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Finsterer Verdacht auf dem Balkan

5. August 2009

Haben Kosovo-Albaner zum Ende des Kosovo-Kriegs Dutzende Serben ermordet und ihre Organe auf dem Schwarzmarkt verkauft? Der Schweizer Senator Dick Marty soll den Hinweisen als Ermittler des Europarats nachgehen.

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Dick Marty (Foto: dpa)
Der Schweizer Dick Marty soll die Vorgänge im Kosovo aufklärenBild: picture alliance/dpa

Die Rolle als Sonderermittler des Europarats kennt Dick Marty bereits. Er war es auch, der den CIA-Geheimgefängnissen in Osteuropa nachspürte. Jetzt prüft der Schweizer einen Verdacht, der finsterer kaum sein kann: Gegen Ende des Kosovo-Kriegs vor rund zehn Jahren sollen Kosovo-Albaner Dutzende Serben getötet und mit ihren Organen einen illegalen Organhandel betrieben haben. Die kosovarische Polizei hatte im Juni 2009 drei Serben unter dem Verdacht festgenommen, ihre Landsleute zu Falschaussagen über den mutmaßlichen Handel mit menschlichen Organen angestiftet zu haben. Die serbischen Behörden bestritten daraufhin die Angaben Pristinas, dass es sich um Mitarbeiter der serbischen Nachrichtendienste handle.

Das Buch 'Im Namen der Anklage' von Carla del Ponte (Foto: dpa)
Das Buch "Im Namen der Anklage" von Carla del PonteBild: picture alliance/dpa

Seit eineinhalb Jahren ermittelt die serbische Sonderstaatsanwaltschaft im Fall des vermeintlichen Handels mit Organen in Albanien im Frühjahr 1999. Der grausige Verdacht wurde damals von Carla del Ponte publik gemacht, der früheren Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals. In ihren Memoiren berichtete sie über Hinweise auf illegalen Organhandel. Die Informationen seien zwar interessant gewesen, doch letztlich hätten die Ermittler entschieden, dass weitere Nachforschungen nicht gerechtfertigt seien. Nun beschäftigt sich Marty im Auftrag des Europarats damit. Er will sich nicht äußern, so lange seine Ermittlungen nicht abgeschlossen sind. Anfang der Woche ist Marty nach auf den Balkan gereist. Dort will er Mitglieder der serbischen und albanischen Regierungen sowie Vertreter der Justiz und Mitglieder von Hilfsorganisationen treffen. Fatmir Sejdiu, der Präsident des Kosovo, und Premierminister Hasim Thaci, Mitbegründer und ehemaliger Führer der Kosovo-Befreiungsarmee UCK, haben die Vorwürfe bereits zurückgewiesen, wollen die Ermittlungen aber unterstützen.

Angeblich auch Empfänger aus Deutschland und der Schweiz

Nach Angaben serbischer Behörden gibt es Beweise, dass auch zwei wohlhabende Personen aus Deutschland und aus der Schweiz zu den Empfängern von Organen zählten, die in Albanien entnommen und über Mittelsmänner verkauft worden sein sollen. Privatflugzeuge und zig Millionen Dollar sollen bei dem makabren Geschäft eine Rolle gespielt haben.

Wer die angeblichen Empfänger waren, wollte Bruno Vekaric, Mitarbeiter des serbischen Kriegsverbrecher-Chefanklägers Vladimir Vukcevic, nicht sagen. Die Informationen stammen nach seinen Angaben von Leuten, die mit der Sache zu tun hatten, darunter auch Angehörige der Kosovo-Befreiungsarmee UCK.

Umschlagplatz Nordalbanien?

Landschaft mit zerstörten Häusern im Dorf Planeja an der Grenze zu Albanien (Foto: dpa)
Das Grenzgebiet zwischen Albanien und dem Kosovo ist unwegsamBild: picture alliance/dpa

Der angebliche Organraub soll sich in den Wirren der Nachkriegswochen 1999 abgespielt haben, als Hunderttausende ins Nachbarland geflüchtete Kosovo-Albaner zurückkehrten. Nach serbischen Angaben sind damals bis zu 400 Kosovo-Serben spurlos verschwunden. Serbien fordert, ein verdächtiges Haus in Rripe, in dem 2004 von UN-Ermittlern Blutflecken, Spritzen, leere Fläschchen eines Mittels zur Muskelentspannung und andere Gegenstände gefunden worden waren, sowie Hinweise auf drei Massengräber in Nordalbanien noch einmal unter die Lupe zu nehmen, in denen möglicherweise die Überreste verschollener Serben liegen.

Anders als eine Transplantation, die ein großes OP-Team erfordert, ist eine bloße Organentnahme einfacher zu bewerkstelligen. Allerdings muss der Weitertransport der entnommenen Organe schnell gehen. Deshalb ist es fraglich, ob sich die illegalen Organentnahmen tatsächlich im abgelegenen Nordalbanien abgespielt haben, wo die Straßen ungeteert und holprig sind, so dass es zum Transport einen Geländewagen oder einen Esel braucht. Entnommene Organe hätten per Hubschrauber nach Tirana und von dort weiter zur Verpflanzung ausgeflogen werden müssen. (az/nis/dpa/ap)