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Flüssiggas für Europa

20. April 2009

In Norwegen wird Flüssiggas produziert, das entlang der europäischen Küste in die Verteilersysteme gepumpt wird. Die Technologie soll Europa mehr Unabhängigkeit von russischen Quellen verschaffen.

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Gas-Pipelines (Foto: AP)
Flüssiggas braucht keine Pipelines mehrBild: AP

Melkøya, eine kleine Insel bei Hammerfest am nördlichsten Zipfel Norwegens. Wo einst Schafe grasten, ging im Herbst 2007 die größte Erdgasverflüssigungsanlage Europas in Betrieb. Unglaubliche sieben Milliarden Euro hat das internationale Snøvith-Konsortium unter Führung des norwegischen Statoilhydro-Konzerns hier investiert.

Von gasförmig zu flüssig bei minus 163 Grad Celsius

Die mächtigen Erdgas-Verflüssiger standen bislang ausnahmslos in warmen Regionen. Eine solche Anlage aber 600 Kilometer nördlich des Polarkreises zu errichten, sei etwas ganz anderes, sagt Statoilhydro-Manager Odd Mosbergvik. Er trägt die Verantwortung für das gewagte Industrieprojekt. Die größte Herausforderung sei das extreme Klima in der Arktis, meint er. Außerdem habe es praktisch keine Infrastruktur gegeben. Teile der Anlage seien deshalb in Spanien vormontiert worden - die bis zu 40.000 Tonnen schweren Module seien dann auf dem Seeweg nach Hammerfest gebracht worden. "Für viele technische Vorgänge brauchten wir völlig neue Lösungen", berichtet er.

Das Erdgas, das auf Melkøya verflüssigt wird, stammt aus der Barentsee. Etwa 90 Grad heiß kommt es mit enormem Druck aus der Tiefe geschossen. Das Gas wird durch Wärmetauscher geleitet, in denen es immer weiter abgekühlt wird. Bei minus 163 Grad Celsius schrumpft es dann auf ein Sechshundertstel seiner ursprünglichen Größe zusammen und verflüssigt sich. Um die Unmengen von Energie bereit zu stellen, die die Kühlung verbraucht, musste der Konzern eigens ein Gaskraftwerk errichten. Mit der Leistung dieses Werkes, 230 Megawatt im Jahr, ließe sich auch eine Kleinstadt mit 40.000 Einwohnern versorgen.

Förderung ist risikoreich

Blick in die Arktis: Auf dem Meer schwimmen Eisschollen (Foto: AP)
Das arktische Klima stellte das norwegische Unternehmen vor ProblemeBild: AP

Vor Hammerfest gibt es keine Bohrinseln. Die Produktion läuft über ferngesteuerte Förderanlagen in rund 300 Metern Wassertiefe. Über Glasfaserkabel laufen die Signale zu Technikern wie Oyvind Eiken. Er steuert im Kontrollraum den Gasfluss über die Ventile der Pumpstationen am Meeresgrund bis hinein in die "Coldbox", dem Herzstück der Industrieanlage. Störfälle, wie zum Beispiel Lecks in den Rohrleitungen am Meeresboden seien eine ständige Gefahr, erzählt er, aber im Großen und Ganzen habe sich die Technik bewährt. "Unsere größte Befürchtung ist, dass wir das Gas nicht wie versprochen liefern können und dadurch unseren guten Ruf verlieren", sagt er.

Die Sorge ist nicht unbegründet. Weil die Kühlanlage zunächst nicht funktionierte, wurde das Gas in einer weithin sichtbaren Fackel monatelang einfach abgebrannt. Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids wurden in den Polarhimmel geblasen. Umweltschützer wie Uni Berge von der einflussreichen Organisation "Bellona" liefen Sturm gegen den Staatskonzern. Sie seien gegen den Bau der Anlage gewesen, weil sich das neue Kraftwerk kaum mit den Klimazielen Norwegens vereinbaren ließe, sagt der Umweltschützer. Nun wollten sie dafür sorgen, dass strenge Auflagen eingehalten werden. "Zum Beispiel darf es keinerlei Einleitungen ins Meer geben", fordert er. Aber da hielte man sich nicht dran.

Gas-Export in die USA

Der große Aufwand macht die Energie aus dem Norden etwa 30 bis 50 Prozent teurer als gewöhnliches Pipeline-Gas. Doch die Norweger setzen auf einen rapide wachsenden Markt. Odd Mosbergvik meint, dass Flüssiggas bereits ein Viertel des globalen Gashandels ausmache. Auch würde es immer wichtiger werden, vor allem, wenn es um weite Transportwege ginge, bei denen sich der Bau von Pipelines nicht mehr lohne. "Wir haben gute Anschlüsse nach Europa, auch die deutsche Regierung hat schon ihr Interesse bekundet", erzählt er. Doch zunächst seien die USA die wichtigsten Abnehmer.

Zehn Tage brauchen die Gastanker bis Maryland an der Ostküste der Vereinigten Staaten, sechs Tage dauert die Passage ins spanische Bilbao. 150.000 Kubikmeter Flüssiggas fassen die riesigen Schiffe, die in Zukunft verstärkt auch europäische Häfen anlaufen könnten, sobald es die nötigen Terminals gibt. Dort wird das flüssige Gas wieder in seinen Urzustand versetzt und ins Gasnetz eingespeist.



Autor: Alexander Budde
Redaktion: Mareike Röwekamp