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Fest der Toleranz mit Wermutstropfen

3. Juli 2006

Für 22 Teams aus aller Welt ist am Sonntag in Berlin die erste Straßenfußball-Weltmeisterschaft angepfiffen worden. Die Teams von Ghana und Nigeria dürfen nicht teilnehmen. Das Auswärtige Amt verweigerte ihnen die Visa.

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Ehemalige Kindersoldaten in LiberiaBild: AP

Bis zum 8. Juli wird im "kleinsten WM-Stadion" im Berliner Multi-Kulti-Stadtteil Kreuzberg der Streetfootball-Champion ausgespielt. Auf dem 45 mal 35 Meter großen Spielfeld kämpfen Mannschaften aus internationalen sozialen Projekten um die "Copa Andrés Escobar". Wie die Fußball-WM 2006 hat auch die 1. Straßenfußball-Weltmeisterschaft ihren eigenen Ball. Er trägt das "TransFair"-Siegel und soll für einen gerechteren Welthandel werben.

In Medellin wurde das Fußballprojekt geboren. Nach dem Mord an dem kolumbianischen Nationalspieler Andrés Escobar in einer Disko 1994 war die an Gewalttaten und Kriminalität gewöhnte Stadt wie gelähmt. Escobar hatte bei der WM damals ein Eigentor geschossen. Jürgen Griesbeck, Sportlehrer aus Deutschland, begann daraufhin die Methode für "Futbol por la paz" zu entwickeln. Die Regeln sollen zu einem friedlicheren Zusammenleben anregen - mit dem Fußball als gemeinsamer Leidenschaft. Innerhalb von zwei Jahren waren so über 600 Mannschaften mit 6000 Spielern organisiert, und die Rivalitäten der Gangs wurden friedlich auf dem Platz ausgetragen.

Projekt mit Ausstrahlung

Streetfootballworld 06 Logo Grafik

"Dies ist ein Meilenstein in der sozialen Entwicklung des Fußballs", sagte Griesbeck zur Eröffnungsfeier der Straßenfußball-WM am Freitag (30.6.). Inzwischen ist er Geschäftsführer des Organisators "streetfootballwork". Alle teilnehmenden Teams arbeiten in ihrer Heimat an sozialen Projekten, die den Fußball als Mittel gegen Gewalt, Drogen und Rassismus sowie für Frieden und Toleranz einsetzen. Das Straßenfußball-Turnier ist Teil des offiziellen Kunst- und Kulturprogramms zur Fußball-WM.

Die rund 200 Straßenkicker zeigten sich von der Stimmung in Deutschland beeindruckt. "Hier hat man die Möglichkeit, Menschen anderer Kulturen kennen zu lernen. Ich finde es spannend zu erfahren, wie die Jugendlichen in ihrer Heimat leben", sagte Leonel Kenfack, der für das deutsche Team "Straßenfußball für Toleranz" auf Torejagd geht und selbst erst seit drei Jahren in Deutschland lebt. Der Norweger Leiki, der bereits in der ersten norwegischen Liga gespielt hat, glaubt an eine große Ausstrahlung des Projekts: "Durch solche Events können Vorurteile abgebaut werden. Es ist fantastisch, wie wir uns schon nach ein paar Tagen untereinander verstehen."

"Keine Verwurzelung im Heimatland feststellbar"

Allerdings liegt ein Schatten über dem Fest der Toleranz. Die deutsche Botschaft in Nigeria verweigerte dem Team "Search and Groom" aus Lagos die Visa für die Reise, ebenso erging es dem ghanaischen Team "Play Soccer" aus Accra. Es habe Anzeichen gegeben, dass einige der Spieler nicht in ihre Heimat zurückkehren wollten, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler. Angeblich wollten einige Spieler in Deutschland bleiben, um eine Karriere als Profi-Fußballer zu beginnen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, bei den Jugendlichen sei "keine Verwurzelung im Heimatland feststellbar" gewesen. Viele Kinder kämen aus zerrütteten Familien.

Bei "Search and Groom", das vom Fußballweltverband FIFA direkt gefördert wird, spielen auch Straßenkinder mit. "Es liegt in der Natur der Projekte, dass die Jugendlichen nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen sind", sagte Griesbeck. "Das ist bitter für die Projekte. Die Jugendlichen mussten ihre gepackten Koffer wieder auspacken", sagte der Geschäftsführer des Organisators.

Kritik aus der Politik

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele bezeichnete die Visa-Verweigerung als "schlimmes Foul". Die frühere grüne Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer, die vor fast sechs Jahren das Straßenfußballprojekt mit ins Rollen gebracht hatte, ist schwer enttäuscht. "Die Ablehnung der Visa für die beiden Straßenfußballteams aus Lagos und Accra ist genau die falsche Botschaft", sagte sie dem Tagesspiegel. Aus ihrer Sicht sind diese Projekte "gerade ein Grund, im Land zu bleiben". (stl)