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Fenstersturz des Prager Außenminister Masaryk 1948 war angeblich Mord

15. März 2002

– Neues wissenschaftliches Gutachten jetzt vorgelegt

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Prag, 14.3.2002, RADIO PRAG, deutsch, Dagmar Keberlova

Seit 50 Jahren gilt offiziell, dass der damalige tschechoslowakische Nachkriegsaußenminister Jan Masaryk Selbstmord begangen hat. Am Mittwoch (13.3.) wurde eine Expertise veröffentlicht, die dass Gegenteil behauptet: Masaryk sei ermordet worden.

Selbstmord, das war das schnelle Resultat der Kommunisten nach dem tragischen Tod von Außenminister Masaryk im März 1948. (...) Die zweite Version der Tragödie war ein Unfall, die dritte Mord. Experten haben aufgrund von Untersuchungen festgestellt, dass Jan Masaryk nicht allein aus dem Fenster gesprungen ist, sondern ermordet wurde. Anhand einem, bisher wenig bekannten Bereich der Biomechanik, kann man feststellen, ob ein Körper freiwillig nach unten springt oder hinausgeworfen wurde.

Jiri Strauss ist sich im Falle Jan Masaryk hundertprozentig sicher: "Wenn ein Mensch springt, führt der Körper bestimmte Bewegungen und Rotationen aus. Die Person springt oder fällt irgendwo hin und landet dabei auf gewissen Teilen des menschlichen Körpers. Wenn der Mensch rausgeschmissen wird, so ist die dabei zurückgelegte Distanz eine andere als wenn er von alleine springt."

Das Prager Amt für Untersuchung kommunistischer Verbrechen (UDV), das die Causa seit 1995 untersucht und die Expertise bei Jiri Strauss bestellt hat, will keine übereilten Schlüsse ziehen, betrachtet diese Expertise aber als eine Schlüsselentdeckung. (...)

Was vor Masaryks Fenstersturz passierte, ist bekannt. In seine Wohnung im Czernin-Palais drangen fremde Männer ein und durchsuchten sie. Den Politiker sollen sie dabei physisch und psychisch angegriffen haben. Am Morgen des 10. März 1948 wurde er unter den Fenstern seiner Wohnung tot aufgefunden.

Jan Masaryk war Diplomat. Im Jahre 1940 wurde er Mitglied der tschechoslowakischen Exilregierung in London. Im ersten Nachkriegskabinett wurde er Außenminister. Im Februar 1948 schloss er sich der Demission der nicht kommunistischen Minister nicht an. Am Tag nach seinem tragischen Tod sollte er Mitglied der kommunistischen Regierung Klement Gottwalds werden. (ykk)