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Flammen im Paradies

Klaudia Prevezanos19. November 2002

Gewalt gehört in Indonesien fast zum Alltag. Doch bisher waren es vor allem kleine Gruppen, die ihre Interessen durchsetzen wollten. Das könnte als Folge des Attentats nun anders werden.

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Dem Grauen entfliehen: Die Touristen verlassen KutaBild: AP

In der Kneipenmeile Jalan Legian im indonesischen Kuta loderten noch die Flammen, da hatte die australische Regierung schon einen Verdächtigen zur Hand: Die radikale Moslemorganisation Dschammah Islamijah könnte hinter den Terroranschlägen auf der Ferieninsel Bali stecken, sagte Außenminister Alexander Downer. Eine Gruppe, die seiner Meinung nach Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida unterhalte. Indonesien macht ebenfalls die Extremistenorganisation Al Kaida für den Anschlag verantwortlich.

Rüdiger Siebert, Indonesien-Experte der Deutschen Welle, warnt hingegen vor voreiligen Schlüssen. Es liege zwar nahe, die Attentäter im internationalen Netzwerk des Terrorismus zu vermuten. Aber ebenso müsse der Frage nachgegangen werden, ob die Bomben im innerindonesischen Machtkampf gezündet worden seien.

"Jemaah Islamiyah traut man das Attentat am ehesten zu, weil die Gruppe auch internationale Kontakte hat", sagt Peter Kreuzer von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt am Main, im Gespräch mit DW-WORLD. Man wisse über sie und ihre Anführer aber fast nichts, sagt der Südostasien-Experte.

Bei dem Anschlag am Samstagabend (12. Oktober 2002) auf Bali sind mindestens 188 Menschen getötet worden, die meisten sind ausländische Touristen. Dutzende Opfer werden wegen schwerer Brandverletzungen behandelt. Eine Deutsche, die auf Bali lebte, war am Sonntag tot geborgen worden. Zehn weitere Deutsche wurden zum Teil schwer verletzt. Acht werden nach Angaben des Auswärtigen Amtes noch vermisst.

Deutsche Studenten bleiben auf Bali

"In einem der beiden zerstörten Clubs waren wir eigentlich ständig", sagt Ramona Vorbrich im Gespräch mit DW-WORLD. Dass aus ihrer Gruppe zum Zeitpunkt der Bombenexplosion keiner dort war, sei Zufall, sagt die Deutsche, die an der Universität von Denpasar einige Monate studiert. "Wir waren an dem Abend später dran als sonst." Sie seien bestürzt und gleichzeitig froh, dass von ihnen niemand verletzt wurde, fasst die 26-Jährige die Stimmung zusammen. Von den 132 deutschen Studenten an der Udajana-Universität wollten am Montag nach dem Unglück nur vier nach Hause fahren. Die anderen halten sich an die Sicherheitsempfehlungen der Botschaft: Touristische Treffpunkte und Menschenmengen meiden, nicht auf die Nachbarinseln reisen, am Besten im Haus bleiben. "Die Einheimischen entschuldigen sich immer wieder bei uns Ausländern für das, was passiert ist", sagt die Deutsche. Dabei seien nach ihren Informationen auch über 100 Einwohner betroffen, Taxifahrer oder Angestellte der Diskotheken.

Mit einem derartigen Anschlag in Indonesien war laut Kreuzer nicht zu rechnen. "Im Land gibt es zwar sehr viel Gewalt. Die geht aber von lokalen Anführern mit lokalen Anliegen aus", sagt der Wissenschaftler. Und auf Bali, das vor allem vom Tourismus lebt, habe es bisher noch keine Vorkommnisse gegeben. Auf den anderen Inseln des Landes sind Bürgerkriege wie auf den Molukken, Pogrome gegen Minderheiten wie den Madoresen auf West-Kalimantan oder Lynchmorde an einfachen Kriminellen hingegen fast an der Tagesordnung. "Indonesien hat ganz klar ein Sicherheitsproblem", sagt Kreuzer. In einigen Regionen wie den Molukken oder Aceh sind Polizei- und Rechtssystem zusammengebrochen. Stattdessen haben halbkriminelle Bürgerwehren das Sagen.

Folgen der Transmigrasi-Politik

Vor allem Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommen in dem Vielvölkerstaat mit fast 90 Prozent Moslems immer wieder vor. So haben Angehörige der Dajak-Stämme 1997 und 1999 Hunderte von Madoresen auf West-Kalimantan getötet. Hintergrund der Gewalt ist nach Meinung von Südostasien-Experte Kreuzer auch die Transmigrasi-Politik der indonesischen Regierung aus den siebziger und achtziger Jahren.

Mit Geld der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds wurden seinerzeit ganze Familien umgesiedelt, um die am dichtesten bewohnten Inseln Java und Bali zu entlasten und Außeninseln wie Sumatra, Kalimantan oder Südsulawesi zu erschließen. Allein zwischen 1980 und 1985 wurden 2,2 Millionen Menschen umgesiedelt. "Wenn sie in einem Gebiet mit 100.000 Bewohnern 200.000 Menschen neu ansiedeln, bringt das erhebliche Veränderungen mit sich", sagt Konfliktforscher Kreuzer. Heute finden die Umsiedlungen im kleineren Umfang und ungezielt statt: Bevölkerungsgruppen suchen sich selbst neue Regionen, in denen sie leben wollen.

Gewalt heruntergespielt

Bislang hat die Regierung die Gewalt im Land weitgehend heruntergespielt, obwohl sie ein erhebliches Problem darstellt. Am internationalen Terrorismus seien die lokalen Gruppen nach Meinung von Kreuzer jedoch nicht beteiligt. "Die haben weder die Kontakte noch die Logistik dazu." Das kann sich als Folge des Attentats auf Bali nun jedoch ändern. Der Druck auf die Regierung von Präsidentin Megawati Sukarnoputri, sich der internationalen Allianz gegen den Terrorismus anzuschließen, wird sich weiter erhöhen. Mögliche Folge: Anti-amerikanische Moslem-Gruppen im Land werden dies als Kniefall vor den USA bewerten. "Das kann zur Solidarisierung mit der Dschammah Islamijah und zur Radikalisierung führen", fürchtet Friedensforscher Kreuzer.