Sicherheit Eingang finden wird. Es sei eindeutig mehr auf diesen Gebrauch ausgerichtet als auf den Einsatz auf dem Schlachtfeld.

Auch die Vertragspartner wie die US-Firmen Sarnoff Corporation oder Northrop Grumman stimmen dem zu. Und Lee Tien, Anwalt bei der "Electronic Frontier Foundation", die sich um den Schutz von Persönlichkeitsrechten kümmert, findet CTS "gruselig". Er präzisiert: "Das Gruseligste ist, dass das System in Wirklichkeit gar nicht so weit entwickelt ist wie vorgegeben wird."

Vertrauen in Technologie

Michael Staack, Leiter des Institutes für Internationale Politik der Bundeswehruniversität München, kann sich die Wirksamkeit von Überwachungskameras bei Militäreinsätzen nur für Fälle wie der Sicherung von Lagern oder Gebäuden vorstellen.

US-Militär sichert die Autobahn nahe Diwaniyah, die nach Bagdad führt
Ob CTS den amerikanischen Soldaten mehr Sicherheit geben kann?Bild: AP

"Die Amerikaner verlassen sich eher auf Technologien als auf Menschen", erklärt er im Gespräch mit DW-WORLD. "Sie meinen, durch Abhören von Telefonen, Abfangen von E-Mails oder Satellitenaufklärung die Sicherheit verbessern zu können - ebenso wie durch Überwachungskameras. Sowohl das amerikanische Militär als auch der Geheimdienst arbeiten nach diesem Muster."

Das größte Problem in Krisengebieten wie dem Irak oder Afghanistan sei jedoch die dortige Art der "asymmetrischen Kriegsführung". Das bedeutet, dass der schwächere Gegner Guerillataktiken anwendet oder seine Kombattanten in Zivil auftreten statt in Uniform. Dieses Verhalten sei jedoch eben nicht auffällig und verdächtig, erläutert Staack.

Damit könnte das neue Hirn von Big Brother wenig hilfreich zu sein, damit Amerika den Feind im eigenen Land wie in anderen Ländern entlarven und vorsorglich ausschalten kann.