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Filmischer Provokateur

Jochen Kürten16. Juli 2007

Der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini war einer der umstrittensten Filmemacher des europäischen Kinos. Derzeit erscheinen viele seiner Werke auf DVD.

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Pier Paolo PasoliniBild: picture-alliance/dpa

32 Jahre nach dem Mord an Pier Paolo Pasolini haben im Juni 700 Schriftsteller neue Ermittlungen über die Hintergründe der Tat gefordert. Pasolini war im November 1975 am Strand von Ostia erschlagen aufgefunden worden. Noch immer sind die genauen Umstände der Bluttat ungeklärt. Pasolini hatte in Italien viele Feinde. Der Regisseur und Autor provozierte mit seinen Büchern und Filmen fast alle politischen und gesellschaftlichen Lager. Als Marxist, bekennender Homosexueller und scharfer Kirchenkritiker setzte er sich mit seinen zum Teil drastisch in Szene gesetzten Werken nicht selten zwischen alle Stühle. Einige seiner wichtigsten Filme erscheinen in Deutschland jetzt auf DVD. Eine Gelegenheit sich mit dem großen Künstler Pasolini erneut auseinander zusetzen.

"Accattone" (1961)

Pasolini war bei seinem Film-Debüt fast 40 Jahre alt und galt in Italien nach großen Romanerfolgen in den 50er Jahren als anerkannter Schriftsteller. "Accattone" setzte Pasolinis Weltschau mit anderen künstlerischen Mitteln fort. Die Geschichte des jungen Zuhälters Vittorio, der Frau und Kinder verlassen hat und sich auch von seiner Geliebten trennt um ein neues Leben anzufangen, knüpft an den italienischen Neorealismus eines Rossellini an, erweitert diesen aber um stilistische Formen und neue Themen. Es ist der schonungslose Blick auf das harte Leben der jungen Männer in den Vorstädten Roms, zum Teil mystisch überhöht: "Der Film ist eine Passionsgeschichte. Kaum einen Dialog gibt es, in dem nicht vom Tod und vom Sterben die Rede ist", sagt der Kritiker Bernd Kiefer.

"Mamma Roma" (1962)

Die Geschichte der Prostituierten "Mamma Roma", die in eine bessere Gegend der Hauptstadt zieht und einen Gemüsestand aufmacht um ein "normales" Leben führen zu können. Ihr Sohn Ettore soll es einmal besser haben. Doch Mamma Romas Vorhaben wird durchkreuzt, auch Ettore gerät auf die schiefe Bahn: "Im Vergleich zur Innerlichkeit ´Accattones´, an dessen Passionsweg die Nebenfiguren (...) stehen, enthält Mamma Roma die gestörte und tragische Dialektik zweier einander fremder Subjekte: der Mutter, die ihren Sohn in die höher Klasse hinaufheben will, und des Sohnes, der an diesem falschen Anspruch und seinem wirklichen Lebenszusammenhang mit dem Subproletariat zugrunde geht", sagt der Kritiker Wolfram Schütte.

 

"Große Vögel – kleine Vögel" (1966)

Es geht um die Reise eines Vaters und seines Sohnes durch das ländliche Italien. Begleitet werden sie von einem sprechenden Raben, der aus dem "Land Ideologie" kommt und der den beiden Männern einiges über die Welt zu erzählen hat: "Geschichte und Ideologie sind zentrale Themen, die mit Ironie und Komik behandelt werden. Pate gestanden haben bei dieser Reise in eine Fabelwelt Fedro und La Fontaine. Und in dieser Fabel kam Pasolinis Verzweiflung am Dasein für einen Augenblick zur Ruhe, ja fast zu einer Art Erlösung", urteilt Enzo Siciliano.

 

"Edipo Re – Bett der Gewalt/König Ödipus" (1967) und "Medea" (1970)

Pasolinis Beschäftigung mit Stoffen aus der Antike ist schon zum Spätwerk des Regisseurs zuzuordnen: auf der einen Seite karge, statisch inszenierte Filme, auf der anderen Seite mit opernhaften Zügen ausgestattet. Pasolini wandte sich "der antike Tragödie und dem Mythos als Widerpart der Rationalität zu: Archetypen der Existenz. Den beiden Filme ist ein ästhetizistischer Eskapismus und Eskapismus eigen, in dem Gedanken von Marx und Freud fast wie bemüht zitiert wirken, wie Fremdkörper, die aufgesaugt werden von einer delirierenden Bildsprache bewusster Atavismen und von einem opernhaften Pathos", so Bernd Kiefer.

 

Die DVD´s der Filme "Accattone" und "Große Vögel, Kleine Vögel" sind ebenso wie "Edipo Re" beim Anbieter "Filmgalerie 451" erschienen. "Mamma Roma" und "Medea" bei "Kinowelt/Arthaus".