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Flucht aus Birma

1. Dezember 2011

Wenn sich die Gefängnistore für politische Häftlinge in Birma öffnen, bleibt das Leben schwierig. Die anhaltende Bedrohung ist nur ein Problem, sagt Thiha Yarzar, einer der Anführer des Studentenaufstandes von 1988.

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Birma: Politische Häftlinge werden am 12. Oktober 2011 in Rangoon freigelassen (Foto: AP) (Foto: AP)
Birma: Politische Häftlinge werden freigelassenBild: AP

Das Grenzgebiet zwischen Birma und Thailand besteht aus dicht bewaldeten Hügeln. An den Hängen lassen sich hin und wieder Felder und Dörfer erkennen. Die eigentliche Grenze verläuft entlang eines kleineren Flusslaufs, der sich durch die Berge schlängelt. Inmitten dieser scheinbaren Idylle liegt ein Flüchtlingslager, von Stacheldraht umzäunt. Thailändische Soldaten sorgen dafür, dass niemand das Lager verlässt und die, die es betreten wollen, für den Einlass Schmiergeld zahlen.

Thiha Yarzar, Ehemaliger politischer Haeftling aus Birma in Thailändischem Flüchtlingslager im März 2011 (Foto: Felix Sayid)
Thiha Yarzar, einst politischer Häftling in BirmaBild: Felix Sayid

Dicht an dicht drängen sich im Lager die kleinen Bambushütten, einige Schweine und Hühner laufen frei herum. Es gibt nur gelegentlich Strom und kein fließendes Wasser. Die Menschen, die hier leben, kommen aus allen Teilen Birmas. Für Thiha Yarzar ist es die erste Station nach seiner Flucht. Gemeinsam mit seiner Schwester, deren Mann, sowie zwei Kindern lebt er in einer kleinen Hütte. Viele Narben an seinem Körper, sorgen dafür, das er die Haftzeit in Birma nie vergisst: "Sie haben einen Plastikschlauch mit Sand gefüllt und mich damit geschlagen - so haben sie mir die Hände gebrochen und auch am Kopf habe ich noch viele Narben", erzählt Thiha. Immer wieder sei er bei den Verhören gefoltert worden. "Sie haben mich mit einer Pistole geschlagen. Dann ließen sie Wasser über mein Gesicht laufen - um Ertrinken zu simulieren."

Flucht vor dem Regime

Die Folter sei im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden. Fast 18 Jahre hat er in verschiedenen Gefängnissen Birmas verbracht. Er war einer der Studenten, die ab August 1988 gegen das birmanische Regime demonstrierten. Immer mehr Studenten, aber auch Mönche und andere Bürger waren aus Protest gegen die Militärregierung in den darauffolgenden Wochen auf die Strasse gegangen. Die Militärs ließen die als 8888 bekannten Aufstände blutig niederschlagen. Thiha Yarzar gehörte zu denen, die überlebten und verhaftet wurden. Für sein Verlangen nach Demokratie, sagt er heute, hätten er und seine Mitstreiter einen hohen Preis bezahlt.

Bo Kyi von der Assistance Association vor den Fotos hunderter Opfer politischer Gefangenschaft (Archivfoto: AP)
Fotos politischer Gefangener aus Birma in thailändischem MuseumBild: AP

200 politische Häftlinge hat die birmanische Regierung im Oktober 2011 entlassen. Aber mehr als 2000 leben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch noch hinter Gittern. In insgesamt 43 Gefängnissen und 50 Lagern würden Menschen gefoltert und zur Arbeit gezwungen.

Angst vor Abschiebung

Viele ehemalige Häftlinge haben auch nach ihrer Entlassung Schwierigkeiten, sich den Bedrohungen durch die Regierung zu entziehen. Sie verlassen Birma und fliehen ins benachbarte Thailand, wie Thiha. Im Lager lebt er allerdings unter der ständigen Angst, wieder nach Birma abgeschoben zu werden. Seit drei Jahren versucht er einen Flüchtlingsstatus zu bekommen, bislang vergeblich. Die Perspektivlosigkeit macht ihm zu schaffen: "Wir wurden im Gefängnis besonders schwer gefoltert. Einige sind verrückt geworden, einige sind gestorben, andere haben sich das Leben genommen. Das habe ich aushalten können", sagt er, "ich habe überlebt". Nun aber verzweifele er an der fehlenden Unterstützung. "Vom UNHCR kommt nichts – kein Schutz. Die thailändische Regierung erlaubt uns nicht in ein anderes Land auszureisen."

Kinder im thailändischen Flüchtlingslager Umpien nahe der Grenze zu Brima (Foto: Felix Sayid)
Kinder im Flüchtlingslager UmpienBild: Felix Sayid

Rund 15.000 Menschen aus Birma leben im Flüchtlingslager Umpien mitten in den Bergen, darunter auch ehemalige politische Häftlinge wie Thiha. Mit der thailändischen Polizei haben sie schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn sie von den Polizisten aufgegriffen werden, müssen sie hohe Schmiergelder zahlen, oder sie riskieren nach Birma abgeschoben zu werden. Im Lager gibt es zwar ein Büro des UN Flüchtlingswerks, aber es ist geschlossen, "wie meistens", berichten die Anwohner.

Hoffnung auf Asyl

Die Genfer Flüchtlingskonvention hat Thailand nie unterschrieben. Das erschwert die Arbeit für das UNHCR und andere Hilfsorganisationen, die versuchen, den Menschen in den verschiedenen Lagern entlang der Grenze zu helfen. Unter ihnen ist Markus Baude aus Deutschland. Als der gelernte Schreiner nach Thailand kam, lernte er Thiha und andere ehemalige politische Häftlinge kennen. Deren Schicksal ließ ihn nicht mehr los. In Deutschland sammelte er Spendengelder und gründete die NGO "Exppact".

Birmanischer Militärposten in Naypyidaw, Zentralbirma (Foto: Felix Sayid)
Gut bewachte Gefängnisse in BirmaBild: Felix Sayid

Die psychische Situation der politischen Häftlinge, sei sehr schwierig, erzählt Baude. Viele hofften darauf, bald in einem anderen Land politisches Asyl zu bekommen. "Solange das aber nicht der Fall ist, ist es wichtig, ihnen hier vor Ort das zu bieten, was später vielleicht hilfreich sein wird: Also Englisch, Computer und für den Moment eben psychologische Betreuung." Der Name von Exppact ist Programm: Ex Political Prisoners Advocay, Conselling and Training.

Die Zukunft aller 140.000 birmanischen Flüchtlinge in Thailand sei unsicher, meint Baude. Er fürchtet, dass sie alle zurück müssen. Aus thailändischen Regierungskreisen wird bestätigt, dass mit offizieller Seite in Birma bereits darüber verhandelt wird. Dies wird von vielen Flüchtlingen und verschiedenen NGOs allerdings strikt abgelehnt.

Autoren: Felix Sayid und Gayatri Lakshmibai
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning / Rolf Breuch