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Flosse statt Schraube

10. März 2010

Schiffsschrauben haben einen großen Nachteil: Sie verwirbeln das Wasser derart stark, dass sie Uferböschungen schädigen können. Deshalb basteln Forscher an einem neuartigen Antrieb, inspiriert durch die Welt der Fische.

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Fisch-Schwarm (Foto: AP)
Den Fischen abgeschaut ...Bild: AP

Bernhard Köhler wirft die Schneidemaschine an. Rasend schnell rotiert die Klinge, begleitet von einem sirrenden Heulton. "Eine umgebaute Fleischschneidemaschine", erklärt der Biologe der Technischen Universität Darmstadt. "Mit sauberer Führung und scharf umlaufenden Schneidemesser!" Was Köhler da schneidet, wird klar, wenn der Blick auf Dutzende von Einmachgläsern fällt, die sich in den Regalen stapeln: Es sind Tierpräparate in Formaldehyd – Forellen, Makrelen und Doraden, fein säuberlich in Scheibchen geschnitten.

Mit diesen Präparaten versuchen Köhler und seine Leute herauszufinden, wie im Detail jene Muskelfasern verlaufen, mit denen es Fischen gelingt, sich flink und effektiv durchs Wasser zu bewegen. Genau diese biologischen Strukturen möchten die Forscher dann nachzubauen – mit Metallgestängen, Elektromotoren und Computersteuerung. Das Ziel: ein neuartiger, alternativer Schiffsantrieb, der der Schwanzflosse eines Fisches nachempfunden ist und der die heutigen Schiffsschrauben eines Tages ersetzen könnte.

Die nämlich können erhebliche Umweltschäden verursachen, etwa in Venedig. Die unzähligen Motorboote, die jeden Tag durch den Canal Grande und seine Seitenkanäle brausen, wühlen das Wasser so stark auf, dass sie Teile der Fundamente der flankierenden Palazzi regelrecht unterspülen. Köhlers Idee: Könnte man die Schiffsschraube durch eine mechanische, sachte schwingende Schwanzflosse ersetzen, so würde man weniger Wasserdruck erzeugen und damit weniger Schäden in Seen, Flüssen und Kanälen.

Fischroboter (Foto: TU Darmstadt)
Smoky ohne Latex-HautBild: TU Darmstadt

Vorbild Dorade

Doch lässt sich diese Idee in die Tat umsetzen? Um das herauszufinden, haben die Forscher einen Prototyp gebaut – einen Fischroboter namens Smoky. Grundlage ist ein mechanisches Skelett in Fischform, rund einen Meter lang, zusammengesetzt aus zehn Segmenten, verbunden durch eine biegsame Stange. "Normalerweise ist der Fisch mit einer Latexhaut umgeben", erläutert Physikingenieurin Britta Abé. "Diese Haut kann man dem Skelett wie ein Kleid anziehen. Anschließend lässt sich der ganze Fisch ins Wasser setzen."

Vorbild für Smoky war eine Dorade, ein beliebter Speisefisch aus dem Mittelmeer, dessen Form vergleichsweise einfach nachzubauen ist. Allerdings ist der Roboter deutlich größer als eine echte Dorade, etwa fünfmal so groß. Auch wenn die Forscher die Seiten- und Rückenflossen weggelassen haben, sieht Smoky halbwegs nach Fisch aus. Angetrieben wird er durch acht wasserdichte Elektromotoren, gesteuert durch einen Computer.

Fischroboter (Foto: TU Darmstadt)
Smoky mit Latex-HautBild: TU Darmstadt

Smoky schwächelt noch

Die Software regelt die Motoren so, dass eine Welle über den Fischkörper bis zum Schwanz läuft, was eine reale Fischbewegung imitiert. Zwar haben die Darmstädter ihren Roboterfisch schon mehrmals im Wasser getestet. Zufrieden aber sind sie mit den Versuchen noch nicht.

"Smoky kam zwar von der Stelle", sagt Bernhard Köhler. "Aber er war viel zu langsam." Deshalb versuchen die Forscher nun, die Effizienz ihres Roboterfisches deutlich zu steigern.

Sowieso: Ein Schiff mit Flossenantrieb würde wohl deutlich anders aussehen als Smoky. Denn für einen Schiffsantrieb wollen die Forscher nicht einen kompletten Fischkörper einsetzen, sondern nur eine mechanische Flosse. Sie soll an einem Stiel am Bootsrumpf montiert und zwei oder höchstens drei Gelenke besitzen statt zehn wie der Roboterfisch.

Wie so eine Roboterflosse aussehen könnte, untersuchen Köhler und Abé mit einem kleinen Modell. Es wird durch Pressluft angetrieben und zuckt – wenn auch noch etwas ungelenk – auf Knopfdruck von links nach rechts. "Wahrscheinlich ist es besser, die Bewegung nicht horizontal laufen zu lassen, sondern vertikal, so wie es der Wal macht", vermutet Britta Abé. "Dann könnte man die Schwanzflosse deutlich breiter machen und die gesamte Schiffsbreite ausnutzen, was den Vortrieb deutlich steigern würde."

Eine originelle Idee. Doch, um sie umzusetzen, ist noch einiges an Grundlagenarbeit nötig. Die Hauptfrage: Wie im Detail muss eine mechanische Flosse aussehen, die möglichst viel Kraft ins Wasser bringt und damit genügend Vortrieb für das Schiff? Probleme, mit denen die Tüftler in Darmstadt noch einige Zeit zu tun haben werden.

Autor: Frank Grotelüschen

Redaktion: Judith Hartl