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Mehr Nachhaltigkeit durch mehr Frauenrechte

Nádia Pontes21. Juni 2012

Gleichberechtigung war ein großes Thema beim UN-Umweltgipfel Rio+20. Denn eine nachhaltige Entwicklung ist ohne starke Frauen nicht denkbar. Ein Projekt in einem brasilianischen Armutsviertel zeigt warum.

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Versperrte Einfahrt der Favela Cachoeirinha in Rio de Janeiro
Versperrte Einfahrt der Favela Cachoeirinha in Rio de JaneiroBild: DW

In der Favela Cachoeirinha in Rio de Janeiro sieht es nicht anders aus als in den meisten Armutsvierteln Brasiliens: Alte Sofas am Eingang versperren Autos die Zufahrt, Unbekannte sind nicht willkommen. Ein Stück weiter wachen Drogendealer. Der Alltag im Viertel ist von Gewalt geprägt. Den 37.000 Bewohnern mangelt es an Bildungschancen, es gibt keine ordentliche Infrastruktur.

Sexuelle Aufklärung für Jugendliche

Und doch sind langsame Verbesserungen festzustellen. Vor zehn Jahren rief zum Beispiel die Nichtregierungsorganisation Bemfam ein Projekt ins Leben, das Jugendlichen hilft, unerwünschte Schwangerschaften zu vermeiden. Das Ergebnis dieser Arbeit ist spürbar: Die Zahl der Schwangerschaften bei Jugendlichen in Cachoeirinha ist von damals 25 Prozent auf heute 16 Prozent gefallen.

Der Verein bietet ärztliche Versorgung und führt Workshops mit den Bewohnern des Viertels durch. Dabei geht es um sexuelle Selbstbestimmung und Verhütung. Die 17-jährige Iasmin hat bei den Treffen viel gelernt. "Vorher wusste ich nicht, dass es die Pille danach gibt, falls das Kondom reißt. Ich wusste nichts über Geschlechtskrankheiten.”

Workshop mit Jugendlichen in der Favela Cachoeirinha
Workshop mit Jugendlichen in der Favela CachoeirinhaBild: DW

Dass sie nun über diese Dinge Bescheid weiß, das hat Iasmin die Freiheit gegeben, einen anderen Weg als ihre Mutter einzuschlagen. Die wurde mit 16 schwanger und arbeitet nun als Haushaltsangestellte. Iasmins Berufswunsch: "Ich möchte zur Marine."

Selbstbestimmte Familienplanung

Die Stärkung der Frauen, damit sie die Freiheit haben, über ihr Leben selbst zu bestimmen - das hat sich auch die internationale Föderation IPPF auf die Fahnen geschrieben, für die Carmem Barroso tätig ist.

Die Organisation setzt sich daher für Geburtenkontrolle ein und setzt bei den Frauen an: Die, sagt Barroso, hätten derzeit oft nicht die Möglichkeit, ihre Wünsche bei der Familienplanung durchzusetzen. Es gehe daher darum, die Rechte der Frau zu stärken, frei darüber zu entscheiden, ob sie ein Kind bekommen will und wann.

Situation in Cachoeirinha nicht anders aus als in den meisten Armutsvierteln Brasiliens
Die Situation in Cachoeirinha sieht nicht anders aus als in den meisten Armutsvierteln BrasiliensBild: DW

Carmem Barroso kritisiert, dass es um eben diese Rechte in Brasilien nicht gut bestellt ist: Abtreibung ist generell verboten - außer wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande gekommen ist, wenn Risiken für die Mutter bestehen oder eine schwere Fehlbildung des Fötus droht.

Dennoch ist das Bevölkerungswachstum Brasiliens von rund 2,5 Prozent in den 1970ern Jahren auf unter 1,2 Prozent im vergangenen Jahrzehnt gefallen. Und die Geburtenrate ist auf 1,8 Kinder im Jahre 2010 gesunken. Carmem Barroso erklärt das so: "Die Geburtenrate ist zurückgegangen, weil Frauen stärker geworden sind: durch eine moderne Gesetzgebung, den Einstieg in den Arbeitsmarkt und bessere Bildungschancen.“

Carmen Barroso: "Je größer die Bevölkerung, umso schwerer ist es für die Nachhaltigkeit"
Carmen Barroso: Nachhaltigkeit durch GeburtenkontrolleBild: DW

Stärkung der Frauen

Und weil Bildung eine Voraussetzung für Geburtenkontrolle ist, hat das Thema auch Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und stand damit auch auf der Tagesordnung beim Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20.

Den Zusammenhang erklärt Ney Francisco Pinto Costa, Vorsitzender des Bemfam, der in der Favela Cachoeirinha das Familienplanungsprojekt unterstützt, so: "Wir sind überzeugt davon, dass die Stärkung der Frauen ausschlaggebend ist, wenn es um Veränderungen, um neue Konzepte geht, wie sich die Staaten stärker für die Umwelt und nachhaltige Entwicklung einsetzen."

Costas Verein ist nicht nur in Rio sondern in ganz Brasilien tätig und kooperiert auch mit ähnlichen Organisationen in Lateinamerika und Afrika. Allein im Jahr 2011 haben mehr als sechs Millionen Brasilianer von Bemfam angebotene Beratungen in Anspruch genommen.