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Finanzkrise als Chance?

21. September 2009

Die "Blutdiamanten" spielten im Bürgerkrieg in Sierra Leone eine große Rolle. Auch heute sind die Steine kein Segen für die Region. Durch die Finanzkrise könnte das Land den Fluch der Edelsteine endlich loswerden.

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Diamantensuche im Nordosten Sierra Leones (Foto: AP)
Diamantenschürfer in Sierra LeoneBild: AP

Mit gekrümmtem Rücken stehen zehn Männer bis zur Hüfte in einem Wasserloch der Kensay-Mine. Diamanten werden hier mit Schaufel, Eimer und Sieb an der Erdoberfläche gefördert – eine Knochenarbeit – für eine Schale Reis pro Tag. Doch die Geschäfte gehen schlecht, schon seit Jahren, der Diamantenboom ist längst vorbei. Und jeder weiß es. Im Krieg waren die Diamanten eine blutige Währung, dann nutzten findige ausländische Konzerne die Übergangsphase, um der Regierung Schürfkonzessionen für lächerliche Preise abzukaufen – nicht selten gegen kräftige Schmiergelder. Privatisierung und extreme Korruption haben dazu geführt, dass der Edelstein-Export nur noch zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Sierra Leone ausmacht. Und doch ist das Land auf seine Bodenschätze angewiesen. Ein großer, ein historischer Fehler, sagt Abu Brima vom Netzwerk für Gerechtigkeit und Entwicklung.

Eingebrochene Preise

Sierra Leones Wirtschaft stützt sich auf Diamanten (Foto: dpa)
Werbetafel für DiamantenBild: dpa

"Wir haben uns von einem Wirtschaftssektor abhängig gemacht, den wir noch nicht einmal selbst managen und kontrollieren konnten", so Brima. Man habe getan, was die ausländischen Konzerne diktierten. Und dabei anderen in die Hände gespielt. Und heute? Sierra Leone muss schon wieder für seinen Rohstoffreichtum büßen. Denn die Finanzkrise hat auch den Edelsteinmarkt fest im Griff. Die Preise sind eingebrochen. Im ersten Halbjahr 2009 haben die Exporte offiziell nur noch bescheidene 70 Millionen US-Dollar eingebracht, weniger als die Hälfte des vergleichbaren Zeitraums vom Vorjahr. Konzerne wie die südafrikanische Koidu Holdings haben erst ganze Regionen durch ihre unterirdischen Sprengungen verwüstet – nun entlassen sie Arbeiter.

Reis statt Diamanten

Bäuerin reinigt Hirse-Körner (Foto: picture-alliance/dpa)
Sierra Leones Landwirtschaft liegt am BodenBild: picture alliance/dpa

Deswegen ist Tom Yomah so wütend: Er hat genug davon, für einen Hungerlohn im giftigen Wasser zu stehen. Seinem Präsidenten Ernest Bai Koroma würde er das gerne ins Gesicht sagen. Vor fast genau zwei Jahren hat er für ihn gestimmt, damit sich die Lage in Kono endlich verbessert. Geschehen ist nichts. "Der Präsident ist so etwas wie mein Vater! Ernest Bai Koroma, bitte hilf uns! Wir brauchen hier Landwirtschaft! Vergiß die Diamanten. Sie sind ein Fluch" Wenn er Saatgut bekäme und ein bisschen Land, dann würde Tom Yamah schon morgen Reis anpflanzen, direkt auf der Diamantenmine. Denn nur in der Landwirtschaft sieht er die Zukunft. Doch die Straßen sind zerstört, es gibt kaum Strom, die Landwirtschaft liegt am Boden.

Sierra Leone muss teuren Reis aus China und Indien importieren, Palmöl aus Malaysia, Tomaten und Zwiebeln aus Holland. Gleichzeitig gibt es keine verarbeitende Industrie, um Maniokpulver oder Saft aus Mangos, Orangen und Ananas herzustellen, die an jeder Ecke wachsen. Die Diamanten sind keine Lebensversicherung mehr.

Hoffen auf Investoren

Das sei traurig, aber wahr, sagt Handelsminister David Carew und vergräbt sein Gesicht in den Händen. "Und trotzdem sitzen wir hier und tun nichts". Auf einer Prioritätenliste von eins bis zehn sollten die Diamanten keine Rolle mehr spielen. Es sei ein Weckruf für alle, sich endlich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und Investoren zu finden, die dem Land dabei helfen, zu einem gesunden Agrarstaat zu werden. Viel Zeit bleibt Sierra Leone nicht mehr. Denn nach dem Diamantenfluch lauert bereits die nächste Gefahr. Vor der Küste wurde gerade Öl gefunden. Und das schwarze Gold ist für Afrika schon lange kein Segen mehr.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade