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Fischer im Senegal träumen von Europa

21. Dezember 2009

Obwohl die EU-Fischer nicht mehr die senegalesischen Gewässer nutzen, können die Fischer im Senegal immer noch nicht wieder von ihrer Arbeit leben. Die meisten wollen weg und wagen die Flucht nach Spanien.

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Mansour Seck aus Senegal am Strand von Grand Yoff (Foto: dpa)
Hoffen auf das Glück in Europa: Fischer im SenegalBild: picture-alliance/ dpa

Am Meeresufer in Joal sitzen Fischer, knüpfen ihre Netze und diskutieren. Cheikh Wade erzählt von einem Freund, der nach Europa gegangen ist. Früher waren sie jeden Tag zusammen, heute sei der andere reich, und er sei immer noch arm. Obwohl er zehn Mal mehr arbeite als sein Freund in Europa, habe er kaum genug zu essen. Der andere sei weggegangen, und wenn er höre, wie viel der in Europa verdient, habe auch er Lust, wegzugehen. Cheikh Wade ist 27 Jahre alt. Er ist ledig und Vater eines Kindes. Der Fischer lebt im Haus seines älteren Bruders Karim.

Auf der Suche nach dem Glück

Fischer mit Boot am Strand beim Fischerdorf Juf, Senegal
Fischer mit Boot am Strand beim Fischerdorf Juf, SenegalBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Er verbringe drei Tage mit einer kleinen Piroge, seinem Boot, auf dem Meer, erzählt der junge Mann von seinem Alltag. "Ich schlafe im Boot, voller Wasser und ertrage die Kälte. Und wenn ich dann zurückkomme, verdiene ich nichts." Deshalb wolle er sein Glück in Europa versuchen, weil es dort nicht schlimmer sein könne als in Joal, so Wade weiter. Derzeit kann er es sich nicht leisten, sein Boot reparieren zu lassen und muss sich eine andere Piroge ausleihen.

Die bunten Pirogen sind afrikanische Einbäume mit bunten Fähnchen am Bug, mit denen die Fischer meist nach traditionellen Methoden fischen. Die Boote landen immer häufiger als Schiffswracks an den Stränden der Kanarischen Inseln. Drei Brüder der Familie Wade sind mit den Fischerbooten über den Atlantik bis nach Europa gelangt. Stolz zeigt Cheikh die billige Uhr, die sein Bruder geschickt hat. "Barcelona oder Barzak" sagen die Auswanderungswilligen: Barcelona oder "Barzak", wie das Paradies nach dem Tod in der senegalesischen Landessprache Wolof heißt.

Fischfabriken drücken die Preise

Eine Senegalesin sortiert am Strand Fisch für den Verkauf (Foto: dpa)
Die Familien der Fischer müssen von den geringen Einnahmen lebenBild: picture-alliance / © Balance/Photoshot

Seit zwei Jahren ist Joal Naturschutzgebiet. Um den Fischbestand zu wahren, ist das Fischen in einer abgesteckten Zone vor der Küste streng verboten. 2006 hat Senegal zudem das Fischereiabkommen mit Brüssel nicht verlängert. Seitdem fischen dort auch keine internationalen Trawlerboote mehr das Meer leer. Probleme bereitet den Fischern weniger das Fangverbot. Es sind die Gesetze des Marktes, die ihnen das Leben schwer machen, erklärt Karim. Er ist der Sprecher der 700 Fischer von Joal: "Ein Dioff (spezieller Fisch) kostet 2000 bis 2500 Francs. Früher war dieser Fisch drei bis viermal soviel wert. Die Fischfabriken wissen, dass die Fischer den Dioff nicht essen und drücken die Preise." Oft heiße es dann, der Markt in Europa sei überfüllt oder die Fabrikhalle sei baufällig. Die Besitzer hätten jedes Mal ein Alibi für ihre Preispolitik.

Um sich dagegen zu wehren, haben sie die Fischer von Joal organisiert. Sie haben Schutzzonen geschaffen und das Problem mit den ausländischen Trawlern geregelt. "Nun müssen wir das Problem des Verkaufs für die Fischer regeln. Diese fahren 100 Kilometer weit aufs Meer hinaus, bleiben drei Tage in einem kleinen Boot, und wenn sie zurückkommen, verdienen sie nichts. Wenn die eine Gelegenheit haben, nach Spanien zu gehen, zögern sie nicht."

Ein Flüchtlingsschiff am Hafen von La Gomera (Foto: dpa)
Immer wieder werden Flüchtlingsschiffe abgefangenBild: picture-alliance/ dpa

Preise für illegale Überfahrt gesunken

Die senegalesische Regierung überwacht mit europäischer Hilfe verstärkt die Küsten, um Flüchtlinge abzufangen. Das Risiko, von der Polizei erwischt zu werden, hat die Preise für die Überfahrt gedrückt. Vor zwei Jahren nahmen die Schlepper noch mehr als 600 Euro für die Überquerung des Ozeans. Heute ist der Preise auf bis zu 150 Euro gefallen. Obwohl viele Senegalesen zurückgeschickt wurden, ist die heimliche Auswanderung für die Fischer weiterhin attraktiv, weiß Karim. Von 100 Flüchtlingen würden es lediglich zwei bis vier Menschen tatsächlich schaffen. Sein jüngerer Bruder Ibou ist seit zwei Jahren weg. "Er hat nur ein einziges Mal Geld geschickt. Aber als Ibou hier war, bat er mal mich, mal meinen Bruder um Geld. Heute können wir sagen: Selbst wenn unsere Brüder nicht viel Geld haben, weil es auch in Europa schwierig ist, fallen sie immerhin uns nicht mehr zur Last. Wäre ich jünger, würde ich auch weggehen!"

Das gesteht Karim, der als Präsident des Schutzgebietes von Joal mit seiner Familie immerhin in einem richtigen Haus lebt, mit Wasser, Strom und Fernseher. Sein jüngerer Bruder Cheikh will nach Europa, sobald er das Geld für die Schlepper hat. Weder das Risiko noch die Kontrollen der Polizei können ihn von seinem Traum abbringen: "Die Polizei ist uns egal, solange wir nur aus Senegal wegkommen. Das Leben ist zu hart. Selbst wenn man dich ins Gefängnis sperrt: Wenn du weg willst, gehst du weg."

Autorin: Martina Zimmermann

Redaktion: Stephanie Gebert