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Fotoskandal weitet sich aus

27. Oktober 2006

Der "Bild"-Zeitung liegen "dutzende neuer Bilder" vor, die deutsche ISAF-Soldaten beim makaberen Umgang mit Leichenteilen zeigen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung suspendiert zwei Bundeswehr-Soldaten vom Dienst.

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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Soldaten der oberbayerischen Kaserne EdelweißBild: AP

Nach Angaben der "Bild"-Zeitung ist auf den Fotos unter anderem zu sehen, wie ein Soldat einem aus verschiedenen menschlichen Knochen zusammengesetzten Skelett "in der Art einer Hinrichtungsszene eine Pistole an den Totenschädel hält". Auf einem anderen Bild sei einem Totenschädel ein Bundeswehr-Barett aufgesetzt worden. Auf einer weiteren Fotografie sei der Schriftzug "CSR-Team" aus Menschenknochen sichtbar. "CSR" ist laut "Bild" die bei den Soldaten benutzte militärische Abkürzung für ihre Patrouillen (englisch: campside reconnaissance). Die Fotos stammten von Ende 2003 und Anfang 2004.

Zwei Soldaten vom Dienst suspendiert

Bundeswehr Afghanistan Verteidigungsminister Franz Josef Jung
Bundesverteidigungsminister Franz Josef JungBild: AP

Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Thomas Raabe, gab am Freitag (27.10.) bekannt, dass das Ministerium von der neuen Veröffentlich Kenntnis habe. Er zeigte sich zuversichtlich, dass eine Aufklärung "auch in den nächsten Fällen gelingen wird".

Verteidigungsminister Franz Josef Jung hatte bereits am Morgen mitgeteilt, dass zwei verdächtige Soldaten vom Dienst suspendiert worden seien. Die beiden Männer gehörten zu einer Gruppe von sechs Soldaten, denen die Totenschändungen im Jahr 2003 zur Last gelegt wurden.

Ermittlungen zunächst nur gegen drei Soldaten

Gegen drei weitere Verdächtige im Zusammenhang mit den von RTL veröffentlichten Fotos aus dem Jahre 2004 wird laut Jung ermittelt. Die Staatanwaltschaft München II teilte am Freitag mit, dass sich die Ermittlungen vorerst gegen einen Soldaten aus Oberbayern richteten. "Es wird aber geprüft, ob sich der Tatverdacht auf weitere Soldaten ausdehnt", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl der dpa.

Zunächst hatte die Potsdamer Justiz Ermittlungen wegen Störung der Totenruhe eingeleitet, da alle deutschen Soldaten in Afghanistan vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam befehligt werden. Hödl stellte klar, seine Behörde untersuche bislang lediglich den auf das Jahr 2003 zurückgehenden Komplex der mutmaßlichen Totenschändung, den die "Bild"-Zeitung mit der Veröffentlichung von Fotos ins Rollen gebracht hatte. Darauf sind Soldaten in makabren Posen mit Totenschädeln zu sehen. Sie waren oder sind bei den Gebirgsjägern im oberbayerischen Mittenwald stationiert. Ob die Münchner Staatsanwaltschaft auch die Ermittlungen zu den neuen Fällen von Totenschändung durch Soldaten übernimmt, ließ Hödl offen.

"Kein Friedhof"

Inzwischen berichtete ein Augenzeuge in der "Bild"-Zeitung über die makaberen Handlungen. Die sterblichen Überreste stammten von einem Gelände, das einer "Kiesgrube" ähnele, sagte der Mann. Nach eigenen Angaben war er bei einer der umstrittenen Patrouillen dabei. Afghanen hätten an der Stelle Lehm abgegraben, den sie für Ziegel benötigt hätten. "Es war kein Friedhof, keine Kultstätte", sagte der Mann, der anonym bleiben wollte.

Der Knochen-Fundort befinde sich in der Nähe des ISAF-Lagers Camp Warehouse in Kabul, sagte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums Raabe. Dies sei auch ein Fundort russischer Panzerwracks. Ob es einen Zusammenhang gebe, sei noch nicht klar. Raabe betonte, dass das Verhalten der an den Fotoaufnahmen beteiligten Soldaten nicht repräsentativ sei für die mehr als 200.000 Soldaten, die bislang in Auslandseinsätzen waren. Die deutschen Einheiten in Afghanistan seien dafür sensibilisiert worden, dass ihre Sicherheit durch die Veröffentlichung der Fotos gefährdet sein könnte.

Kaum Reaktionen in Afghanistan?

Allerdings riefen die Skandalfotos in Afghanistan selbst offenbar kaum Reaktionen hervor. Einige afghanische Fernsehsender und Zeitungen hätten am Donnerstag erstmals über die Affäre berichtet, sagte Rahimulla Samandar, Vorsitzender des Verbandes afghanischer Journalisten, am Freitag der Agentur epd telefonisch aus Kabul. In den Artikeln und Sendungen sei aber meist darauf hingewiesen worden, dass die deutsche Bundesregierung das Geschehen verurteile und die Soldaten bestrafen würde.

Der weitaus größte Teil der Bevölkerung in Afghanistan sei über die Affäre gar nicht informiert, sagte Samandar. Bislang genieße die Bundeswehr einen sehr guten Ruf in Afghanistan. Er glaube nicht, dass die Affäre an diesem guten Verhältnis etwas ändere. (ana)