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Fiskalpakt: Gauck unterzeichnet vorerst nicht

21. Juni 2012

Ein Kompromiss zu Fiskalpakt und Euro-Rettungsschirm ist gefunden, doch jetzt der Rückschlag: Bundespräsident Gauck wird die Gesetze zunächst nicht unterschreiben. Er wird einer Bitte des Verfassungsgerichts folgen.

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Proteste gegen den Fiskalpakt vor dem Kanzleramt (Foto: dapd)
Bild: dapd

Es schien, als sei die Zitterpartie um den europäischen Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM nach langem Ringen ausgestanden. Die Regierungskoalition aus Union und FDP verständigte sich mit den Oppositionsparteien SPD und Grüne auf ein Kompromisspaket, dem die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit sicher sein dürfte. Doch das geplante starke Signal aus Berlin an die verunsicherten Finanzmärkte und die Euro-Partner droht zu verpuffen: Bundespräsident Joachim Gauck wird die Gesetze zu ESM und Fiskalpakt wegen drohender Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht zunächst nicht unterschreiben.

Bundespräsident Joachim Gauck (Foto: dpa)
Bundespräsident Joachim GauckBild: picture-alliance/dpa

Das Präsidialamt im Wortlaut

In der Erklärung des Präsidialamtes heißt es: "Das Bundesverfassungsgericht hat heute den Bundespräsidenten vorsorglich gebeten, von einer Ausfertigung der Gesetze zum ESM und zum Fiskalvertrag zunächst abzusehen, um dem Gericht ausreichend Zeit zur Prüfung angekündigter bzw. bereits vorliegender Eilanträge zu geben." Der Bundespräsident beabsichtige, dieser Bitte in Übereinstimmung mit der Praxis zwischen den Verfassungsorganen und aus Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht stattzugeben. Die angestrebte Prüfung werde zwei bis drei Wochen dauern, sagte eine Gerichtssprecherin. Damit kann der ESM nicht wie geplant am 1. Juli starten. Klagen angekündigt haben die Linkspartei sowie einzelne weitere Abgeordnete und eine Bürgerinitiative.

Zwei-Drittel-Mehrheit steht

Monatelang hatten sie über das Thema gestritten: An diesem Donnerstag machten Bundesregierung und Opposition den Weg frei für eine Ratifizierung des Fiskalpakts im Bundestag. Bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt einigten sich Spitzenpolitiker von Koalition und Opposition auf Korrekturen der deutschen Strategie zur europäischen Krisenbewältigung.

Fiskalpakt: Gauck wartet Urteil ab

Dabei setzen sich SPD und Grüne mit der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer durch. Die Einigung sieht auch Vereinbarungen für Wachstumsimpulse, zusätzliche Investitionen und Arbeitsplätze in Europa vor. Union und FDP blockten den von der Opposition geforderten gemeinsamen europäischen Schuldentilgungsfonds ab.

Allein die Linkspartei konnte nicht mit ins Boot geholt werden. Sie bleibt bei ihrer Ablehnung und will im Bundestag dagegen stimmen.

Abstimmungen vor der Sommerpause

Der Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa muss in Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet werden, deswegen benötigt die Koalition auch Stimmen der Opposition. Die beiden Parlamentskammern sollen am 29. Juni in einer Sondersitzung über den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM abstimmen.

Allerdings steht eine Einigung zwischen Bundesregierung und den Ländern noch aus. Dazu soll es am Sonntag ein weiteres Spitzentreffen geben. Eine Zustimmung der Länderkammer wird erwartet. Die Zwei-Drittel-Mehrheit ist notwendig, weil das Grundgesetz tangiert wird.

Fiskalpakt und ESM haben rechtlich eigentlich nichts miteinander zu tun. Doch Schwarz-Gelb will die beiden Gesetze aus politischen Gründen unbedingt zusammen durch das Parlament bringen.

Opposition sieht Schuld bei der Kanzlerin

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, wies die Verantwortung für die Verzögerung beim ESM der Kanzlerin zu. Es erweise sich als "schlimmer Fehler", dass die Bundesregierung die Ratifizierung des ESM so spät in Angriff genommen habe. Oppermann betonte, in der Sache bedeute dies, dass der ESM nicht wie geplant zum 1. Juli 2012 in Kraft treten könne. Das sei angesichts der anhaltenden Turbulenzen in der Eurozone eine schlechte Nachricht.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich über die Äußerung des Gerichts ungehalten. "Ich glaube nicht, dass es klug ist, wenn die Verfassungsorgane öffentlich miteinander kommunizieren", sagte der CDU-Politiker vor einem Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg.

qu/ml (dpa, dapd, rtr, afp)