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Flammen des Hasses

Carla Bleiker / cr21. Juli 2015

In Deutschland häufen sich Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Kommunen im ganzen Land sind betroffen - ein Zeichen für eine zunehmend angespannte Atmosphäre.

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Deutschland Brand in künftiger Asylbewerberunterkunft in Remchingen bei Karlsruhe
Bild: picture-alliance/dpa/SDMG/Dettenmeyer

Sie kommen aus Syrien, Eritrea oder dem Kosovo: Flüchtlinge, die ihre vom Krieg gebeutelten Heimatländer verlassen, oft nur mit dem, was sie am Leibe tragen. Sie hoffen auf ein sicheres und besseres Leben in Deutschland. Allein von Januar bis Juni dieses Jahres beantragten 179.037 Menschen Asyl in Deutschland. Doch immer offener machen viele Menschen in ganz Deutschland klar: Sie wollen keine Flüchtlingsunterkünfte in ihrer Nachbarschaft. Und sie zeigen ihre Feindseligkeit nicht nur bei Bürgersprechstunden oder bei Protestmärschen. Allein in diesem Jahr gab es 13 Brandanschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte oder auf Häuser, in denen bereits Flüchtlinge wohnten.

Nicht klein beigeben

Beim jüngsten Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Remchingen, einer Kleinstadt im Südwesten Deutschlands, entstand ein Sachschaden von rund 70.000 Euro. Das leer stehende Haus sollte Heimat für Asylbewerber werden, bevor es am Samstagmorgen in Flammen aufging.

Letzten Donnerstag, andere Gegend, gleiche Szene: In der Kleinstadt Reichertshofen in Bayern zündeten Unbekannte ein Gebäude an, in das ab September 67 Flüchtlinge einziehen sollten. Der Bürgermeister von Reichertshofen, Michael Franken, zeigte sich schockiert. "Jetzt erst recht!" schrieb er in einer Mitteilung - trotz allem sollen ab dem 1. September Flüchtlinge nach Reichertshofen kommen.

Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte 2015 Deutsch (Grafik: DW)

Die Brandanschläge sind nicht auf eine bestimmte Region in Deutschland begrenzt: In der ostdeutschen Stadt Zossen zündeten zwei Männer, die zur rechtsextremen Szene gehören, mutmaßlich ein geplantes Flüchtlingsheim an; in der westdeutschen Stadt Coesfeld ging ein Zelt, in dem Flüchtlinge wohnten, in Flammen auf; im norddeutschen Escheburg warf ein 38 Jahre alter Familienvater einen brennenden Benzinkanister in ein Haus, in das irakische Flüchtlinge einziehen sollten; in der bayerischen Stadt Hepberg versuchten Unbekannte einen Wohncontainer in Brand zu setzen.

Die meisten dieser Attacken richten sich bislang auf geplante Flüchtlingsheime. Viele dieser Häuser wurden angezündet, Monate bevor die Flüchtlinge ankamen, manche Wochen oder Tage davor. "Die Täter lehnen die deutsche 'Willkommenskultur' ab", sagt Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung, der DW. Die Stiftung kämpft gegen Rassismus, Fremdenhass und Rechtsextremismus in Deutschland. Lüdecke glaubt, dass die Brandstifter Teil der rechtsextremen Szene in Deutschland sind.

Erst Proteste, dann der Anschlag

"Diese Taten zeigen, dass rechtsextreme Gruppen auf dem Vormarsch sind", sagt Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, im DW-Interview. "Die Brandstifter wollen klar machen, dass sie nach all den Protesten wirklich etwas tun und die Dinge selbst in die Hand nehmen."

Das schimmste in dieser Situation wäre, wenn die lokale Politik Flüchtlinge in andere Regionen schicken würde, als ursprünglich geplant, betont Lüdecke. "Zurückstecken wäre ein Disaster. Stattdessen müssen die Verantwortlichen deutlich machen, dass sie sich nicht von einer rechten Minderheit vorschreiben lassen, was zu tun ist."

Behörden in der Pflicht

Deutschland Brand in zukünftiger Asylbewerberunterkunft (Foto: DPA)
Trotz des Anschlags sollen Flüchtlinge nach Reichertshofen kommenBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Aber wie lassen sich solche Angriffe verhindern, in einer Gesellschaft, die offenbar immer weniger Verständnis und Akzeptanz für Flüchtlinge zeigt? "Die Kommunen müssen sicherstellen, dass die Bürger von Anfang an mit einbezogen werden“, sagt Lüdecke. "Sie müssen den Menschen erklären, warum die Flüchtlinge kommen und vor welchen Gräueln sie fliehen. Und sie brauchen qualifiziertes Personal, das die Bürger während des gesamten Prozesses informiert." Auch Zick fordert gut ausgebildete Männer und Frauen, die im Dialog mit Bürgern und Flüchtlingen den Weg der Integration gehen. Auch Politiker seien gefordert: Sie müssten die Kommunen unterstützen und sich vor Ort zeigen.

Doch zunächst bleibt die Atmosphäre in Deutschland angespannt. Die Anzahl der Menschen, die Asyl beantragen, wird in absehbarer Zukunft weiter steigen. Und die Gefahr von Brandanschlägen ist nicht gebannt: Erst kürzlich verbreiteten Rechtsgesinnte im Internet eine inzwischen gelöschte Landkarte, die es fremdenfeindlichen Brandstiftern besonders leicht machte. Auf ihr waren fertige und geplante Flüchtlingsunterkünfte eingezeichnet.