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Frère Roger in Taizé beigesetzt

23. August 2005

10.000 Menschen aus aller Welt haben in Taizé Abschied von Frère Roger genommen. Kirchenvertreter und größtenteils jüngere Gläubige erwiesen dem Protestanten die letzte Ehre - nach katholischem Ritus.

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Frère Roger: hoch geschätzter und charismatischer GeistlicherBild: AP


Zeit seines Lebens hatte Frère Roger Gewaltlosigkeit, Frieden und Versöhnung gepredigt und vorgelebt. Bundespräsident Horst Köhler nahm als ranghöchster Politiker an den Trauerfeierlichkeiten in Taizé teil. "Ich bin hierher gekommen, um mitzutrauern, weil der Tod von Frère Roger große Bestürzung ausgelöst hat", sagte Köhler vor der Zeremonie.

"Ich bin aber auch gekommen, um die Gemeinschaft von Taizé in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, denn sie baut Grenzen ab zwischen den Menschen, und das brauchen wir in der heutigen Welt", so Köhler weiter. UNO-Generalsekretär Kofi Annan würdigte Frère Roger als "unermüdlichen Anwalt von Werten wie Respekt, Toleranz und Solidarität". Seine Botschaft der Hoffnung und des Vertrauens werde über den Tod hinaus "für alle eine Quelle der Inspiration bleiben", betonte Annan in seinem Kondolenzschreiben.

Katholische Messe für einen Protestanten

Die Trauermesse hielt Kurienkardinal Walter Kasper in seiner Eigenschaft als Präsident des "Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen" zusammen mit vier Priestern der Ordensgemeinschaft. Vor einem Halbrund aus Blumen verharrten die Menschen in stiller Trauer und im Gebet, auf den Knien sitzend, stehend. Junge Menschen umarmten sich, andere ließen ihren Tränen freien Lauf. Klassische Musik erfüllte den dunklen, mit vielen Kerzen erleuchteten Kirchenraum. Orthodoxe Mönche aus Rumänien sangen. Später beim Abendgebet durchzogen die weltweit bekannten, meditativen Taizé-Lieder die überfüllte Kirche, die Platz für 5000 Gläubige bietet.

In einer Atmosphäre tiefster Andacht hielt Kasper eine katholische Messfeier mit Eucharistie in mehreren Sprachen - bemerkenswert, denn Roger Schutz war Protestant. Für die Protestanten wurde nicht, wie sonst in Taizé üblich, das Abendmahl gesondert ausgeteilt. Kasper schloss zudem nicht-katholische Christen nicht ausdrücklich vom Empfang der Eucharistie aus, wie dies beim Weltjugendtag entsprechend der katholischen Lehre geschah. Bei der Feier waren neben Protestanten und Katholiken auch Anglikaner, Orthodoxe sowie Christen aus vielen weiteren Konfessionen anwesend.

Walter Kasper würdigte Frère Roger als einen Geistlichen, "der mit seiner Gegenwart, seinem Wort und seinem Beispiel einen Strahl der Liebe und der Hoffnung verbreitet hat, weit über die Grenzen und Spaltungen dieser Welt hinaus". Bis zum Ende seines Lebens gab es immer wieder Gerüchte über den angeblichen Übertritt Frère Rogers zur katholischen Kirche. Dies war von Freunden und Kirchenvertretern stets dementiert worden.

Beisetzung in aller Stille

90 Frères hatten in den Reihen Platz genommen, als fünf Mitglieder der Gemeinschaft den einfachen Sarg aus hellem Holz in die Kirche trugen. Weil die schlicht mit Blumen und religiösen Bildnissen geschmückte Versöhnungs-Kirche nicht alle angereisten Trauernden und Gläubigen fassen konnte, war unterhalb des Gotteshauses eine Großleinwand aufgestellt worden. Nach der Trauerfeier wurde Frère Roger auf dem Friedhof von Taizé beigesetzt. Sein Nachfolger ist der deutsche Bruder Alois (51), der das Werk des Gründers der ökumenischen Gemeinschaft fortsetzt. Ihn hatte Frère Roger bereits 1997 zum neuen Prior bestimmt. Der mutmaßlichen Täterin droht eine lebenslange Haftstrafe. "Vater, verzeih ihr", sagte Alois. (arn)