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Früherer Untergrundkämpfer wird Regierungschef im Kosovo

Bahri Cani10. März 2006

Das Parlament im Kosovo hat über den neuen Ministerpräsidenten Agim Ceku abgestimmt. Dem ehemaligen Untergrundkämpfer lastet Serbien mehr als 660 Morde an.

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Agim ÇekuBild: dpa-Bildfunk
UCK
UCK-Kämpfer in Mazedonien (2001)Bild: AP

Rund eine Woche nach dem überraschenden Rücktritt des kosovarischen Regierungschefs Bajram Kosumi hat das Parlament in Pristina am Freitag (10.3.2006) über seinen designierten Nachfolger abgestimmt: Agim Çeku ist als parteiloser Kandidat von der kleineren Regierungspartei "Allianz für die Zukunft des Kosovo" (AAK) nominiert worden. Kosumi galt als schwacher Politiker, der keine kämpferische Erfahrung und keine richtige politische Unterstützung hatte.

Das ist bei Çeku, dem ehemaligen Kommandeur des Generalstabs der selbsternannten Befreiungs-Armee (UCK) anders. Im Unterschied zu seinem Vorgänger ist der General zwar kein guter Redner, doch die albanischen Politiker setzen großes Vertrauen in ihn. Präsident Fatmir Sejdiu gab ihm ohne Zögern den Auftrag zur Regierungsbildung, nachdem sich die Koalitionsparteien geeinigt hatten. "Ich habe entschieden, General Çeku als Kandidat für die neue Regierung zu nominieren. Er wird sich mit allen Parteien beraten, und ich hoffe, dass er zum Ministerpräsidenten gewählt wird."

Im Kosovo akzeptiert

Kosovo Ministerpräsident Bajram Kosumi
Bajram KosumiBild: AP

Innenpolitisch wird Çeku voraussichtlich kaum Probleme haben: Er muss niemandem beweisen, dass er bei den Verhandlungen mit der Regierung in Belgrad beim Hauptziel - Unabhängigkeit des Kosovo - nicht nachgeben wird. Er konnte zudem die Versöhnung zwischen den rivalisierenden früheren Kampfgenossen, Hashim Thaci und Ramush Haradinaj, erreichen.

Obwohl Çeku nach eigenen Worten "nie politische Ambitionen" gehabt hatte, erklärte er sich vergangene Woche bereit, die Aufgabe des Ministerpräsidenten zu übernehmen. "Für das Kosovo und für mein Volk bin ich bereit, wieder mein Beitrag leisten - dieses Mal in anderen Aufgaben", sagte er. "Zurzeit bin ich nur General Agim Çeku und habe keine anderen Aufgaben. Falls jemand aber meint, dass ich die Aufgabe des Ministerpräsidenten übernehmen sollte, dann werde ich das auch tun."

Chef der UCK

Der heute 45-jährige Çeku wurde in Peja, im Westen des Kosovo geboren. Später machte er an der militärischen Mittelschule in Belgrad das Abitur. Mit 24 Jahren war er schon Offizier der Jugoslawischen Volksarmee, stationiert in Kroatien. Als Ende 1991 die Unabhängigkeit Kroatiens von immer mehr Staaten anerkannt wurde, verließ Çeku die Jugoslawische Volksarmee, um auf kroatischer Seite für die Loslösung von der Zentralregierung in Belgrad zu kämpfen. Er nahm an einigen der wichtigsten Militäraktionen in Kroatien teil, unter anderem auch an den Operationen "Blitz" und "Sturm", bei denen die kroatische Armee alle serbisch besetzten Gebiete zurückeroberte. Çeku drang mit den von ihm befehligten Truppen bis nach Bosnien vor.

Im Februar 1999 kehrt er ins Kosovo zurück, wo er während des Krieges Chef der aufständischen UCK wurde. Nach dem Krieg wurde ihm von der provisorischen Regierung im Kosovo der Titel eines Generals verliehen. Die internationale Gemeinschaft stimmte dann seiner Ernennung zum Kommandeur des Kosovo-Schutzkorps zu, einer Organisation, die offiziell nur Zivilschutz-Aufgaben wahrnimmt, sich aber als zukünftige Armee des Kosovo sieht.

Mordvorwürfe aus Serbien

Die serbische Regierung hielt schon das für eine Provokation, da sie Çeku seit dem Kriege mit internationalem Haftbefehl suchte. Belgrad macht ihn für die Ermordung von mehr als 660 Serben verantwortlich. Deswegen wurde er zwei Mal kurzfristig von den slowenischen und ungarischen Behörden verhaftet.

Trotz dieser Anschuldigungen ist der Vertreter der Kosovo-Serben, Oliver Ivanovic, bereit, mit dem neuen Ministerpräsidenten zusammenzuarbeiten. "Das ist ein sehr delikater Moment. Aber mir ist bewusst, dass die Teilnahme der Serben im Parlament für das Bestehen der Serben im Kosovo sehr, sehr wichtig ist", sagte Ivanovic. "Egal, was für eine Entscheidung über die Zukunft des Kosovo getroffen wird, diese Entscheidung muss umgesetzt werden. Für die Serben wäre es sehr schlecht, wenn sie nicht Teil dieses Prozesses sein würden." Westliche Diplomaten erwarten, dass Çeku eine sehr wichtige Rolle für den künftigen Status des Kosovo spielen könnte. Vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gibt es bisher keine Stellungnahme.