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Schwenk in Paris

28. Mai 2008

Schwenk in Paris: Früher als geplant öffnet Sarkozy den französischen Arbeitsmarkt für Osteuropäer. Gleichzeitig erhielt er mit einem Blauen Brief aus Brüssel einen Dämpfer: Frankreichs Staatsdefizit ist zu hoch.

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Frankreichs Präsident Sarkozy - dpa
Der Blick geht nach Osten: Frankreichs Präsident Sarkozy will neue ArbeitskräfteBild: picture-alliance/ dpa

Frankreich zieht die vollständige Öffnung seines Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten um ein Jahr auf den 1. Juli vor. Alle Zugangsschranken würden fallen, weil "die Bewegungsfreiheit der Menschen gut für Europa ist", sagte Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Mittwoch (28.5.2008) nach einem Treffen mit seinem polnischen Kollegen Lech Kaczynski in Warschau. Er könne Europa nicht aufbauen, ohne solche Entscheidungen zu treffen, sagte Sarkozy, dessen Land in gut einem Monat den EU-Vorsitz übernimmt. Kaczynski begrüßte den Schritt Sarkozys als "gut und wichtig".

Frankreich hatte zunächst wie Deutschland und Österreich bei der EU-Kommission beantragt, die Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus den 2004 beigetretenen osteuropäischen Staaten mindestens bis 2009 zu beschränken. Die Angst der Franzosen vor der Niedriglohnkonkurrenz aus Osteuropa und einer Überschwemmung des Arbeitsmarkts mit "polnischen Klempnern" trug 2005 zur Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfs bei.

Polens Präsident Lech Kaczynski - AP
Begrüßt die Öffnung: Polens Präsident Lech KaczynskiBild: AP

Abschottung bis 2011 möglich

Im Zuge der EU-Erweiterung 2004 wurde eine Regelung getroffen, wonach die Altmitglieder ihre Arbeitsmärkte bis zu sieben Jahre, also bis 2011, abschotten dürfen, um sie vor Niedriglohnkonkurrenz zu schützen. Dies ist aber nur mit einem Antrag bei der EU-Kommission möglich. Um eine Zusage zu bekommen, muss ein Land eine "schwerwiegende Störung des Arbeitsmarktes" nachweisen. Eine hohe Arbeitslosigkeit als Grund für die Abschottung reicht alleine nicht aus.

Deutschland und Österreich haben unter den 15 alten EU-Staaten die restriktivsten Vorgaben für den Zuzug osteuropäischer Arbeitnehmer. Großbritannien, Irland und Schweden öffneten ihren Arbeitsmarkt hingegen bereits nach der Ost-Erweiterung 2004 vollständig. Staaten wie Finnland, Griechenland, Italien, die Niederlandem Portugal, und Spanien folgten ihnen bereits. Für Bürger aus Bulgarien und Rumänien haben allerdings fast alle EU-15-Staaten neue Restriktionen erlassen. Anders die der EU 2004 beigetretenen Länder: Sie heißen die südosteuropäischen Arbeiter meist willkommen.

Großbritannien und Schweden profitierten nach Studien der EU-Kommission wirtschaftlich von den neuen Arbeitskräften. Eine dauerhafte Verdrängung der einheimischen Arbeitskräfte sei nicht zu beobachten gewesen. Das genau befürchten aber Deutschland und Österreich wegen ihrer Grenzlage - weswegen die Abschottung bis 2011 aufrechterhalten werden soll.

Blauer Brief aus Brüssel

Die Öffnung des Arbeitsmarktes gehört zu Sarkozys Versuch, Boden in der Europapolitik gut zu machen. Denn die Querelen mit der EU-Kommission um den französischen Haushalt haben seinem Ruf geschadet. Nun gab es den erwarteten Blauen Brief: Nach einer Mahnung aus Brüssel zur Haushaltsdisziplin hat Frankreich am Mittwoch der EU-Kommission den Abbau des Staatsdefizites bis 2012 zugesichert. Premierminister François Fillon lehnte aber tiefe Budgeteinschnitte ab und versprach dafür eine Kontrolle des Ausgabenwachstums und Strukturreformen.

Premier Francois Fillon - AP
Muss den Haushalt sanieren: Premier Francois FillonBild: AP

"Wir werden in diesem Jahr das Defizit auf 2,5 Prozent und 2009 auf zwei Prozent drücken", sagte Fillon. Die Kommission befürchtet, dass Paris das nicht schafft und nächstes Jahr die im Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze von drei Prozent verletzt. Um den Haushalt zu sanieren, will Fillon das Ausgabenwachstum halbieren, die Budgetplanung drei Jahre lang von der Konjunkturentwicklung abkoppeln und die Wirtschaftsreformen vorantreiben. Die Reformen sollen schon 2009 das Wachstum um 0,65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beschleunigen und damit die Kassen füllen.

Defizit von 50 Milliarden Euro

Frankreich wies 2007 ein Defizit von 50 Milliarden Euro aus, während die nordischen Länder Überschüsse erzielten und Deutschland und die Niederlande ihre Haushalte in etwa ausglichen. Das Land hält nach Pariser Angaben gemeinsam mit Schweden den europäischen Rekord eines Staatsanteils am Bruttoinlandsprodukt von 52,5 Prozent. In Deutschland liege der Anteil bei 44 Prozent. Binnen vier Jahren soll das Defizit auf null gedrückt werden. Zehn Milliarden Euro sollen über das schnellere Wirtschaftswachstum hereinkommen, 40 Milliarden über die Halbierung des Ausgabenwachstums. So soll jede zweite freiwerdende Stelle im Staatsdienst nicht ersetzt werden. (tos)