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Flutopfer ärgern sich über Versicherer

Ronny Arnold/ Jens Falkowski23. Juni 2013

Das Wasser ist weg, nun werden vielerorts die Schäden sichtbar. Froh ist, wer da eine Versicherung hat - wirklich glücklich aber nur der, der den Schaden auch tatsächlich bezahlt bekommt.

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Nach der Flut in Sachsen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Der alarmierende Anruf erreicht die Müllers am Sonntagnachmittag. Die Familie sitzt gerade gemütlich bei Kaffee und Kuchen und feiert den Geburtstag der Tochter. Die lebt knapp 100 Kilometer von Gera entfernt in Sachsen. Im Wohnzimmer rennen die Enkelkinder aufgeregt umher, draußen trommelt unaufhörlich der Regen gegen die Fensterscheiben. Seit drei Tagen regnet es fast ununterbrochen in Sachsen und Thüringen, doch wirklich beunruhigt ist deshalb noch niemand.

Das ändert sich schlagartig, als der Kollege am Telefon aufgeregt von Flutwasser im Heizungskeller der Firma berichtet. Er wohnt im Nachbarhaus, nur zwei kleine Straßen und eine alte Schutzmauer trennen das Gelände vom Fluss "Weiße Elster". Es wäre gut, wenn schnell jemand kommen könne, meint er. Müllers verabschieden sich, knapp zwei Stunden später sind sie vor Ort. Doch da ist es bereits zu spät. "Das Wasser stand im Keller bis zur Türklinke, Heizungsanlage und elektrische Schaltkästen waren verschwunden", erzählt Simone Müller zwei Wochen später. "Wir haben dann von zu Hause zwei kleine Pumpen geholt, doch so wie das Wasser oben rausgepumpt wurde lief es von unten wieder nach." Das Problem in ihrem Firmensitz: Nicht Flutwasser direkt aus dem Fluss drückte in den Keller, sondern Grundwasser. "Es kam durch den Fußboden und die Wände, in der Nacht zu Montag wurde dann auch noch der Strom abgestellt, sodass selbst die kleinen Pumpen nicht mehr liefen", so die 55-Jährige. Ins Büro durften sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, auch keiner ihrer 15 Angestellten, denn Gera hatte für die Stadtteile am Fluss Katastrophenalarm ausgerufen.

Grundwasser statt Hochwasser

Erst 40 Stunden später konnten sie ihre Firma wieder betreten, da hatte die Scheitelwelle der Elster das Stadtgebiet Gera passiert. Langsam sank der Pegel und mit ihm das Grundwasser. Eine große Pumpe wurde besorgt, das restliche Wasser aus dem Keller gesaugt. Parallel dazu telefonierte Simone Müller mit ihrer Versicherung, die gleich am nächsten Tag einen Angestellten und eine Gutachterin schickte. "Die haben sich das angekuckt und als klar war, dass der Schaden durch Grundwasser entstanden ist, sind sie direkt wieder gegangen."

Aufräumen nach der Flut in Meißen (Sachsen). Foto: Kay Nietfeld/dpa
Beim Aufräumen nach der Flut...Bild: picture-alliance/dpa

Die Müllers haben eine Gebäudeversicherung inklusive Elementarschäden, Feuer, Blitzschlag, alles kein Problem. Auch Wasserschäden werden übernommen, allerdings nur, wenn sie durch Leitungswasser oder direkt durch Hochwasser entstehen. Grundwasser zählt nicht dazu. Mittlerweile war eine Heizungsfirma da, hat den Gesamtschaden auf 11.000 Euro geschätzt. Simone Müller ist sauer: "Der Heizung ist es doch egal, woher das Wasser kommt, die ist dahin." Seit über 20 Jahren zahle sie jedes Jahr Beiträge von gut 600 Euro, habe bislang kaum einen Schaden melden müssen. "Dann passiert so etwas und die zahlen nicht. Da denkst du schon, das darf jetzt nicht wahr sein", ärgert sich Simone Müller. "Wenn das alles direkt durch die Kellerfenster gekommen wäre, hätten wir noch jede Menge Schlamm hier und der Schaden wäre sicher noch höher", vermutet Müller. Dann allerdings hätte die Versicherung wohl zahlen müssen.

Verbraucherzentrale hilft Flutopfern

Die Situation der Geraer Firma ist kein Einzelfall, weiß Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale. Sie betreut die sächsische Hochwasserhotline und kennt das Problem mit dem ansteigenden Grundwasser. "Es kommt wirklich auf das Kleingedruckte an", sagt sie, denn eigentlich sollten Schäden durch Grundwasser oder Rückstau bei sogenannten "Elementarschäden" mitversichert sein. Allerdings lassen sich diese in den Verträgen auch ausschließen. Für einen wirksamen Vertrag ohne solche Klauseln empfiehlt Andrea Heyer eine unabhängige Beratung, wie sie auch die Verbraucherzentralen anbieten. Auf der sicheren Seite sind Betroffene mit einer alten DDR-Versicherung, hier wird der Schaden bezahlt.

Überschwemmter Keller. Bild: Ronny Arnold.
... fühlen sich viele von ihren Versicherungen alleingelassen.Bild: DW/R. Arnold

Wo genau es zu Problemen mit den Versicherungen kommt, versuchen die Verbraucherzentralen in Thüringen und Sachsen gerade an ihrer Hotline herauszufinden. Derzeit sammeln sie hier Versicherungsfälle und verschaffen sich einen Überblick. Denn die Streitfälle werden erst sichtbar, nachdem die Betroffenen ihre Häuser beräumt und die Schäden der Versicherung gemeldet haben. Staatliche Hilfen bekommt nur, wer keine Versicherung hat oder von dieser nichts erhält. Laut Versicherungswirtschaft sollen 99 Prozent der Fälle versicherbar sein, die Verbraucherzentrale glaubt allerdings nicht an diese Zahl. "In Zukunft soll das Problem über eine Elementarschadenpflichtversicherung, die gesetzlich verankert ist, gelöst werden", so Andrea Heyer. Allerdings müsste dafür auch der Staat bürgen, dann könnten Schäden durch Hochwasser in Zukunft öfter von den Versicherern bezahlt werden. Noch ist die Frage ungeklärt, wer das bezahlen soll.

Für Simone Müller eine entscheidende Frage. "Dadurch würde sicherlich unser Beitrag weiter steigen. Keine Ahnung, ob wir uns das leisten wollen und können", so die Unternehmerin. Und der Heizungsschaden? "Irgendwie müssen wir das jetzt erst einmal aus eigener Tasche bezahlen und dann schauen, ob wir eine Entschädigung kriegen." Ob sie diese tatsächlich von Land oder Bund bekommen, wissen Müllers im Moment noch nicht.