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Formulare, von der Wiege bis zur Bahre

Bernd Gräßler23. Juli 2004

Die staatliche Fürsorge für Langzeitarbeitslose in Deutschland wird neu geordnet, in aller Gründlichkeit. Mit einem 16 Seiten langen Fragebogen: Das Ganze übertreffe noch die Steuererklärung, meinen Wohlfahrtsverbände.

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Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement, Miterfinder der Reform, sieht das ganz anders: kinderleicht seien die Fragebögen. Und wer nicht damit klar komme, der solle ihn anrufen, bemerkte Clement so nebenher. Das hätte er nicht tun sollen. Nachdem einige Tageszeitungen servicefreundlich die Telefonnummer des Ministerbüros veröffentlichten, herrschte dort telefontechnischer Ausnahmezustand. Sein Büro sei lahm gelegt, klagte der Minister, bevor ihn die nächste Hiobsbotschaft in der Formular-Angelegenheit ereilte: die ostdeutschen Ministerpräsidenten gaben mit hochroten Köpfen Fernseh-Interviews und waren drauf und dran, die deutsche Einheit rückgängig zu machen.

5000 Euro Kopfprämie

Grund für ihren Zornesausbruch: die Bundesagentur für Arbeit hatte begonnen, Berater in den Osten Deutschlands zu schicken. Dreitausend beschäftigungslose, aber gutversorgte Beamte der Telekom, allesamt aus dem Westen, sollten gegen 5000 Euro Prämie pro Kopf die ostdeutschen Arbeitslosen dabei anleiten, wie man korrekt das künftige, gekürzte Arbeitslosengeld beantragt.

Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck blieb bei soviel Instinktlosigkeit nach eigenen Worten "die Spucke weg" und Sachsens Regierungschef Georg Milbradt schimpfte, wer heute noch eine "Buschzulage" dafür zahle, dass jemand im Osten Dienst tue, beleidige "alle Menschen in Ostdeutschland".

Ein Schritt vor - zwei Schritte zurück

Bevor sich unter den ostdeutschen Arbeitslosen die Freude über die motivierten Helfer aus dem Westen so richtig Bahn brechen konnte, machte die Bundesagentur für Arbeit auf Geheiß Clements wieder einen halben Rückzieher.

Nicht nur Westdeutsche, sondern auch qualifizierte ostdeutsche Arbeitslose sollen nun als Berater eingestellt werden. Eines geriet bei der Debatte allerdings etwas aus dem Blick: wozu überhaupt Berater? Ist das Ausfüllen der Formulare nicht eigentlich ganz kinderleicht?