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Foxconn unter Druck

9. Juni 2010

Eine Selbstmordserie beim Elektronikhersteller Foxconn lenkt die Aufmerksamkeit auf die Arbeitsbedingungen in China. Nun will das Unternehmen die Löhne erhöhen. Doch die Arbeiter sind noch skeptisch.

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Fließbandarbeiterinnen bei Foxconn im südchinesischen Shenzhen (Foto:ap)
Fließbandarbeiterinnen bei Foxconn im südchinesischen ShenzhenBild: AP
Das Foxconn-Werksgelände in Shenzhen (Foto: DW/böl)
Eine Kleinstadt für sich: Das Foxconn-Werksgelände in ShenzhenBild: Mathias Bölinger

Abends nach Feierabend spuckt der Konzern junge Menschen aus. Zu Hunderten strömen sie aus den Toren des Foxconn-Geländes, um in den nahegelegenen Läden einzukaufen oder über den Nachtmarkt ein paar Straßen weiter zu bummeln. Sie sind leicht zu erkennen, die meisten tragen noch ihre Arbeitskleidung: Schwarze, weiße oder rote Polohemden mit dem Firmenlogo auf der Brust. Natürlich habe er von den Selbstmorden gehört, sagt einer. Aber genaues wisse er nicht. In seiner Abteilung sei nichts passiert und bei Foxconn arbeiteten ja schließlich viele Menschen. 400.000 Arbeiter sind allein in dem Werk beschäftigt, das die taiwanesische Firma im südchinesischen Shenzhen unterhält und das seit Wochen in den Schlagzeilen ist. Mehrstöckige Produktionshallen türmen sich neben der Autobahn auf, dahinter Verwaltungsgebäude und Wohnheime für die Arbeiter. Wie eine eigene Stadt liegt das Gelände in den Außenbezirken von Shenzhen. Seit Beginn des Jahres haben sich hier zehn Arbeiter umgebracht, die meisten von ihnen stürzten sich von ihren Wohnheimen. Drei weitere überlebten einen Selbstmordversuch.

Verbindung zu Apple

Protestierende Foxconn-Mitarbeiter in Hongkong (Foto:ap)
Protestierende Foxconn-Mitarbeiter in HongkongBild: AP

"Die Bedingungen hier sind auch nicht anders als woanders", sagt der junge Arbeiter achselzuckend und fragt dann höflich, ob er weitergehen kann, er habe noch zu tun. Foxconn zahlt seinen Arbeitern bisher 900 Yuan monatlich als Grundlohn. Das sind 110 Euro und entspricht dem gesetzlichen Mindestlohn in Shenzhen. Zum Leben ist das kaum genug. Dennoch entsprächen die Bedingungen dem Durchschnitt in südchinesischen Betrieben, sagt Geoffrey Grothall: "Foxconn ist sicher nicht der schlechteste Ort in der Gegend zum Arbeiten." Grothall arbeitet für China Labour Bulletin, eine Organisation in Hong Kong, die sich für die Rechte der Arbeiter in China einsetzt. Arbeiterselbstmorde kämen auch in anderen Betrieben regelmäßig vor, erklärt er. "Bei Foxconn wird darüber berichtet, weil die internationale Presse von der Verbindung zu Apple und anderen großen Marken weiß." Foxconn produziert unter anderem das iPhone und das iPad. "Und die chinesischen Medien dürfen darüber berichten, weil es eine taiwanesische Firma ist."

Foxconn-Mitarbeiter in ihrem Wohnheim (Foto:ap)
Foxconn-Mitarbeiter in ihrem WohnheimBild: AP

Zhang Guoqiang weiß nicht, wie es in anderen Firmen zugeht. Foxconn ist sein erster Arbeitgeber. Zhang sitzt mit zwei Freunden in einer kleinen Grünanlage in der Nähe des Firmengeländes. Die Haare fallen ihm in modischen Fransen ins Gesicht. Letztes Jahr hat der 19-jährige eine Berufsschule abgeschlossen und ist erst vor wenigen Monaten nach Shenzhen gekommen. Einmal hätten Kollegen morgens von einem Selbstmord ganz in der Nähe seines Wohnheims berichtet, erzählt er, während seine Freunde ungerührt weiter in ihren Handys rumtippen. Aber er sei nicht hingegangen. "Wer will sowas schon sehen?" Zhang Guoqiang heißt nicht wirklich so, seinen richtigen Namen will er nicht verraten, und auch nicht, in welcher Abteilung er arbeitet. Nur so viel: "Wir bauen Computer zusammen." Zhang teilt sich ein Zimmer im Wohnheim mit acht Kollegen. Abends und am Wochenende hat er frei. In seiner Abteilung fielen nur selten Überstunden an, erzählt er. Deshalb bekomme er nicht mehr als den Basislohn, und der reiche bei weitem nicht aus. "Wenn Du 900 Yuan verdienst und zwei Tage die Woche frei hast, dann gibst Du doch alles sofort aus."

Hoher Arbeitsdruck

Foxconn-Stand auf einer Arbeitermesse in Shenzhen (Foto:ap)
"Nicht der schlechteste Ort zum Arbeiten": Foxconn wirbt auf einer Messe neue Arbeiter anBild: AP

Für die meisten Foxconn-Arbeiter dagegen gehören Überstunden zum Alltag. Die Regierungszeitung China Daily zitiert eine Untersuchung der Stadtverwaltung von Shenzhen, nach der 72,5 Prozent der Foxconn-Angestellten regelmäßig Überstunden machten. Im Durchschnitt häuften sie 28 Stunden im Monat an, das sind immerhin fast vier Arbeitstage. Andere Berichte sprechen von Arbeitern, die bis zu 80 Überstudnen im Monat leisteten, weit mehr als die gesetzlich erlaubten 36. Der hohe Arbeitsdruck und das streng reglementierte Leben auf dem Firmengelände gelten als Grund für die Selbstmordserie.

Foxconn hat inzwischen reagiert und mit sofortiger Wirkung die Löhne um 30 Prozent erhöht. Im Oktober soll sogar noch mehr folgen, dann könnten Arbeiter 2000 Yuan (240 Euro) ohne Überstunden verdienen. Doch während die Aktien von Foxconn nach dieser Ankündigung um fünf Prozent einbrachen und Analysten schon vor der Abwanderung von Unternehmen in billigere Länder warnen, mag Zhang Guoqiang den Ankündigungen noch nicht glauben. "Bis jetzt habe ich das Geld ja noch nicht bekommen", sagt er. "Bestimmt ziehen sie uns am Ende etwas ab, und es kommen wieder nur 900 Yuan raus." Seine größte Hoffnung: "Vielleicht kann ich in eine andere Abteilung wechseln, in eine, wo ich auch Überstunden machen kann."

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Thomas Latschan