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Festival des unabhängigen arabischen Films

Mona Sarkis, qantara.de28. Juni 2006

Auf dem ersten Filmfestival unabhängiger Regisseure in Damaskus zeigten arabische Jungfilmer, dass sie das nationalistische Pathos der Väter längst hinter sich gelassen haben und zu eigenwilligen Filmen in der Lage sind.

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Ganz ohne Pathos: der junge arabische FilmBild: Agop Kanledjian

Dass Omar Amiralay nichts von dem wusste, was im Juni erstmals in Damaskus stattfand, spricht eine deutliche Sprache: Während des ersten Festivals des unabhängigen arabischen Films konnte man 53 unabhängige Filmproduktionen - mehrheitlich aus Syrien - sowie sechs staatliche Kurzfilme auf der Leinwand verfolgen.

Dass dem Altmeister des syrischen Films dieses Kulturevent entging, beweist die Distanz, die zwischen seiner Generation und den heutigen Jungfilmern besteht. Dabei widmet sich Amiralay derzeit ganz dem cineastischen Nachwuchs: So ist er gegenwärtig mit dem Aufbau einer Filmhochschule in Amman beschäftigt, wie sie im arabischen Raum noch fehlt.

Baschar Ibrahim, Festival-Organisator und Chefredakteur des syrischen Kunst- und Kulturmagazins "Al-Warda", begrüßt die Initiative – sofern Amiralay nicht die Rolle des Vaters übernehme, denn diese Jugend habe keine Väter, so Ibrahim.

Kluft zwischen den Generationen

Dem 25-jährigen Rami Farah spricht er damit aus der Seele: Die Generationenfrage steht bei ihm ganz oben. Die Jugend habe ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Und welche? Jedenfalls nicht die, die ihr von anderen aufgezwungen wurden, so Rami.

Damit meint er die Generation der Väter, für die politische Themen im Mittelpunkt des filmischen Schaffens standen, wie etwa der Palästinenserkonflikt, die Besetzung der Golan-Höhen, der Panarabismus, der Imperialismus, die verlorenen Kriege etc. Viel eher möchte Rami, der am "Höheren Institut für Dramatische Kunst" in Damaskus Tanz studiert, sich selbst finden und sich ausdrücken.

"Das große nationalistische 'Traraaa' der 1970er und 80er Jahre hat sich gelegt", sagt Ibrahim, "die heutigen Fragen lauten nicht: 'Wie befreie ich Palästina?', sondern: 'Kann ich mich selbst verwirklichen – und wenn ja, wie?'", erklärt Ibrahim und Rami bestätigt das: "Ich muss keine Antworten finden, sondern Fragen stellen. Wenn ich frage, spüre ich meine Kraft."

Doch herauszufinden, wo genau man steht, ist nicht leicht. In dem Kurzfilm "Punkt" von 2003 zeigt Rami einen Fleck in der Landschaft, der immer größer wird: Ein Mann rennt auf die Kamera zu. Dort angelangt, lacht er dem Zuschauer entgegen, ängstigt sich aber plötzlich und rennt wieder dahin zurück, woher er gekommen ist.

Politik und Zensur

Zu Ramis Film-Clique gehört auch der 31-jährige Adnan al-Ouda, der zu dem Verhältnis der Jugend zur syrischen Politik eine dezidierte Meinung hat: "Wir sind nicht politisch, kennen nicht einmal die Abgeordneten im Parlament – sie uns aber auch nicht, und das ist der Punkt. Denn wir wollen keine Nummern in einem staatlichen Gefüge sein."

Politische Konflikte beginnen für den Autor bereits allein durch die Zweiteilung der Sprache in Hocharabisch und einen landestypischen Dialekt. So wurde ihm schon einmal die Veröffentlichung eines Manuskripts verboten, weil dieses in der volksnahen Umgangssprache gehalten war. Die Zensurmaßnahmen der "nationalen Filmorganisation" seien allerdings nur halb so dramatisch wie angenommen, beschwichtigt Ibrahim.

"Ich kann meinen Film unabhängig von oder mit der Organisation produzieren. Wer letzteres macht, bekommt bei allen Produktionsfaktoren staatliche Hilfe. Auf die Drehbücher aber hat das keinen Einfluss." Von der Zensur sei weit häufiger ein "Ja, aber", als ein definitives "Nein" zu erwarten.

"Was erlaube ich mir selbst?"

Rigider erscheint Ibrahim dagegen eine andere Art der Zensur: "Am schlimmsten sind gesellschaftlich gestrickte Tabus. Wir wachsen in Gemeinschaften auf, werden von ihnen beherrscht und fürchten die Reaktionen von Eltern und Nachbarn, wenn wir ihre Tabus brechen. Eine große Frage für die Jugend ist daher, was erlaube ich mir selbst?"

Eine offene Diskussion von Sexualität gehört definitiv nicht dazu. Auffallend oft hingegen wird unerfüllte – weil an gesellschaftlicher Enge gescheiterte – Liebe thematisiert. So auch in dem Kurzfilm "Von der Liebe" von Walid Hrein: Zwei einsame Alte in einem Park kommen sich näher, beginnen zu tanzen und verwandeln sich während ihres Walzers in ein jugendliches Liebespaar. Erst das hämische Gelächter der Parkbesucher schreckt die Beiden aus ihrem Traum auf. Beschämt flüchtet jeder wieder in seine Ecke. Der Film erhält großen Beifall.