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Fischers Stippvisite in Kundus

21. April 2004

Bundesaußenminister Fischer hat bei seinem ersten Besuch des deutschen Wiederaufbauteams in Afghanistan indirekt die Irak-Politik der USA kritisiert.

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Fischer zu Besuch bei den Friedensstiftern in AfghanistanBild: AP

Er trägt einen eleganten dunkelblauen Anzug und ein weißes Hemd mit rot-karierter Krawatte. Der volle schwarze Bart ist gepflegt. Milde lächelt General Mohammed Daud Außenminister Joschka Fischer zu, als er ihn auf dem staubigen Flughafen im nordafghanischen Kundus am Dienstag (20.4.2004) begrüßt. Kaum zu glauben, dass der Mittdreißiger in Zivil eine 5000 bis 6000 starke Miliz unter Waffen hat. Seine Soldaten stehen alle hundert Meter mit Kalaschnikows an der Geröllpiste nach Kundus Spalier für Fischers Konvoi.

Daud machte mit seinem Truppenaufmarsch schon bei der Begrüßung aus seiner Rolle als De-Facto-Machthaber der Gegend keinen Hehl. "Das ist sein Flugplatz", erläutert ein Bundeswehrsprecher später. Stets habe Daud seine Sicherheitskräfte um das Areal postiert. Die Bundeswehr nimmt es gelassen. Bisher läuft die Kooperation - und dadurch auch die Arbeit des deutschen Wiederaufbau-Teams in Kundus.

"Tief beeindruckt"

Fischer in Afghanistan
Fischer und Hamid Karzai bei einer Pressekonferenz in KabulBild: AP

Fischer besuchte am Dienstag zum ersten Mal das deutsche Wiederaufbauteam (PRT) aus zivilen Helfern und rund 250 Soldaten in Kundus. "Tief beeindruckt" zeigte er sich nach eigenen Worten von der Arbeit der etwa 230 Bundeswehrsoldaten, die in der Region für Stabilität und Sicherheit sorgen sollen, damit der zivile Wiederaufbau vorankommt. Zu ihren Aufgaben zählen Brunnen- und Straßenbau, Trinkwasserversorgung, medizinische Hilfe, Englischkurse oder Polizeiausbildung. Vor allem aber will das Team als Vermittler und Koordinator zwischen regionalen und lokalen Führern oder auch als Partner von zivilen Hilfsorganisationen tätig sein.

Fischer zog angesichts dieser Arbeit einen Vergleich zum Irak: "Das ist keine Okkupation, das ist ein UN-Auftrag." Die zivil-militärische Verknüpfung wie bei den Deutschen sei neu, lobte der Außenminister. Bei den Afghanen solle nicht das Gefühl aufkommen, "dass sie von einer fremden Macht besetzt sind". Wiederaufbau-Teams anderer Nationen würden um einiges martialischer auftreten.

Bundeswehr kaum zu sehen

Tatsächlich ist von der Bundeswehr auf den Straßen wenig zu sehen. Stattdessen stehen zu Dutzenden Verkehrspolizisten, frisch von den internationalen Truppen ausgebildet, auf den staubigen, ungeteerten Straßen und versuchen, die wenigen Autofahrer durch ihre Autorität zu beeindrucken. Pferdekutschen ziehen am Stadttor vorüber, wo ein Kontrollposten der afghanischen Behörden steht. Die Bundeswehr hat den wenigen Sicherheitskräften einen Unterstand direkt neben dem Tor gebaut. Patrouillen durch die Stadt fahren die Deutschen fast nie. Das Konzept zielt eher darauf ab, die lokalen Kräfte zu stärken.

Bei Afghanistan-Experten stößt das aber auch auf Kritik. "Die müssen mehr rausgehen", verlangt Conrad Schetter vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn. Dazu sei eine Aufstockung des Personals nötig. Bundeswehrsprecher Meinrad Angermayer räumt in Kundus ein, dass die Möglichkeiten zur Arbeit vor Ort "begrenzt" seien. So könne in dem vorläufigen Lager nur ein bestimmtes Kontingent an Soldaten untergebracht werden. Ein neues Lager am Flughafen von Kundus ist noch in Planung. 20 Männer seien aber immer unterwegs, würden mit Bürgermeistern und anderen Lokalgrößen sprechen und so versuchen, Vertrauen und Informationen zu gewinnen. Dennoch: Rund zwei Drittel der Soldaten in Kundus sind zunächst für Logistik eingesetzt.

Wahlvorbereitungen

Dazu zählt auch ein Radiosender, der von Bundeswehrsoldaten und Afghanen gemeinsam betrieben wird. Flugblätter und Zeitungen für die Bevölkerung werden verteilt, nicht zuletzt um über die Wahlen im September zu informieren.

Drogenernte in Afghanistan
Drogenernte in AfghanistanBild: AP

Fischer wird nicht müde zu wiederholen, wie wichtig dieses Datum für die Stabilisierung des Landes sei. Denn es wurden bereits Befürchtungen laut, dass lokale Machthaber ihre Pfründe zunehmend bedroht sehen könnten. Die Entwaffnung ihrer Milizen ist bisher kaum vorangekommen. Mit diesem heiklen Komplex allerdings haben die Deutschen ebenso wie mit dem Kampf gegen Drogen nicht in erster Linie zu tun. Das übernehmen andere Länder.

Weiter nach Aserbaidschan

Die Deutschen stützen vielmehr die zivile Komponente. In der Region Kundus sollen inzwischen etwa 70 Hilfsorganisationen mit 400 Mitarbeitern tätig sein. Und beim Drogenanbau soll den Menschen eine Anbau-Alternative geboten werden, wie Fischer bekräftigte. Dass dies lange dauern wird, ist ihm klar. Aber "eine unserer deutschen Eigenschaften ist es, dass wir Aufgaben, die wir begonnen haben, ungern unfertig zurücklassen."

Nach einer Übernachtung in Kabul reist Fischer an diesem Mittwoch weiter nach Aserbaidschan. Bis Freitag will der Minister auch die anderen südkaukasischen GUS-Republiken, Armenien und Georgien, besuchen. (mas)