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Fern der Heimat

Mahmoud Tawfik4. Mai 2003

Etwa 30.000 irakische Exilanten leben in Deutschland. Sie flüchteten aus politischen, ethnischen und religiösen Gründen aus dem Irak. Selbst nach dem Sturz Saddams können sie nicht ohne weiteres zurück in ihr Heimatland.

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Sie wissen, was sie wollen: Irakische Flüchtlinge in DeutschlandBild: AP

Vor sechs Monaten ist Mohamed Hussein Hashem aus dem Irak geflüchtet, als politisch Verfolgter vor einem Regime, das es mittlerweile nicht mehr gibt. Die in Deutschland lebenden Asylanten und Flüchtlinge aus dem Irak haben den Sturz der Regierung Saddam Hussein mit Jubel begrüßt. Viele sitzen schon auf gepackten Koffern und freuen sich darauf, endlich wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können.

Nicht alle wollen zurück

Der junge Iraker Mohamed Hussein Hashem hält es für verfrüht, über eine Rückkehr in sein Heimatland nachzudenken. Derzeit lebt Mohamed in einem Asylantenheim in der baden-württembergischen Stadt Dornstetten, einem kleinen Ort mit 8000 Einwohnern. Er beklagt sich über die schlechte Verpflegung, über Ungeziefer in den Zimmern, und über nur 40 Euro Taschengeld im Monat. Trotzdem möchte er nicht zurück - noch nicht: "Im Moment gibt es im Irak keine Regierung. Das ist die eine Sache", wägt er ab. "Dann das Alltagsleben: Es fehlt das Notwendigste wie Strom, Wasser, Arbeit und eine funktionierende Währung. Wenn das Leben sich wieder normalisiert, ja, dann kann ich wieder zurück."

Abschieben: Ja oder Nein?

Im Bundesministerium des Innern ist man mit Entscheidungen zum Thema Rückkehr von irakischen Flüchtlingen noch vorsichtig. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte, man werde zunächst die Entwicklungen vor Ort aufmerksam beobachten. Vorerst bleibe es bei dem von Bundesinnenminister Otto Schily angeordneten Entscheidungsstopp in Sachen Asylverfahren - und bei seiner Bitte an die einzelnen Bundesländer, irakische Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt wurden, vorläufig nicht abzuschieben.

Ein Sprecher der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Bernd Mesovic, sieht jedoch in Äußerungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jene Behörde, die für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig ist - Grund zur Sorge. "Es gab schon während des Krieges Äußerungen aus dem Bundesamt, man plane relativ bald mit Wiederrufsverfahren bei irakischen Asylberechtigten zu beginnen", erklärt Mesovic. "Wir hoffen aber, dass hier Vernunft walten wird, denn die humanitäre Situation im Land lässt es kaum zu, sich im Moment Gedanken darüber zu machen."

Hoffen auf Freiwilligkeit

Mesovic weist auf schlechte Erfahrungen bei der Ausweisung von Asylanten hin, zum Beispiel im Falle der Flüchtlinge aus Bosnien oder aus dem Kosovo. Bei diesen habe man verfrüht ein Ende der Konflikte in der jeweiligen Region diagnostiziert und um Ausreise gebeten. Die Betroffenen mussten sich dann über längere Zeit mit Behörden herumschlagen, um zu beweisen, dass ihnen aufgrund psychischer und körperlicher Schäden eine Ausreise noch nicht anzuraten sei. Ein Vergleich, der durchaus angebracht ist, denn auch viele in Deutschland lebende Iraker leiden weiterhin unter den seelischen und körperlichen Folgen brutaler Kriege oder der Politik eines Regimes, das systematisch folterte und mordete.

Mesovic weist darauf hin, dass sich die freiwillige Ausreise als Rezept für die Behandlung der Flüchtlingsproblematik bislang am besten bewährt habe. Ein wichtiger Unterschied zwischen Flüchtlingen aus dem Balkan und irakischen Flüchtlingen müsse jedoch besonders betont werden. "Wir haben ungefähr 11.000 im vollen Sinn asylberechtigte Iraker im Land, bei denen müsste ein formelles Wiederrufsverfahren eingeleitet werden, um ihnen den Status zu versagen", weiß Mesovic. "Dann ist immer noch zu prüfen, ob sie aufgrund des langen Aufenthaltes eine Anwartschaft auf ein anderweitiges ausländerrechtliches Bleiberecht erhalten haben." Jeder dritte in Deutschland lebende Iraker ist so vor einer schnellen Abschiebung erst einmal - relativ - sicher. Aber eben nur relativ.