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Kinostart von "Ewige Jugend": die Alten und der Film

Jochen Kürten1. Oktober 2015

Hip-Hop-Senioren, vergessliche Opas, Lebenskrisen über 50: Das Kino hat Alter als Thema entdeckt. Und es kommen auch immer mehr ältere Menschen ins Kino. Genau davon erzählt der neue Film von Paolo Sorrentino.

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Film "Ewige Jugend" mit Jane Fonda (Foto: http://www.wildbunch-germany.de)
Jane Fonda in einem bestechenden Kurzauftritt im Film "Ewige Jugend"Bild: wildbunch-germany.de

Ein Paar, das seit 45 Jahren verheiratet ist und eine Krise durchlebt. Ein Großvater, der an Alzheimer erkrankt ist und innerhalb der Familie für viel Verwirrung sorgt. Eine ältere Frau, die nach langer Ehe von ihrem Mann verlassen wird und endlich, nach vielen Jahren, den Führerschein macht. Eine Gruppe von Senioren, die einem Freund beim Sterben helfen will. Und schließlich Rentnerinnen und Rentner, die zu einer Tanz-Weltmeisterschaft in die USA aufbrechen.

Dies ist nur eine kleine Auswahl an aktuellen Filmen, die in diesen Wochen und Monaten in den Kinos zu sehen sind und die zweierlei belegen: Zum einen spiegeln sie einen Trend wider, der seit einiger Zeit zu beobachten ist: Spiel- und Dokumentarfilme blicken auf Menschen über 50, auf Erlebnisse von Frauen und Männern im letzten Lebensdrittel. Und: Diese Filme werden zunehmend auch von einem älteren Kinopublikum gesehen.

Filmszene 45 Years mit Charlotte Rampling und Tom Courtenay (Foto: Agatha A. Nitecka/Piffl Medien GmbH/dpa")
Seit 45 Jahren ein Paar - Charlotte Rampling und Tom Courtenay in "45 Years"Bild: Agatha A. Nitecka/Piffl Medien GmbH/dpa

Das Kino ist immer noch ein Treffpunkt der Jugend. Der Anteil der Jugendlichen und Twens macht einen Großteil des Umsatzes der Studios und der Verleiher aus. Insbesondere die großen Hollywood-Blockbuster, die Animationsstreifen für die ganze Familie und aufwendige Action- und Science-Fiction-Spektakel in immer neuen Fortsetzungen sorgen für Milliardenumsätze - gerade auch in jüngster Zeit.

Internet als Konkurrenz zum Kino

Doch dieser Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich jüngere Besucher in den letzten Jahren anderen Freizeitaktivitäten zugewandt haben: ihr Besucheranteil sinkt langsam aber kontinuierlich. Der Anteil der älteren Zuschauer hingegen steigt stetig. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Stoffe und Inhalte der Filme. Das Kino passt sich längst dem demografischen Wandel an.

Honig im Kopf Filmszene (Foto: Warner Bros.)
Alzheimer: auch humoristisch abgehandelt in "Honig im Kopf" mit Dieter Hallervorden und Emma SchweigerBild: picture-alliance/Warner Bros.

Und das betrifft alle Genres. Ein Film wie "45 Years", der in den deutschen Programmkinos läuft und die Lebenskrise eines älteren Ehepaares durchexerziert, bietet großes britisches Schauspielerkino und steht für den anspruchsvollen Autorenfilm. "Honig im Kopf", der phänomenale Publikumserfolg von Til Schweiger, spielt zwar das ernste Thema Alzheimer durch, macht das aber mit viel Humor und zielt durch die Mitwirkung von Schweiger und seiner elfjährigen Tochter auch auf andere Publikumsschichten.

Unterhaltungsfilme für die Generation 5o+

Streifen wie "Learning to Drive - Fahrstunden fürs Leben" (2015) oder auch die Erfolgskomödien "Best Exotic Marigold Hotel 1 + 2" (2012/15) sind Unterhaltungsfilme im besten Sinne für die Generation 50+. Der vor ein paar Tagen in den deutschen Kinos angelaufene israelische Film "Am Ende ein Fest" schafft das beachtliche Kunststück, das Thema Sterbehilfe zugleich witzig und auch human zu behandeln.

Und eine Dokumentation wie "Hip Hop-eration", die pünktlich zum Weltseniorentag am 1. Oktober in die Kinos kam, ist ein Gute-Laune-Film, der die Reise einer neuseeländischen Tanzgruppe in die amerikanische Spielermetropole Las Vegas zur dortigen Hip Hop-Weltmeisterschaft nachzeichnet. Beste Unterhaltung!

Filmszene Am Ende ein Fest (Foto: dpa)
Überraschungserfolg aus Israel zum Thema Sterbehilfe: "Am Ende ein Fest"Bild: Neue Visionen Filmverleih/dpa

Laut Filmförderungsanstalt ist die sogenannte "Best Ager"-Altersgruppe ab 50 Jahren aufwärts in den letzten fünf Jahren kinoaffiner geworden. Auch die über 60-Jährigen kaufen in Deutschland mehr Kinotickets als noch vor ein paar Jahren. Das schlägt sich besonders bei den Programmkinos nieder. Ältere Zuschauer wollen nicht zwischen Popcorn-essenden und Cola-trinkenden Jugendlichen im Multiplex-Kino sitzen. So spaltet sich das Kino- und Filmangebot in vielen Städten mehr und mehr auf: hier die großen Kinopaläste mit jungen Zuschauern, die sich vornehmlich Hollywood-Blockbuster anschauen, dort ältere Besucher, die Arthouse-Filme in Programmkinos oder aber auch in edel ausgestatteten Film-Lounges sehen.

Filmszene Learning to drive - Fahrstunden fürs Leben (Foto: dpa)
Der Kinotrend bringt auch für ältere Darstellerinnen wie Patricia Clarkson wieder mehr attraktive Rollen, hier neben Ben Kingsley in "Learning to Drive"Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Alamode Film

Zuwachs bei den Zuschauern über 60

Viele Kinobetreiber setzen inzwischen auf ältere Zuschauerschichten. Ihre Argumente: Die älteren Besucher verfügen meist über einen größeren finanziellen Spielraum, leisten sich teurere Kinotickets. Und sie gehen auch zu anderen Tageszeiten ins Kino und lasten daher die Kino-Säle besser aus.

Filmstill Kinostart Ewige Jugend
In der Ruhe liegt die Kraft - Altern ist nichts für Feiglinge (Szene aus "Ewige Jugend")Bild: picture-alliance/dpa/WildBunch

Bemerkenswert ist, dass auch Themen, die früher für die große Kinoindustrie undenkbar gewesen sind, von Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseuren für dieses Publikum umgesetzt werden. Alter, Krankheit, Einsamkeit sind nicht gerade Sujets, die man sich im Kino anschauen will, wenn man Ablenkung und Unterhaltung sucht. Und doch sind diese Themen en vogue - nicht nur bei Til Schweiger. Es kommt eben immer darauf an, wie die Filmschaffenden den Stoff umsetzen. Ein lustiger Film über Sterbehilfe, grandios gespielte Filme über Alzheimer ("An ihrer Seite"/2006, mit Julie Christie), ein humoristischer Blick auf eine Altern-WG ("Wir sind die Neuen"/2014) - das Kino passt sich den älteren Publikumsschichten an.

Die Stoffe verändern sich

"Im Boom der '90er Jahre setzte man auf pubertierende und spätpubertierende Kinogänger", so der Kritiker Wolfgang Hamdorf vor Kurzem in einem Interview: "Als das Marktsegment um die Jahrtausendwende wegbrach, suchten die Marketingstrategen nach neuen Auswegen, der vitale, vergnügungssüchtige Rentner wurde als Kinogänger der Zukunft angepeilt." Infolgedessen seien dann auch mehr altersgerechte Stoffe gefordert worden.