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Fleischverbot in Gent

4. Januar 2010

In der belgischen Stadt Gent ist donnerstags immer Vegetariertag. Auch in den Schulkantinen sollen die Kinder lernen, Geschmack an Gemüse zu finden. Nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem Klima zuliebe.

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Ein durchwachsenes, rohes Rindersteak (Foto: dpa)
Das kommt donnerstags definitiv nicht auf den TischBild: dpa

Ein Donnerstagmittag an der Freinetschool De Boomgard, eine Grundschule in Gent. 226 Kinder gehen hier zur Schule. In der Kantine wird das Mittagessen ausgegeben – wie jeden Donnerstag, ohne Fleisch. "Heute ist ein vegetarischer Tag, heute essen alle vegetarisch. Man darf kein Fleisch mitnehmen", sagt der elfjährige Jakob Preuss.

Seit September 2009 gibt es an allen 35 Schulkantinen in Gent nur vegetarische Gerichte. Soja und Tofu statt Spaghetti Bolognese? Jakobs Mitschüler Arend hat auch zu Hause nichts dagegen. "Wir essen öfter vegetarisch als Fleischgerichte. Und vegetarische Burger können auch ab und zu ganz lecker sein."

15.000 Liter Wasser für ein Kilo Fleisch

Kinder beim Essen in der Schulkantine der Freinetschool De Boomgard in Gent (Foto: Nina Haase)
Donnerstags kommt bei Genter Schülern kein Fleisch auf den Mensa-TischBild: DW

Gemüse ist nicht nur gesund, sondern schmeckt auch gut. Das sollen schon die Kleinsten lernen. So will die Stadt Gent dem Übergewicht von Kindern vorbeugen. Doch den Initiatoren des Veggie-Tages geht es nicht nur um eine gesündere Ernährung. Für die Herstellung von einem Kilo Rindfleisch braucht man geschätzte 15.000 Liter Wasser. Und: Nach Angaben der UNO sind die weltweiten Tierherden für mindestens ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Weniger Fleischkonsum bedeutet also auch Ressourcen- und Klimaschutz. Das weiß auch der 11-jährige Jakob. Er macht sich Sorgen um die Zukunft. "Wenn wir so weitermachen, wird es die Erde in ein paar Hundert Jahren nicht mehr geben." Er selbst versucht deshalb, viel Fahrrad zu fahren. Und eben weniger Fleisch zu essen. "Sonst wird die Erde ganz kaputt gemacht und viele Tiere sterben."

1800 Tiere pro Belgier

Ein durchschnittlicher Belgier verspeist in seinem Leben rund 1800 Tiere. Schon mit einem fleischfreien Tag pro Woche könnten 250 Tiere gespart werden. So steht es in der Informationsbroschüre, die die Schulen von der Stadt Gent erhalten. Seit der Einführung des vegetarischen Tages wird an der Boomgard-Grundschule auch im Unterricht noch mehr über Ernährung – und besonders über Fleischkonsum – gesprochen. Mehr als 90 Prozent der Eltern unterstützen den Veggie-Tag, erzählt Schulleiterin Caroline Van Nevel. "Es ist gut, dass wir diesen einen verpflichtenden Tag haben, aber es wäre nicht gut, wenn wir das für alle und an jedem Tag zur Pflicht machen würden." Essen ist schließlich eine sehr persönliche Angelegenheit für die Familien, sagt sie. Und so führt schon der eine fleischfreie Tag zu Diskussionen daheim. "Die Kinder kommen nach Hause und sagen: Morgen esse ich kein Fleisch. Dann sagt der Vater vielleicht: Nicht mit mir in meinem Haus - wir essen, was wir wollen." Aber das sei ja auch in Ordnung, sagt Van Nevel.

Mein Teller gehört mir

Wichtig sei, dass überhaupt über die Folgen von Fleischkonsum nachgedacht würde, meint auch Tobias Leenaert. Er arbeitet für EVA, die belgische Vegetarierorganisation, die die Idee zum vegetarischen Donnerstag hatte. Anders als das Fahren übergroßer Geländewagen gilt hoher Fleischkonsum noch als gesellschaftsfähig, es wird nicht sozial geächtet. Doch auch das werde sich ändern, sagt Leenaert. Alles eine Frage der Zeit. "Noch sagen wir, es ist meine Angelegenheit und mein Teller, du hältst dich da raus. Aber das ist schlicht unsozial. Es wird immer offensichtlicher, dass unser Essverhalten Folgen hat. Wenn die Menschen das verstehen – und das werden sie – werden sie ihr Essverhalten auch ändern."

Schulleiterin Van Nevel und zwei Schüler der Freinetschool De Boomgard in Gent (Foto: Nina Haase)
Der Tag regt zu Diskussionen an, sagt Schulleiterin Van NevelBild: DW

Der "Donderdag, VeggieDag", wie der vegetarische Donnerstag auf Flämisch heißt, stößt auf großes Interesse - aus der ganzen Welt rufen Journalisten und Politiker in Gent an, um Näheres zu erfahren. In Belgien sind schon zwei weitere Städte dem Beispiel gefolgt und in Kolumbien wird überlegt, einen wöchentlichen Veggie-Tag im ganzen Land einzuführen. Popstar Paul McCartney macht bei öffentlichen Veranstaltungen Werbung für die Genter Initiative. Und auch bei den meisten Einwohnern von Gent kommt die Kampagne gut an.

Restaurants ziehen mit

Auch in vielen Genter Restaurants gibt es donnerstags mittlerweile eine separate vegetarische Speisekarte. Und die Stadt ist stolz darauf, dass sie angeblich die höchste Dichte an komplett vegetarischen Restaurants pro Kopf in ganz Europa aufweisen kann. Im "Greenway", einem der 94 vegetarischen Restaurants, bietet Inhaber Paul Florizoone vegetarische Kochkurse an. "Letztes Jahr waren viele ältere Leute dabei, die sehr interessiert waren. Sie wollten unbedingt vegetarisch kochen, wussten aber nicht wie." Die Botschaft der Vegetarier sei angekommen, und in Flandern glaubten die Menschen daran. "Natürlich werden jetzt nicht alle zu Vegetariern, aber so langsam ändert sich die Mentalität. Das spürt man."

An der Boomgard-Grundschule wächst die jüngere Generation wie selbstverständlich mit fleischfreien Gerichten auf. Und so hat Jakob eine klare Vision, in welcher Welt er einmal leben will: "Alle Vegetarier, aber bei ganz großen Festen schon mal Fleisch, aber wenig, und keine Autos mehr und keine großen Fabriken."

Autorin: Nina Haase

Redaktion: Manfred Götzke