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Gereizte Stimmung in Griechenland

Janis Papadimitriou 27. März 2016

Über 50.000 Flüchtlinge und Migranten sitzen derzeit in Griechenland fest. Viele Griechen machen sich zunehmend Sorgen um Zuwanderung und Integration. Von Janis Papadimitriou, Athen.

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Flüchtlinge in Griechenland Essensausgabe in Piräus- Foto: Janis Papadimitriou
Bild: DW/J. Papadimitriou

Kioskbesitzer Fanis blättert durch die aktuelle Tagespresse. Überall fette Schlagzeilen - die Anschläge in Brüssel, das Flüchtlingsdrama im östlichen Mittelmeer und nicht zuletzt die Wirtschaftskrise erregen die Gemüter. Derzeit sorgt vor allem die Flüchtlingspolitik für lebhafte Diskussionen in der griechischen Öffentlichkeit. Die bekommt Fanis oft mit, da sein bunter Kiosk als Informations- und Kontaktbörse für das gesamte Stadtviertel gilt. "Es ist doch seltsam", sagt der Familienvater im Gespräch mit der DW, "viele Menschen hier in der Gegend zeigen das größte Verständnis für die Geflüchteten und sie finden furchtbar, was gerade in Syrien passiert. Aber wenn es darum geht, Flüchtlinge in der eigenen Nachbarschaft aufzunehmen, ist das wiederum eine andere Geschichte".

Und wie lautet seine Meinung zum Thema Flüchtlinge? Da müsse man schon differenzieren, meint Fanis. Traditionell seien die Menschen in Syrien den Griechen freundlich gesinnt, viele Syrer seien schließlich Christen. Außerdem, so Fanis, dürfe man nicht vergessen, dass viele Griechen nach dem verlorenen Krieg gegen die Türkei in den frühen zwanziger Jahren den umgekehrten Weg zurücklegten und damals als Flüchtlinge in Syrien Schutz suchten. Fazit: "Ich weiß, dass die allermeisten Syrer nicht in Griechenland bleiben wollen, sondern lieber nach Nordeuropa weiterreisen, aber ich würde es ihnen bestimmt nicht übel nehmen, wenn sie blieben", sagt der eloquente Kioskbesitzer. Und er fügt hinzu: "Ehrlich gesagt glaube ich auch gar nicht, dass diese Menschen im Norden Europas wirklich leben könnten, dazu sind die kulturellen Unterschiede einfach zu groß, finde ich jedenfalls."

Kioskbesitzer Fanis. Foto: Janis Papadimitriou
Kioskbesitzer Fanis bemüht sich, beide Seiten zu verstehenBild: DW/J. Papadimitriou

Streit um die Neuankömmlinge

Bleiben oder nicht bleiben in Hellas? Für viele Flüchtlinge stellt sich die Frage eindringlich, nachdem die sogenannte Balkan-Route, die lange Zeit über die Türkei nach Griechenland und weiter nach Mitteleuropa führte, für geschlossen erklärt wird. Selbst wenn die Rückführung nach dem jüngsten EU-Türkei-Abkommen reibungslos funktioniert, würden davon die 50.000 Menschen nicht erfasst, die bereits vor Inkrafttreten des Abkommens nach Hellas gelangten. Die Regierung in Athen scheint sich damit abzufinden. Dafür spricht jedenfalls die Dezentralisierung der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen: Nicht nur auf den ostägäischen Inseln sollen Auffanglager entstehen, sondern zunehmend auch auf dem Festland.

Nicht alle finden das gut: Im nordwestgriechischen Doilana kam es zuletzt zu turbulenten Szenen, als hunderte Anwohner gegen die Ankunft von 210 Flüchtlingen protestierten und die Zufahrtstraße zu ihrer Herberge sperrten. Diese sei nämlich schon voll, erklärten die Protestler von Doliana. Sie wollten es nicht zulassen, dass in ihrem Dorf, ähnlich wie etwa am Grenzort Idomeni oder im Hafengelände von Piräus, Zelte für die Neuankömmlinge aufgeschlagen werden. Nach langer Unterredung wurden die Flüchtlinge zunächst in die nahegelegene Provinzhauptstadt Ioannina und 24 Stunden später ins westmakedonische Giannitsa gebracht.

Eloni Mohamad kann diese aufgebrachten Reaktionen nicht verstehen. Der gebürtige Ägypter ist fast schon ein halber Grieche, da er seit 22 Jahren in Piräus lebt und dort als Bauarbeiter eine Existenz aufgebaut hat. In seiner Freizeit besucht der 52-Jährige das Zeltlager im Hafengelände von Piräus und hilft freiwillig bei der Betreuung von arabisch-sprachigen Flüchtlingen und Migranten. "Ich selbst komme unregelmäßig hierher und bin mit Sicherheit nicht der einzige, der unentgeltlich einspringt", sagt er bescheiden. "Aber wenn ich gerade keine Arbeit habe, schaue ich halt gerne vorbei und frage dann, ob jemand etwas braucht, ob ich vielleicht bei der Übersetzung und der Kontaktaufnahme mit den Behörden helfen kann", so Eloni Mohamand im Gespräch mit der DW.

Helfer Eloni Mohamad. Foto: Janis Papadimitriou
Eloni Mohamad hilft Flüchtlingen gerneBild: DW/J. Papadimitriou

Streit um die NGOs

Derzeit können die Flüchtlinge jede Hilfe gebrauchen. Doch leider kommt es wegen der knappen Ressourcen auch zu Streitereien in den überfüllten Camps. Auch Protestaktionen von Flüchtlingen, die lautstark die Öffnung der Grenzen fordern, sorgen für Aufregung in der griechischen Öffentlichkeit. Anfang dieser Woche kam es zu Spekulationen, dass das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) Idomeni aus "Sicherheitsgründen" verlassen würde. Anschließend legten die "Ärzte ohne Grenzen" ihre Arbeit dort vorübergehend nieder. Entwarnung kam jedoch wenig später: Im TV-Sender Skai versicherte UNHCR-Mitarbeiter Petros Mastakas, seine Teams würden die Menschen in Idomeni nicht im Stich lassen.

Ärzteteam . Foto: Janis Papadimitriou
Ärzte versuchen trotz überfüllter Camps durchzuhaltenBild: DW/J. Papadimitriou

Im Hafengelände von Piräus kümmert sich insbesondere das Rote Kreuz um Flüchtlinge und Migranten. "Seit Mai 2015 sind wir im Einsatz, in den letzten Monaten sind vor allem unsere freiwilligen Ärzte und Krankenpfleger gefragt hier in Piräus", erläutert Koordinatorin Ioanna Fotopoulou. Vormittags stehe Kleinkindern auch ein Spielplatz zur Verfügung. Zudem würden täglich Bettdecken, trockene Nahrungsmittel, 1000 Flaschen Wasser und Infomaterial in mehreren Sprachen verteilt, berichtet die RK-Mitarbeiterin.