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Der unbekannte Dritte

Angela Göpfert16. April 2007

François Bayrou profitiert von der anhaltenden Schwäche der Sozialisten und hat sich zum Mitfavoriten für die französische Präsidentschaftswahl gemausert. Doch steckt hinter der "Bayroumania" mehr als nur ein Medienhype?

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Bayrou beim Beusch in einer Kochschule (Quelle: AP)
Bayrou gibt sich gerne volksnah und will als Anti-Establishment-Kandidat punktenBild: AP

Ihn hatte zunächst niemand auf der Rechnung: Der Zentrumspolitiker François Bayrou (UDF) war bei der französischen Präsidentschaftswahl 2002 mit gerade einmal 6,8 Prozent noch unter ferner liefen. Zwar ist die "Bayroumania", der Medienhype um den "unbekannten Dritten", mittlerweile leicht abgeklungen. Aber aus dem Duell zwischen dem konservativen Nicolas Sarkozy und der Sozialisten Ségolène Royal ist ein Dreikampf geworden: Heute sehen die Meinungsforscher Bayrou bei rund 17, manche gar bei 21 Prozent Stimmenanteil.

Symbolbild
Bayrous Strategie läßt Royal verblassenBild: AP Graphics/DW

"Bayrou hätte durchaus eine Chance, Royal zu schlagen und in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl einzuziehen", vermutet Alain Howiller, ehemaliger Chefredakteur der "Dernières Nouvelles d'Alsace" und jetziger Präsident des Instituts für politische Studien in Straßburg, im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Mit dieser Einschätzung steht der langjährige Beobachter der französischen Innenpolitik nicht alleine da. Denn Bayrou trauen die Franzosen offenbar weitaus mehr zu als seiner sozialistischen Konkurrentin Royal: In einer Stichwahl könnte Bayrou den konservativen Sarkozy (UMP) schlagen, der derzeit die Umfragen anführt.

Neue Debatte um Mitte-Links-Bündnis

Die Angst vor einem Wahlsieg Sarkozys hat eine Woche vor der ersten Runde am Sonntag (22.4.) eine neue Bewegung in den Präsidentenwahlkampf gebracht: Am Wochenende hatte sich nach dem sozialistischen Ex-Premierminister Michel Rocard auch Ex-Gesundheitsminister Bernard Kouchner für eine Allianz von Bayrou und Royal ausgesprochen.

Zwar erteilten sowohl Royal als auch Bayrou einer Bündnisvereinbarung noch vor dem ersten Wahlgang eine klare Absage. Doch allein das Aufkommen einer solchen Idee zeigt, wie sehr der Parti Socialiste (PS) um Royals Einzug in die Stichwahl bangt. Nicht ganz zu Unrecht, wie Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (DFI), im Gespräch mit DW-WORLD.DE betont: "Es gibt im linken Lager viele, die sagen: 'Ich kann Ségolène Royal einfach nicht wählen!'" Dazu gehörten viele Anhänger von Ex-Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn - "also Sozialdemokraten im deutschen Verständnis".

"Angst vor Sarkozy"

Doch der praktizierende Katholik Bayrou gräbt nicht nur im linken Lager Stimmen ab: Auch viele traditionelle UMP-Wähler hätten regelrecht "Angst vor Sarkozy, weil er zu hart ist, zu aggressiv", meint Howiller. Tatsächlich könnte Bayrou Umfragen zufolge auch von der Zerrissenheit innerhalb des bürgerlichen Lagers profitieren und Wähler aus dem gemäßigten Gaullisten-Lager um Premierminister Dominique de Villepin (UDF) für sich gewinnen.

Denn Bayrou profiliert sich als Überwinder einer "sterilen Rechts-Links-Konfrontation" und Sammler einer neuen Mitte. Frankreich-Experte Baasner sieht darin eine weitere Ingredienz für das Geheimrezept von Bayrous Erfolgsgeschichte: Bayrou bedient "eine Illusion: die Vorstellung, man könne für das Wohl Frankreichs in der Mitte über alle politischen Gräben hinweg regieren und so etwas schaffen wie eine freiwillig gewollte Große Koalition".

Fan einer Großen Koalition und überzeugter Europäer

Bei einem Wahlsieg wollte Bayrou nach eigenen Angaben die Sozialistin Royal als Premierministerin einsetzen und eine Mitte-Koalition aus allen gemäßigten Kräften der Parteienlandschaft schmieden. Dabei versucht er mit seiner Strategie einer Großen Koalition nach deutschem Vorbild, aus der Not eine Tugend zu machen. Denn Bayrous Partei "Union pour la Démocratie Française" hat in der Nationalversammlung gerade einmal 30 von 577 Sitzen. Eine eigene Mehrheit bekäme Bayrou auch nach der Parlamentswahl kaum zusammen.

Aber Bayrou will sich bei einem Wahlsieg nicht nur von der deutschen Großen Koalition inspirieren lassen. Auch sonst blickt er gerne über den französischen Tellerrand. Der praktizierende Katholik gilt als der überzeugteste Europäer im Kandidatenfeld: Er tritt für einen überarbeiteten "glaubwürdigen, schlichten, kurzen Text" der EU-Verfassung ein, hält Kontakt mit christdemokratischen Politikern in Deutschland und Italien und leitete früher die Europäische Volkspartei.

Außenseiterrolle als Pluspunkt?

Doch auch im Pariser Politbetrieb ist Bayrou nicht völlig unerfahren: 1993 bis 1997 war er unter Edouard Balladur Erziehungsminister. Trotzdem eilt ihm der Ruf eines "Anti-System-Kandidaten" voraus: "Er ist ein Mann, der relativ 'neu' erscheint: ein Mann der Provinz, der nicht zu den Parisern gehört", ist Frankreich-Kenner Howiller überzeugt. Tatsächlich kokettiert Bayrou, der sechsfache Familienvater und Pferdezüchter aus dem ländlichen Südwesten Frankreichs, gerne mit seiner Herkunft: "Ich bin der einzige Kandidat, der eine Kuh melken und einen Traktor fahren kann."

Am Sonntag wird sich zeigen, ob sein Kalkül aufgeht und der "Anti-System-Kandidat" seinem Traum vom höchsten Amt des französischen politischen Systems einen Schritt näher kommt. Sein eigenes Soll wird er jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllen. Bayrou legte bereits 1990 Freunden seinen Masterplan vor: 2002 erstmals kandidieren, 2007 ein zweistelliges Ergebnis und 2012 dann der Einzug in den Elysée-Palast.