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Geschichte des Frauenfußball

1. Juni 2011

Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland boomt: Die Nationalmannschaft ist Weltmeister und Rekord-Europameister. Doch Damenfußball war nicht immer das Aushängeschild des DFB: früher gab es dafür nur Hohn und Spott.

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Frauenfußballschuhe, England um 1900 Bild: Buch "Verlacht, verboten und gefeiert" von Eduar Hoffmann und Jürgen Nendza, Verlag: Landespresse
Ein langer Weg: Frauenfußballschuhe um 1900Bild: Eduar Hoffmann/Jürgen Nendza

Die Erklärung war banal: "Aus grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen" verbot der Deutsche Fußball-Bund den Frauenfußball – das war am 30. Juli 1955. Der DFB untersagte den Vereinen, Damenfußballabteilungen zu gründen und ihre Sportplätze für Frauen zur Verfügung zu stellen. Dabei war Frauenfußball zu dieser Zeit längst nichts Neues mehr.

Bereits 1894 gründete die Londonerin Nettie Honeyball mit den "British Ladies" das erste englische Frauenfußball-Team. Am 23. März des nächsten Jahres fand in London vor 10.000 Zuschauern das erste Frauenfußballspiel statt: Nord-England besiegte Süd-England mit 7:1. Regelrechte Berühmtheit erlangte das Frauenteam "Dick Kerr’s Ladies", die zu sogenannten Wohltätigkeitsspielen meistens vor ausverkauften Stadion spielten. Doch die Auflösung der klassischen Rollenverhältnisses nach dem Ersten Weltkrieg ging den meisten Männern zu weit: Frauenfußball wurde als anstößig betrachtet, so dass der englische Verband 1921 das Aus des englischen Frauenfußballs bewirkte.

Spätzünder Deutschland

Fußballpionierin Lotte Specht in voller Montur Bild: Buch "Verlacht, verboten und gefeiert" von Eduar Hoffmann und Jürgen Nendza, Verlag: Landespresse
Fußballpionierin SpechtBild: Eduar Hoffmann/Jürgen Nendza

Während in Frankreich auch schon um die Jahrhundertwende Frauen Fußball spielten, begnügte man sich in Deutschland noch damit, dass sich die Damen im Kreis aufstellten und sich den Ball mit dem Fuß zuspielten. Doch selbst das galt als moralisch verwerflich. So entstand der 1. Damenklub in Deutschland erst 1930. "Die Metzgerstochter Lotte Specht gründet ihn, gab eine Annonce in der Zeitung auf und um die 40 junge Frauen meldeten sich", erklärt Eduard Hoffmann, der mit "Verlacht, verboten, gefeiert" der Geschichte des Frauenfußballs ein Buch und eine Ausstellung gewidmet hat. Aber mangels Masse – es gab keine anderen Klubs – wurde der Verein nach einem Jahr wieder aufgelöst. "Es wurde gehetzt, die Presse zog die Damen durch den Kakao, sogar mit Steinen wurden sie beworfen."

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und nachdem das deutsche Männerteam 1954 die Weltmeisterschaft gewann, kam in Deutschland die Diskussion um den Frauenfußball wieder auf. Daher beschloss der DFB mit seinem Verbot, dem Frauenfußball offiziell einen Riegel vorzuschieben. "Es war damals eine schwere Sünde, wenn die Mädchen mit wackeligen Busen liefen und auch noch gegen den Ball traten", erzählt Dr. Hubert Claessen, damals Vorstandsmitglied im DFB. "Man war der Meinung, Fußball ist kein Sport für Frauen, weil sich eine Frau weder physisch noch psychisch für Kampfsport eignet."

Inoffizielles Länderspiel

Plakat zum Frauenfußball von Lotto Hessen Bild: Buch "Verlacht, verboten und gefeiert" von Eduar Hoffmann und Jürgen Nendza, Verlag: Landespresse
Werbung mit FrauenfußballBild: Eduar Hoffmann/Jürgen Nendza

Doch nach der grundgesetzlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptierten die Damen solche Argumente nicht mehr und spielten trotzdem. Eduard Hoffmann: "Frauenfußball war relativ verbreitet, vor allem im Ruhrgebiet und da kamen auch bis zu 10.000 Zuschauer. Es gab Länderspiele abseits des DFB. Das 1. Länderspiel fand 1956 in Essen statt, gegen eine Auswahl aus Holland." Deutschland gewann mit 2:1.

Doch weiterhin mussten die Frauen gegen Anfeindungen ankämpfen. Einige Spielerinnen erinnern sich. "Da kamen Kommentare: die blöden Weiber, die sollen lieber am Kochtopf bleiben und das sind ja alles Mannsweiber." Oder: "Da musste man sich schon mal die Backe abputzen, wurde man angespuckt." Im Oktober 1970 hob der DFB das Frauenfußball-Verbot auf - wenn auch nur gezwungenermaßen. Dr. Hubert Claessen: "Da hat man überlegt, wir müssen die Dinge in die Hand nehmen, sonst gibt es einen Wildwuchs, der dem DFB unter Umständen Konkurrenz macht und wir wollten die Dinge in der Hand behalten."

Überraschend Europameister

Claudia Mueller bejubelt ihr Tor im Finale der Europameisterschaft 2001. (AP Photo/Thomas Kienzle)
Claudia Müller beim EM-Sieg 2001Bild: AP

Doch es dauerte noch viele Jahre, bis der tatsächliche Durchbruch gelang. Das war 1989, als die Frauen die Europameisterschaft im eigenen Land überraschend gewannen. "Von diesem Ereignis berichtete die Presse, das Halbfinale wurde erstmals live übertragen", sagt Eduard Hoffman. "Viele Zuschauer sahen dadurch, dass Frauenfußball doch eigentlich ein sehr schöner Sport ist. Eltern hatten auch keine Angst mehr, ihre Mädchen zum Fußball zu schicken."

Bis heute hat die Nationalelf der Frauen fünf weitere Europameisterschaften gewonnen und zweimal die Weltmeisterschaft, liegt derzeit auf Rang zwei der Weltrangliste. Und mittlerweile hat sich der DFB vom größten Gegner zum größten Förderer gewandelt. Das heißt aber nicht, dass der Frauenfußball nicht weiterhin so seine Probleme hat. "Die Nationalelf ist präsent, aber wenn’s um die Bundesliga geht, das wird’s schon schwieriger, da ist sicherlich noch viel zu tun", meint Eduard Hoffmann.

Bundesliga noch im Abseits

So ist das Niveau der Liga noch stark verbesserungswürdig. Zu den meisten Spielen kommen nur einige hundert Zuschauer, auch die Medien berichten kaum darüber, es fehlt an Sponsoren und damit an Geld. Für die Nationalmannschaft findet man genug gute Spielerinnen, aber es gibt nicht so viele, dass man alle Bundesligateams auf ein ansprechendes Niveau bringen kann. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen sind die meisten Fußballerinnen keine Profis, sie müssen sich neben Training und Wettkampf auch noch auf ihre Ausbildung oder ihren Beruf konzentrieren.

Autorin: Sarah Faupel
Redaktion: Wolfgang van Kann