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Sarkozys Nahost-Reise

Rainer Sollich21. Juni 2008

Und wieder ein Vorstoß aus Paris: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy besucht bei einer Nahost-Reise vom 22.-24. Juni die Palästinensergebiete und Israel. Dabei wird er auch für seine Mittelmeer-Union werben.

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Will die Mittelmeer-Union als EU-Ratspräsident formen: Nicolas SarkozyBild: AP

Als Präsident Nicolas Sarkozy im französischen Wahljahr 2007 erstmals seine Idee einer Mittelmeerunion bekannt gab, da verkündete er sie im Stile einer großen Vision: "An alle Völker des Mittelmeeres richte ich diesen Appell. Ich sage Ihnen, im Mittelmeer wird alles entschieden! Wir müssen allen Hass überwinden, um Platz für einen großen Traum des Friedens und der Kultur zu lassen. Die Zeit ist gekommen, eine Mittelmeerunion als Bindeglied zwischen Europa und Afrika zu errichten."

Sarkozy schwebte zunächst eine völlig eigenständige Organisation vor: Ein Prestigeobjekt unter französischer Führung, parallel zur Europäischen Union, mit eigenen Projekten und Institutionen - und unter Ausschluss aller EU-Mitglieder, die nicht direkt ans Mittelmeer grenzen, wie etwa Deutschland oder Polen. Daraus wird aber nichts. Insbesondere deutscher Widerstand hat dazu geführt, dass die Union für das Mittelmeer nun doch kein exklusiver Verband der Mittelmeer-Anrainer werden soll, sondern eine Aufwertung und Erweiterung des bestehenden EU-Programms für die Region, des sogenannten Barcelona-Prozesses. Am 13. Juli soll nun im Zuge der französischen EU-Ratspräsidentschaft der Startschuss für das Projekt in Paris fallen.

Eine Region voller Konflikte

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Entschärfte das französische Projekt: Bundeskanzerlin Angela Merkel, hier neben SarkozyBild: AP

In dem veränderten Rahmen soll mit neuem Elan versucht werden, in einer Reihe von Feldern die Zusammenarbeit zu verbessern: von der Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik über illegale Migration bis hin zur Sicherheitskooperation. Auch politische Vertrauensbildung soll dazu gehören. Aber die zahlreichen Konflikte im südlichen Mittelmeerraum - vor allem der israelisch-arabische Konflikt, aber auch der Konflikt um die Westsahara - gelten weiterhin als schwerwiegende Hindernisse.

Ob die abgespeckte Variante der Mittelmeerunion hier wirklich neue Impulse setzen können wird, bleibt abzuwarten. Einige Länder wie Libyen und Algerien äußern sich bislang ablehnend. Einstweilen behandelt Frankreich die Mittelmeerunion aber trotz der erfolgten Einschränkungen und Kritik einiger arabischer Länder weiterhin als Prestigeobjekt. Und Paris macht auch darüber hinaus immer wieder deutlich, dass es für sich eine besondere, und im europäischen Rahmen hervorgehobene, Rolle in Nahost und Nordafrika reklamiert:

Sarkozy, Meister der Annäherung

So irritierte Sarkozy Europäer und andere Ende 2007 mit einem pompösen Empfang für den libyschen Machthaber Muammar Ghaddafi sowie einer Vereinbarung über die Lieferung eines Atomreaktors an Tripolis. Er hat auch als erster ausländischer Staatschef dem neuen libanesischen Kompromiss-Präsidenten Suleiman seine Aufwartung gemacht. Sarkozy bemüht sich um eine Annäherung an den syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad, der seinerseits Friedenssignale aussendet - und verstört damit Washington. Sarkozy will Al-Assad sogar mit dem israelischen Regierungschef Ehud Olmert an einen Tisch bringen. Und Frankreich hat auch diplomatische Kontakte zur islamistischen Hamas im Gazastreifen eingeräumt, die in einer offiziellen EU-Liste als Terrororganisation eingestuft wird.

Beziehungen zu Israel aufwerten

Muammar Gaddafi
Lehnt die Mittelmeer-Union mittlerweile ab: Libyens Staatschef GaddafiBild: AP

In Nordafrika und Nahost profitiert Frankreich nicht nur von kulturellen Bindungen in seine einstigen Herrschaftsgebiete, in denen Teile der Eliten bis heute französisch geprägt sind. Frankreich versucht auch, wirtschaftlich zu profitieren - etwa durch umstrittene Pläne oder Angebote für eine nukleare Zusammenarbeit auch mit anderen arabischen Staaten wie Ägypten oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Allerdings versucht Frankreich unter Sarkozy auch, sich von seiner bislang tendenziell eher pro-arabisch und pro-palästinensisch eingefärbten Außenpolitik im Nahen Osten ein wenig zu lösen - und auch die Beziehungen mit Israel deutlich aufzuwerten. So ist sich Sarkozy mit Israel in der Einschätzung einig, dass vom iranischen Atomprogramm ein sehr gefährliches globales Sicherheitsrisiko ausgehe. Zugleich kritisiert Sarkozy aber nach wie vor deutlich Israels Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten.

Seine außenpolitischen Initiativen im Mittelmeer-Raum und speziell im israelisch-arabischen Konflikt werden auch in seinem Heimatland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Denn in Frankreich leben nicht nur rund fünf Millionen Muslime mit überwiegend nordafrikanischer Herkunft. Das Land beheimatet mit einer Anzahl von rund 600.000 Menschen zugleich auch die größte jüdische Gemeinde in Europa.