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EZB bereitet Rettungsaktion vor

Bernd Riegert27. Juli 2012

Griechenland raus aus dem Euro? Rettungspaket für Spanien und Italien? Anleihenkäufe durch die EZB? Die Diskussion um die Schuldenkrise wird immer verwirrender. Sicher ist nur: Die Krise macht keine Sommerpause.

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Brennende Euro-Banknote(Foto: Igor Dutina/Fotolia)
Bild: Igor Dutina/Fotolia

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist ein mächtiger Mann. Mit ein paar markigen Worten vor Investoren kann er die Finanzmärkte weltweit bewegen und Zinsen für Staatsanleihen sinken lassen. Draghi, der in Finanzkreisen den Spitznamen "Super-Mario" trägt, hat im Gegensatz zu vielen Finanzpolitikern in der Euro-Zone Entschlossenheit signalisiert. Er kündigte an, er werde den Euro mit allen Mitteln retten, die seiner Zentralbank nach den Statuten zur Verfügung stehen. Daraufhin machten die Börsen kurzzeitig Gewinne, denn die Investoren erwarten, dass die EZB wieder Staatsanleihen kriselnder Staaten aufkauft und damit Geld in den Kreislauf pumpt. "Draghi hat mit seiner Ankündigung große Erwartungen geschaffen, jetzt muss er auch liefern", sagte ein Aktienhändler in Frankfurt am Main. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte schon in den nächsten Tagen damit beginnen, Anleihen zu kaufen, um glaubwürdig zu bleiben.

Merkel und Hollande wollen "alles" tun - nur wie?

Am Freitag (26.07.2012) sprangen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande auf den fahrenden Zug auf. Sie erklärten nach einem Telefonat, auch Deutschland und Frankreich würden alles tun, um den Bestand der Euro-Zone zu sichern. Die bekannten Beschlüsse des EU-Gipfels von Ende Juni müssten umgesetzt werden. Dort wurde der Ankauf von Staatsanleihen durch die Rettungfonds EFSF und ESM noch einmal festgelegt. Konkret einsetzen können die Euro-Staaten dieses Instrument aber erst nach dem 12. September. Dann entscheidet das deutsche Verfassungsgericht, ob sich Deutschland wie geplant am dauerhaften Rettungsfonds ESM beteiligen kann.

Die französische Zeitung "Le Monde" berichtet, die EZB und die Länder der Euro-Zone würden bereits ein gemeinsames Hilfspaket für Spanien und Italien vorbereiten. EZB-Chef Mario Draghi fordert, dass die Euro-Staaten ihren Rettungsfonds anzapfen, um Staatsanleihen zu kaufen. Nur dann könne auch die EZB wieder viele Milliarden Euro auf den Markt werfen.

Bundesbank bremst "Super-Mario"

Die Zentralbank hatte bereits im vergangenen Jahr massiv Staatsanleihen gekauft, um Italien und Spanien zu stützen. Die Bundesbank, die deutsche Zentralbank, sieht das sehr kritisch. Denn eigentlich darf die Notenbank Staaten nicht durch die Übernahme von Staatsschulden unterstützen. "Staatsanleihenkäufe sind nicht der beste Weg, um die Staatsschuldenkrise zu bekämpfen", sagte ein Sprecher der Bundesbank. Im Gegensatz zu den Finanzministern der Euro-Staaten kann EZB-Präsident Draghi aber relativ schnell und unabhängig agieren. Offenbar hat die Krise in Spanien und Italien inzwischen ein so großes Ausmaß angenommen, dass die EZB sich zum Handeln gezwungen sieht. "Die großen Länder Spanien und Italien stehen bereits am Rande des Verlusts des Marktzugangs", sagte Jacques Cailloux der Zeitung "Handelsblatt". Cailloux ist Chefvolkswirt der japanischen Bank "Nomura". Spanien und Italien müssen für ihre Staatsanleihen Rekordzinsen zahlen, die sie sich auf Dauer nicht leisten können.

EZB-Präsident Mario Draghi vor einem Euro-Symbol (Foto: Mario Vedder/dapd)
Mario Draghi könnte viele Milliarden in den Markt pumpenBild: dapd

Frankreich will den Rettungsfonds einspannen

Mit ihrer gemeinsamen Erklärung wollen die Bundeskanzlerin und der französische Präsident signalisieren, dass sie sich trotz aller Diskussionen in der ablaufenden Woche zumindest im Ziel einig sind. Der französische Finanzminister Pierre Moscovici drängte in den vergangenen Tagen darauf, dass sich neben der Europäische Zentralbank auch der Rettungsfonds der Euro-Staaten noch stärker engagiert. In einigen Wochen oder Monaten, so Moscovici, solle der gemeinsame Rettungsfonds EFSF die Schuldscheine der Krisenstaaten kaufen. Das ist im EFSF-Vertrag zwar vorgesehen, aber bislang noch nie praktiziert worden. Denn das käme der vor allem in Deutschland verpönten Vergemeinschaftung von Schulden schon sehr nahe. Außerdem müsste der Ankauf von Schulden durch den EFSF von den betroffenen Ländern beantragt werden. Es müssten Bedingungen vereinbart werden. Außerdem wäre ein Beschluss des Bundestages nötig. Von Seiten der Politik gibt es zu diesen angeblichen Plänen auch nach dem Telefonat von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande keine klaren Aussagen, was an den Finanzmärkten wieder zu neuer Unsicherheit führen könnte. Offiziell wollen sich die Finanzminister der Euro-Zone erst nach der Sommerpause Mitte September wieder treffen.

Schlafwandler in der Euro-Zone

Daran hat auch die harsche Kritik von 17 europäischen Wirtschaftswissenschaftlern nichts geändert. Die hatten der Politik vorgeworfen, sie steuere schlafwandelnd in eine Katastrophe. Die Forderungen nach einem Tilgungsfonds für Altschulden, nach gemeinsamen Anleihen und einer Bankenunion, die die Professoren erhoben haben, sind nicht neu. Die Studie wurde von einem US-amerikanischen Think-Tank finanziert, der schon lange darauf setzt, dass Europa mehr tun müsse.

Alles was in dem Papier der 17 Ökonomen auf eine Vergemeinschaftung der Schulden hinausläuft, wird von der Regierungskoalition in Berlin abgelehnt. Zwei der drei Koalitionspartner, nämlich die FDP und die bayrische CSU, sind weit vorgeprescht und sehen einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion als nächsten Schritt in der Euro-Krise. In Griechenland verhandelt zurzeit die Kassenprüfer-Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds. Das Ergebnis scheint schon festzustehen:  "Griechenland ist weit vom Kurs abgekommen", sagten EU-Diplomaten in Brüssel.

Antonis Samaras und José Manuel Barroso in Athen (Foto: AP)
Antonis Samaras und José Manuel Barroso in AthenBild: dapd

Wenig Hoffnung für Griechenland

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war extra nach Athen gereist, um den Griechen zu sagen, dass Europa sie in der Euro-Familie halten wolle. Er wolle aber "Ergebnisse, Ergebnisse, Ergebnisse" bei den griechischen Reformen sehen, predigte Barroso. "Worte sind nicht genug, Taten sind wichtiger." Da absehbar ist, dass Griechenland seine Auflagen auf Dauer nicht erfüllen kann, wird ein neues Rezept vorgeschlagen. Die Staaten sollten sich auf einen zweiten Schuldenerlass für Griechenland vorbereiten. Das würde zu erheblichen Verlusten bei den Euro-Staaten führen. Die politische Diskussion über diesen Rettungsweg hat noch gar nicht angefangen. Sie dürfte in den nächsten Wochen an Fahrt gewinnen, wenn Details der Troika-Berichte aus Athen bekannt werden.

EZB-Rat tagt kommenden Donnerstag

Am kommenden Donnerstag (02.08.2012) trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank. Dann könnte Mario Draghi, der EZB-Präsident, den Ankauf von spanischen und italienischen Staatsanleihen beschließen lassen. Die Lage an den Finanzmärkten hat sich für die südlichen Krisenländer in der ablaufenden Woche zugespitzt. Wenn die EZB jetzt untätig bliebe, würde der Abwärtsstrudel immer stärker. Bis sich die Euro-Zone auf gemeinschaftlicher Feuerwehr-Einsätze im Form von Anleihekäufen einigt, dürften noch Wochen vergehen.