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Folter-Vorwürfe: Europas Verantwortung

Barbara Wesel 10. Dezember 2014

Seit die ersten Vorwürfe gegen einzelne europäische Länder und ihre Verstrickung in die CIA-Praktiken bekannt wurden, ist nicht viel passiert. Die Rufe nach einer Untersuchung bleiben auch jetzt leise.

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Guantanamo Bay Gefangene Verhör Symbolbild
Bild: Getty Images

Die Europäische Union begrüßt den Bericht zu den Foltervorwürfen gegen den US-Geheimdienst CIA. So lapidar ließen sich die Reaktionen verschiedener EU-Institutionen auf die Veröffentlichung zusammenfassen. Das Europaparlament will voraussichtlich in der nächsten Woche bei seiner Plenarsitzung in Straßburg das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen. Seit die Vorwürfe über die Verstrickung einiger europäischer Staaten in die Praktiken des CIA bekannt wurden, gab es eine Reihe solcher Debatten. Und darüber hinaus erinnert Barbara Lochbihler, menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament: "Wir haben zwei Berichte verabschiedet (2012 und 2013), die klar sagen, die Staaten müssen lückenlos aufklären. Und die Staaten wie Polen, aber auch Litauen, Italien oder auch Großbritannien, die mitverantwortlich waren für einzelne Verschleppungsflüge, haben diese Empfehlungen nicht umgesetzt".

Auch europäische Geheimdienste außerhalb rechtsstaatlicher Kontrolle

Sie sieht die Europäer durchaus weiter in der Verantwortung, diesen Fragen nachzugehen. Und Barbara Lochbihler denkt dabei nicht nur an zusätzliche Vergangenheitsbewältigung, sondern auch an eine aktuelle Untersuchung der nationalen Geheimdienste. Man habe "in diesem verfehlten Anti-Terror-Kampf gesehen, dass viele Geheimdienste quasi außerhalb einer rechtsstaatlichen Kontrolle arbeiten. Und nur wenn man skandalgetrieben etwas aufgedeckt hat, wurde zuerst dementiert und dann versteckt. Ich denke, wir müssen auch in der Gestaltung und Kontrolle der Geheimdienste hier in Europa viel transparenter und konsequenter werden." Sie fordert jedenfalls, dass Europa mit der eigenen Verantwortung im Zusammenhang mit solchen illegalen Praktiken aktiv umgehen müsse.

Europarat war treibende Kraft

Die Aufklärung darüber betrieb vor allem der Europarat in Straßburg, insbesondere dessen Sonderermittler Dick Marty. Er veröffentlichte 2005 den ersten Bericht u.a. über Geheimgefängnisse der CIA in Polen, Rumänien und Litauen und über die Verstrickung europäischer Länder in die Geheimflüge des US-Geheimdienstes, mit denen Terrorverdächtige verschleppt wurden. Aber außer einer Welle der öffentlichen Empörung in vielen Ländern waren die Folgen eher gering: Die Untersuchungen in Litauen und Polen führten bisher zu keinem Ergebnis und Rumänien mauerte in Bezug auf diese Vorwürfe von Anfang an. Sieht sich der Europarat nach der jetzigen Veröffentlichung des CIA-Berichtes noch einmal aufgefordert, seine Ermittlungen wieder aufzunehmen? Das sei bisher nicht der Fall, sagt Daniel Höltgen, Sprecher der Institution in Straßburg. Die Untersuchungen würden vom Gerichtshof für Menschenrechte weiter geführt.

Dick Marty, Abgeordneter des Europarats, in Straßburg
Dick Marty berichtete über die Verstrickung europäischer StaatenBild: picture alliance/dpa

Der untersuchte inzwischen bereits mehrere Fälle. So prüften die Richter zwei Klagen früherer Insassen eines illegalen CIA-Gefängnisses in Polen, mutmaßlich eine frühere Militärbasis im Nordosten des Landes, und fällten im Juli dieses Jahres ihr Urteil: Die Regierung in Warschau muss den beiden Klägern, einem Palästinenser und einem Saudi, je 100.000 Euro Schadensersatz wegen "Komplizenschaft" bei Folter und unmenschlicher Behandlung zahlen. Beide wurden nach ihrer geheimen Haft auf polnischem Boden nach Guantanamo verbracht, wo sie noch heute einsitzen, ohne dass jemals Anklage gegen sie erhoben worden wäre. Allerdings hat Polen gegen dieses Urteil inzwischen Berufung eingelegt. Die große Kammer des Gerichtes prüft derzeit, ob das Verfahren erneut aufgerollt werden soll. 2012 war Mazedonien verurteilt worden und zwar wegen seiner Verantwortung im Fall Khaled El-Masri, der 2003 in Mazedonien verhaftet und an CIA-Agenten ausgeliefert worden war. Er war daraufhin in Afghanistan monatelang misshandelt und gefoltert worden. Anhängig sind bei Gericht gegenwärtig noch Vorwürfe gegen Italien, Litauen und Rumänien, aber die Prüfungen ziehen sich hin.

Europäischer Gerichtshof für Menschenreche
Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verlaufen zähBild: imago/Winfried Rothermel

Juristische Aufarbeitung sollte weitergehen

Folgt man Barbara Lochbihler, der früheren Vertreterin von Amnesty International, sollte die juristische Aufarbeitung dennoch weitergehen, so schwierig sie auch sein mag: "Vielleicht bringt ja jetzt dieser Bericht, der auch Bezug nimmt auf einzelne Verschleppungsflüge, noch mehr Informationen". Dann hätte man einen Anlass, dem auf europäischer Ebene aber auch in den einzelnen Staaten nachzugehen. Und sie fordert gleichzeitig den Generalbundesanwalt zur juristischen und politischen Kühnheit auf: "Wenn man das internationale Recht umsetzt, dann gibt es auch in Deutschland ein Völkerstrafgesetzbuch, und natürlich könnte man, wenn der Generalbundesanwalt stringent und mutig argumentiert, auch in Deutschland ermitteln". Wenn jemand z.B. gegen den früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld noch einmal eine Klage einreichen würde.

Die Europäische Kommission wiederum bleibt ganz allgemein: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini veröffentlichte aus Anlass des Berichtes durch den US-Senat eine Erklärung, in der sie die Abschaffung von Folter weltweit fordert. Die UN-Antifolter-Konvention sei schon vor 30 Jahren verabschiedet worden, "dennoch wird Folter weltweit in breiter Form angewandt". Ihre Sprecherin wollte sich allerdings zu den bekannten Vorwürfen gegen einzelne EU-Staaten nicht äußern.