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NGOs in der arabischen Welt

15. September 2009

In Zeiten knapper Kassen werden auch die Gelder für NGOs gekürzt. Das scheint einige Aktivisten in der arabischen Welt nicht zu stören: Das Geld der Geberländer halte die Regierungen davon ab selbst aktiv zu werden.

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Minenentschärfungsprogramme im Libanon (Foto: DPA)
Minenentschärfungsprogramme erhalten weniger Geld seit der FinanzkriseBild: picture-alliance/ dpa

Seit Beginn dieses Jahres vermelden mehrere NGOs, die die Splitterbomben entschärfen, mit denen Israel im Julikrieg 2006 den Libanon bombardierte, erhebliche Kürzungen. Drei schwedische und zwei schweizerische Räumungsteams wurden bereits aufgelöst. Betroffen ist auch Norwegian People's Aid, deren Minenentschärfungsprogramm nur bis 2011 gesichert ist. Der Leiter, Khaled Yamout, sieht darin kurioserweise dennoch etwas Positives: "Ich hoffe, die libanesische Regierung erkennt jetzt, dass die Geberländer angesichts der Finanzkrise nicht mehr alles alleine stemmen können. Es wird Zeit, dass die Regierung selbst die Verantwortung übernimmt. Offen gestanden glaube ich aber nicht wirklich daran."

Desolate Regierungen, ausbleibende Hilfsgelder - das ist das eine Problem. Doch auch da, wo das Geld noch fließt, will keine Eigenverantwortlichkeit aufkommen. Bei Rami Zurayk, Agrarwissenschaftler und Aktivist, führte dies dazu, dass er seine Arbeit mit südlibanesischen Bauern gänzlich beendete. Die ausländischen Gelder hätten die Gesellschaft kaputt gemacht. "Vor allem die Europäer, die Unifil-Truppen entsandt haben, sind nicht nur militärisch, sondern auch humanitär präsent, um die 'Herzen der Bevölkerung zu gewinnen'. Dabei kommt derart viel Geld ins Land, dass die Einheimischen aufhören, für sich selbst zu sorgen."

Logo Norwegian People´s Aid
Bereits einige Projekte von Norwegian People's Aid wurden eingestelltBild: Logo Norwegian People´s Aid

"Inhaltsleeres Business"

Eileen Quttab, die im benachbarten Westjordanland arbeitet, kennt die Problematik. Auch sie hat aufgehört, an zivilgesellschaftlichen Projekten mitzuarbeiten. Denn der internationale Geldregen, der seit rund 15 Jahren auf Palästina hinabprasselt, hat diese Projekte vor allem in eines verwandelt: in ein lukratives, aber inhaltsleeres Business: "1989 habe ich eine NGO für Entwicklungshilfe mitbegründet. Doch statt echter zivilgesellschaftlicher Projekte, die auf eine selbstverantwortliche Gesellschaft hinarbeiten, wurden nur noch aufgeblasene Workshops zu 'gender training' oder 'microfinance' finanziert." NGOs, die finanziell überleben wollen, müssen das mitmachen, sagt Quttab. Für sie sei das letztlich wie eine zweite Besatzung.

Rami Zurayk ist Agrarwissenschaftler in Beirut (Foto: Rami Zurayk)
Rami Zurayk ist Agrarwissenschaftler in BeirutBild: Rami Zurayk

Kein Wunder also, dass so mancher zivilgesellschaftliche Aktivist, Morgenluft angesichts der Finanzkrise wittert. Denn, wenn die Budgets dünner werden, könnte sich der Irrsinn legen. Aber ob dieses Kalkül aufgeht? Es ist nämlich keineswegs so, dass aufgrund der Finanzkrise alle Budgets gekürzt werden. "Minenentschärfungsprogramme sind zeitlich befristete 'Notfall'-Programme. Entwicklungshilfeprogramme hingegen sind langfristig angelegt. Und die Zielgruppe von Norwegian People's Aid im Libanon sind die palästinensischen Flüchtlinge. Sie haben als Priorität, weil ihre Situation ungelöst ist." Also bliebe die Hilfe bestehen, erklärt Yamout.

Politische Agenda

Demnach bleiben die Geberländer genau dort präsent, wo viele Aktivisten ihren Rückzug ersehnen. Für Zurayk besteht kein Zweifel, dass dahinter auch eine politische Agenda steckt.

Autorin: Ibtissam Mouré
Redaktion: Diana Hodali