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Eigenwilliges Finnland

Bernd Riegert3. August 2012

Finnland bekommt als einziges Euroland für seine Hilfskredite Sicherheiten von den Schuldenstaaten. Das beschert den Finnen das Urteil "AAA" bei den Ratingagenturen. Ein Beispiel für andere Länder?

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Finnland Finanzministerin Jutta Urpilainen vor Landesfahnen (Foto: REUTERS)
Jutta UrpilainenBild: Reuters

Als die Ratingagentur Moody's kürzlich die Kreditwürdigkeit Deutschlands, Luxemburgs und der Niederlande in Frage stellte, gab das finnische Finanzministerium stolz eine Pressemitteilung heraus. Nur für Finnland sieht Moody's "stabile" Aussichten. "Wir sind sehr zufrieden, dass Moody's unserem finanzpolitischen Management vertraut", schrieb die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen (Bild oben). Finnland behält also sein "AAA", während Moody's bei den drei anderen wirtschaftlich führenden Euro-Staaten Anzeichen von Überlastung sieht. Nach Ansicht der Ratingagentur hat sich Finnland bei der Rettung von Schuldenstaaten in der Eurozone klug abgesichert und finanzielles Risiko vermieden. Wie geht das?

Finnland verlangt Sicherheiten

Finnland hat sich als einziges Land der Euro-Zone für seine Hilfskredite an Griechenland vor einem Jahr und jetzt für die Bankenrettung in Spanien Sicherheiten geben lassen. Finnland argumentiert, dass sich jeder Kreditgeber gegen Verluste absichert, in dem er ein Pfand verlangt. Finanzministerin Urpilainen hat in Verhandlungen mit der spanischen Regierung Mitte Juli erreicht, dass 40 Prozent der Kreditsumme von 2,2 Milliarden Euro als Sicherheit hinterlegt werden. Die spanische Regierung muss so rund 800 Millionen Euro auf finnische Konten einzahlen, um 1,4 Milliarden Euro zu bekommen. "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis", sagte die finnische Finanzministerin nach dem Deal mit Madrid. Dieses Pfand-System hatte die finnische Regierung bereits vor einem Jahr beim zweiten Rettungspaket für Griechenland angewendet. Finnland verzichtet anders als die restlichen Kreditgeber der Euro-Zone auf Zinsen für seine Hilfskredite. Dieses skurril anmutende Pfandsystem musste die finnische Regierung in zähen Verhandlungen mit seinen Partnern in der Euro-Zone aushandeln. In der regierenden Sechs-Parteien-Koalition unter Führung der Konservativen nimmt man damit auf die euro-skeptische Grundstimmung in Finnland Rücksicht. Die stärkste Oppositionspartei sind die rechtspopulistischen "Wahren Finnen", die die Beteiligung an Rettungsschirmen ablehnen.

Staatsanleihen als Pfandbriefe?

Da das System für Finnland so gut funktioniert, hat der finnische Europaminister, Alexander Stubb, beim letzten EU-Gipfel im Juni in Brüssel ein großes Fass aufgemacht. Er schlug vor, alle Euro-Staaten solltenihre Staatsanleihen mit Sicherheiten unterfüttern. "Wir sollten nur noch Pfandbriefe ausgeben", sagte Alexander Stubb im Juni gegenüber der Deutschen Welle. "So könnte man die Kreditwürdigkeit und Attraktivität der Staatsanleihen der bedrängten Staaten für die Anleger steigern." Praktisch bedeutet das, Griechenland oder Spanien müssten Goldreserven ihrer Zentralbanken, Anteile an Staatsunternehmen oder Grundstücke für Hilfskredite verpfänden. Sollte Griechenland dann eines Tages seine Kredite nicht zurückzahlen, würde dem Besitzer von Staatsanleihen ein Stück des Athener Flughafens oder ein Grundstück auf Mykonos gehören. Diese abgesicherten Staatsanleihen habe Finnland selbst benutzt, um Anfang der 1990er Jahre eine Finanzkrise im eigenen Land zu überwinden, so Europaminister Alexander Stubb. "Es hat funktioniert."

Finnischer Handels- und Europaminister Alexander Stubb wischt sich die Stirn (Foto: AP)
Alexander Stubb wirbt für PfandbriefeBild: AP

Ökonomin: Schuldner haben nicht genug Sicherheiten

Beim EU-Gipfel im Juni stießen die Finnen mit ihrem ungewöhnlichen Vorschlag noch auf taube Ohren. Nachdem Moody's das finnische Modell jetzt quasi geadelt hat, könnte ein Umdenken einsetzen. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti, dessen Land Schwierigkeiten hat, seine Staatsanleihen zu vernünftigen Zinsen zu verkaufen, war am Mittwoch (01.08.2012) zu Besuch in Finnland. Er hat sich das Modell von der finnischen Regierung erläutern lassen. Könnte Italien also irgendwann römische Ruinen oder venezianische Palazzi verpfänden? Die Ökonomin Cinzia Alcidi vom "Centre for European Policy Studies" in Brüssel sagt Nein. "Der entscheidende Punkt ist, dass in der gegenwärtigen Krise die Schuldner nicht in der Lage sind, diese Forderungen zu erfüllen", sagte Cinzia Alcidi der Deutschen Welle. "Ich glaube, dass nach ganz kurzer Zeit die Länder, die in Schwierigkeiten stecken, keine Sicherheiten mehr anbieten könnten und den Gläubigern das Kreditrisiko nicht abnehmen könnten." Für ein relativ kleines Land wie Finnland, das nur gering an den Hilfen für Griechenland oder Spanien beteiligt sei, funktioniere das vielleicht noch. "Wenn das alle machen würden, würde es nicht funktionieren."

Finnlands Ministerpräsident Jyrki Katainen und Italiensministerpräsident Mario Monti auf einer hölzernen Seebrücke bei Helsinki. (Foto: dpa)
Nachdenken über neue Wege: Italiens Premier Monti (li.) zu Besuch bei Finnlands Regierungschef Katainen in HelsinkiBild: picture alliance / dpa

Pfand auch beim künftigen Rettungsschirm?

Sollte jetzt der neue permanente Rettungsschirm ESM Staatsanleihen aufkaufen, um Krisenstaaten zu retten, hätte auch Finnland ein Wörtchen mitzureden. Der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen hat in einem Interview mit dem finnischen Fernsehen YLE bereits angekündigt, dass Finnland solchen Aktionen nur zustimmen kann, wenn der ESM die Rückzahlung der Kredite durch den Status als bevorzugter Gläubiger garantieren kann. Sollte der ESM nachrangiger Gläubiger werden, was die Finanzmärkte verlangen, dann müsse "Finnland auf Pfand und Sicherheit bestehen", so Katainen. Das finnische Parlament muss das im Einzelfall absegnen.

Hilfskredite aus Deutschland als Pfand für Finnland

Weil die Schuldnerstaaten die von Finnland geforderten Pfänder nicht aufbringen können, springen die anderen Euro-Staaten ein. Das heißt im Klartext: Griechenland gibt Finnland für seine Kredite ein Pfand in Bargeld, der wiederum aus Hilfskrediten zum Beispiel aus Deutschland gespeist wird. Also bekommt Finnland ein Pfand aus Deutschland, damit Griechenland Kredit erhält. Weil auch der finnische Europaminister Alexander Stubb eingesehen hat, dass dieses im Moment praktizierte System schwer vermittelbar ist, schlägt er vor, dass Griechenland seine Grundstücke und Staatsbetriebe verpfändet. Dann wäre kein Bargeld als Pfand nötig.

Schon im Juni beim Weltwirtschaftsforum in Istanbul plädierte Stubb ganz gelassen dafür, aus der Diskussion um Hilfspakete doch die Schärfe herauszunehmen und Alternativen zu durchdenken. "Es ist für mich ein wenig frustrierend, dass wir die Hysterie und das Chaos am Markt selber schüren. Wir reden es hoch", warnte er. "Je näher wir wieder an eine entscheidende Sitzung kommen, desto mehr Zeitungskommentare und Statements lesen wir: Oh nein, Griechenland tritt aus! Oh nein, wir müssen Spanien retten! Oh nein, dem Bankensektor geht es schlecht! Keiner hat aber eine klare Vision, was am Ende wirklich getan werden muss. Ich schlage deshalb vor, dass drei Gruppen sich beruhigen sollten: Politiker, Ökonomen und die Medien." Wie gesagt, eine finnische Erkenntnis aus dem Juni, die aber heute deshalb nicht falsch sein muss.

Passanten betrachten am 16.12.1998 die Auslagen im Schaufenster eines Leihhauses in Berlin-Kreuzberg.
Modell Pfandhaus für Europa? Hier ein Leihaus in BerlinBild: dpa