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Flut in Thailand

12. November 2011

Die Lage in den thailändischen Hochwassergebieten bleibt dramatisch. Doch die Wirtschaft des Landes wird die Folgen der Flut verkraften können, wenn sich die Schuldenkrise in Europa und den USA nicht verschärft.

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Thailändische Famile setzt vom Boot aus Gaben an die Wassergeister aus (Foto: dpa)
Die Einwohner Bangkoks haben es schwer, Loy Krathong zu feiernBild: picture alliance / dpa

Die Behörden in Bangkok tun alles, um die Stadt möglichst schnell von den Wassermassen zu befreien. Obwohl einige Viertel verschont geblieben sind, handelt es sich um die schwerste Flut seit 1942. Die Überschwemmungen verlangsamen nicht nur die Wirtschaft und behindern das tägliche Leben, sondern machen es auch fast unmöglich, das traditionelle Loy Krathong Fest zu feiern, bei dem zu Ehren der Wassergeister Räucherstäbchen und Kerzen in Körbchen auf dem Wasser ausgesetzt werden.

Bunte Schwimmer hängen von der Decke, um den Wassergeistern geopfert zu werden (Foto: AP)
Thailänder kaufen Opfergaben für die WassergeisterBild: AP

Wann die Wassergeister die Fluten aus dem Land lassen, bleibt ungewiss. Jost Pachaly, Direktor der Heinrich-Böll-Stiftung in Südostasien mit Sitz in Bangkok, betont, dass der hohe Wasserstand nicht unbedingt das Hauptproblem sei. "Viele Menschen in Bangkok sagen, dass selbst, wenn das Schlimmste überstanden ist, viele Gegenden vier bis fünf Wochen noch von dem Hochwasser betroffen sein werden."

Wirtschaftswachstum bricht ein

Thailand ist einer der wichtigsten Zulieferer für die Automobil- und Computerindustrie. Die Fluten haben die Produktion fast zum Erliegen gebracht, und die thailändische Zentralbank hat ihre Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Der Gouverneur der Bank, Prasarn Trulratvorakul, senkt "die Vorhersagen von 4,1 Prozent im Juli auf 2,6 Prozent im Oktober".

Er weist darauf hin, dass die Industriestandorte rund um Bangkok am stärksten betroffen seien: "Die Industrieanlagen wurden vom Wasser beschädigt. Ich denke, dass die Wirtschaft mit den Folgen der Flut noch eine ganze Weile kämpfen wird."

Automobilindustrie lahmt

Auch Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung bestätigt, dass die Produktion wegen beschädigter Anlagen eingebrochen sei. Das werde die Automobilindustrie insgesamt beeinflussen und insbesondere die japanische Wirtschaft, da viele japanische Autobauer ihre Zulieferer in Thailand haben.

Ein Bauer pflugt mit seinem Wasserbüffel sein Reisfeld in der Nähe von Bangkok
Reiseanbau und -ernte wird schon bald nach der Flut wieder möglich sein

Der Leiter der asiatischen Entwicklungsbank in Bangkok, Craig Steffensen, sagt, Honda Motors, eine der größeren Fabriken in Thailand, habe gemeldet, dass sie sechs Monate benötige, um die Produktion wieder anzufahren, "und ich möchte hinzufügen, dass der Regen in sieben Monaten von neuem beginnen könnte. Die Reparaturarbeiten sind also ein Wettrennen gegen die Zeit."

Thailand ist Südostasiens Zentrum für die Automobilindustrie. Die Erholung der thailändischen Wirtschaft hängt nicht nur von der Instandsetzung der Produktionsstätten ab, sondern auch von der Entwicklung der Schuldenkrise. Steffensen hält es für diskutabel, ob der Einbruch des Wirtschaftswachstums von 1,5 Prozent "von der Flut oder von den Problemen der Eurozone, den USA und anderswo verursacht worden ist".

Steffensen ist der Ansicht, dass die Folgen der Flut für die thailändische Wirtschaft nur minimal und von kurzer Dauer sein werden. "Ich denke, dass die meisten Menschen wissen, das Thailands Wirtschaft immer noch auf dem Vormarsch ist. Thailand ist in der Elektronikbranche und der Petrochemie breit aufgestellt. Darüber hinaus gehört Thailand zu den weltweit wichtigsten Produzenten für Agrarprodukte. Die Tourismusbranche ist stark. Thailands Wirtschaft bietet viele Anreize. Die Überschwemmungen werden daran nichts ändern, weder teilweise noch ganz, weder heute noch in nächster Zukunft."

Globale Reisproduktion

Thailand ist der größte Reisproduzent der Welt. "Ich glaube, dass gerade Reis ein ganz großes Problem für Thailand und dann sicherlich auch für die Nachbarländer sein wird, weil sich die Reisproduktion auf Zentralthailand konzentriert, das sehr stark von den Fluten betroffen ist", sagt Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Aber nicht nur die Fluten üben Druck auf die thailändische Reiswirtschaft aus. Vor den sintflutartigen Regenfällen versprach die neue Regierung Gesetze zur Unterstützung der Reisbauern. Skeptiker dieser Initiative gaben zu bedenken, dass deswegen der Preis für thailändischen Reis auf dem Weltmarkt steigen würde. Dadurch sei er weniger wettbewerbsfähig, was letztlich die Gesamtexportmenge reduzieren würde. Die Fluten kamen den Bedenken zuvor. Nach Steffensen hat die Flut 3,5 Millionen Tonnen Reis vernichtet, wodurch die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent gestiegen sind. Er ist dennoch optimistisch: "Auf kurze Sicht werden die Preise vermutlich ansteigen. Auf lange Sicht denke ich aber nicht, dass die Flut eine große Wirkung hat", denn in Thailand sind bis zu vier Reisernten pro Jahr möglich.

Er erklärt weiter, dass weder in Thailand noch in der Region Hunger zu befürchten sei. Beide Experten sind sich einig, dass der Ausgleich der Ausfälle bei der Reisernte von der thailändischen Regierung hervorragend organisiert und koordiniert worden sei. Mit Blick auf die internationalen Märkte, vermutet Steffensen, dass andere Länder, etwa die USA, in der Lage wären, die Verluste durch eigene Produktion zu kompensieren - aus Sicht Thailands eine mögliche, aber wenig vorteilhafte Lösung.

Autoren: Sarah Berning/Rodion Ebbighausen

Redaktion: Ziphora Robina/Ursula Kissel